282 — Wenn Herr Kollege Vogel hier dazwiſchen ruft:] Otto und ſeiner Parteigenoſſen. Es iſt einfach der wir ſind ſolchen Konflikten immer eusgewichen, ſo bedaure ich, daß ihm nicht ein beſſeres Gedächtnis beſchieden iſt, als er durch dieſen Zwiſchenruf be⸗ weiſt. Aber wir wollen nicht einen nach den klaren geſetzlichen Beſtimmungen völlig nutzloſen Konflikt mit der Regierung heraufbeſchwören, ſondern wir ſehen uns als Realpolitiker genötigt, uns den einmal beſtehenden Verhältniſſen zu fügen. Sie wiſſen, daß gerade meine politiſchen Freunde es geweſen ſind, die leider als einzige Partei des Abgeordnetenhauſes gegen das Volks⸗ ſchulunterhaltungsgeſetz mit aller Entſchiedenheit Front gemacht haben; ſie haben das Zuſtande⸗ kommen dieſes Geſetzes nicht verhindern können, nun müſſen wir auch mit dem Geſetz rechnen und uns den geſetzlichen Beſtimmungen fügen. Wenn aber dieſe Beſtimmungen die Ernennung eines Erſatz⸗ mannes durch die Regierung vorſehen, ſo können wir auf dieſe Brücke unter keinen Umſtänden treten. Welcher Art der Erſatzmann ſein würde, das be⸗ ſtimmt weder das Geſetz, noch gibt die jüngſt er⸗ ſchienene Ausführungsanweiſung zu dem Geſetze darüber irgendwelche Auskunft; wir wiſſen alſo nicht einmal, ob ein Mitglied der Stadtverord⸗ netenverſammlung dann von der Regierung be⸗ ſtimmt würde; die Regierung würde völlige Freiheit haben, hineinzuſetzen, wen ſie wollte. Und da wir freilich zu der Königlich Preußiſchen Regierung im all⸗ gemeinen und zu der Potsdamer Regierung im beſonderen nicht gerade das Vertrauen haben, daß ſie auch nur einen Mann, der entſchieden liberal und entſchieden geſonnen iſt, die Rechte der Selbſt⸗ verwaltung wahrzunehmen, in die Schuldeputation hineindelegiere, werden wir unſererſeits genötigt, einen Erſatzmann vorzuſchlagen. Es wird ja Sache des Wahlausſchuſſes ſein, Ihnen einen Vorſchlag zu unterbreiten, und dann Ihre Sache, zu dieſem Vor⸗ ſchlage Stellung zu nehmen. Ich faſſe mich dahin zuſammen, daß ich noch einmal wiederhole: wir bedauern mit der ſozial⸗ demokratiſchen Fraktion, daß einem Manne von den Fähigteiten und der Arbeitskraft unſeres Kollegen Dr Borchardt die Gelegenheit, in der Schuldeputa⸗ tion zu wirken, durch die Nichtbeſtätigung durch die Regierung entzogen worden iſt, wir ſehen uns aber auf Grund der gültigen geſetzlichen Beſtimmungen nicht in der Lage, nun abermals einen Sozial⸗ demokraten zu wählen, ſondern wir werden einen anderen Vorſchlag für den zu beſetzenden Poſten machen. 3 2 Stadtv. Vogel I1: Meine Herren, der Herr Vorredner ſagte in ſeinem Reſumee: wir bedauern, daß wir Herrn Kollegen Dr Borchardt nicht wählen können und daß er deshalb in der Schuldeputation nicht tätig ſein kann, aber wir können an dem Stand⸗ punkt der Regierung nichts ändern und müſſen darauf verzichten, ihn wiederzuwählen, und müſſen einen anderen aufſtellen. Dieſe Ausführungen des Herrn Kollegen Otto errinnern mich ſehr lebhaft an die Großherzogin von Gerolſtein; die ſingt auch: „Wenn man nicht haben kann das, was man liebt, dann muß lieben das, was man haben kann.