Dr Stadthagen in die Erinnerung zurückrufen, wenn uns zur Wahlzeit nachgeſagt wird, daß wir niemals poſitiv wirken wollten und nur Reden zum Fenſter hinaus