“ Weil Herr Dr Borchardt nicht beſtätigt wird, ſo wählen wir alſo einen, der beſtätigt wird — voll⸗ ſtändig derſelbe Standpunkt! Aber dieſen Stand⸗ (Bravo! bei den Liberalen.) punkt nehmen wir nicht ein; dadurch unterſcheiden wir uns von dem Standpunkte des Herrn Kollegen Unterſchied, den Klaus Groth in ſeinem bekannten Verſe ſagt: Der eine fragt: was kommt danach? Der andre: was iſt recht? Und dadurch unterſcheidet ſich Der Freie von dem Knecht. („Heiterkeit. Rufe: Klaus Groth2!) Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, ich glaube, es darf hier doch nicht unwiderſprochen bleiben, daß Herr Kollege Zietſch geſagt, die preußi⸗ ſche Staatsregierung machte uns zum Geſpött der Welt. (Stadtv. Zietſch: Nein, ſich ſelbſt!) — So ungefähr lautete es; wir werden ja im Steno⸗ gramm das Genauere ſehen. Jedenfalls auch in der jetzt gegebenen Faſſung: ſie machte ſich zum Geſpött der Welt, muß dieſer Ausdruck eine gewiſſe Zurückweiſung erfahren. Er ſprach ferner von der poſitiven Mitarbeit der Sozialdemokratie, an der ſie doch nicht gehindert werden ſollte. Meine Herren, wir erkennen, glaube ich, aller hier an, daß die Sozialdemotraten hier in unſerer Kommune — und ich glaube: auch in anderen Kommunen — in der Tat poſitiv mit⸗ gearbeitet haben und poſitiv mitarbeiten, und das iſt mit ein Grund geweſen, abgeſehen von der Per⸗ ſönlichkeit, der uns auch veranlaßt hat, für die Wahl des Herrn Kollegen Borchardt zu ſtimmen. Aber erinnern möchte ich doch den Herrn Kollegen Zietſch daran, daß es mit ſeinen politiſchen Freunden im Staate nicht ganz ſo ausſieht. Von der poſitiven Mitarbeit der Sozialdemokraten im Reichstage iſt mir nicht ſehr viel bekannt, (Stadtv. Zietſch: Ach!) und ob die Mitarbeit im preußiſchen Landtage gerade erheblich größer ſein würde bei den Ge⸗ ſetzen, die dem preußiſchen Landtag vorgelegt werden, das möchte ich noch ſehr bezweifeln. (Stadtv. Wilk: Geben Sie doch Gelegenheit dazu!) Nun aber glaube ich im Namen meiner Freunde erklären zu können, daß wir uns den Ausführungen des Herrn Kollegen Otto im weſentlichen vollſtändig anſchließen. Auch wir halten einen Proteſt im jetzigen Augenblick bei der Lage der Geſetzgebung für ein ganz unnützes Vorgehen, das nur zur Folge haben würde, daß unſere Rechte tatſächlich noch mehr beſchnitten werden, als ſie bereits jetzt durch die Möglichkeit für die Regierung, einen gewählten Stadtverordneten zurückzuweiſen, beſchnitten ſind. Wir werden alſo für den Antrag des Herrn Kollegen Otto, die Sache dem Wahlausſchuß zu überweiſen, ſtimmen und werden auch in demſelben Geiſte dort mitarbeiten. Stadtv. Zietſch: Meine Herren, ich kann mich auf ganz wenige Worte beſchränken. Herr Kollege Stadthagen glaubte, berechtigten Anlaß zu haben, mich zurechtzuweiſen, weil ich geſagt habe: die preußiſche Regierung macht ſich durch ihren Bu⸗ reaukratismus und ihre Reaktion lächerlich. Bei Herrn Kollegen Stadthagen vielleicht nicht, ſonſt aber ſchließlich in der übrigen Welt: das dürfte genügen. Jedenfalls war die Zurechtweiſung mir gegenüber verfehlt. Mit Freude begrüße ich aber die Anerkennung des Herrn Kollegen Dr Stadthagen, daß wir Sozial⸗ demokraten hier bisher poſitiv mitgearbeitet haben. Wir werden das den Freunden des Herrn Kollegen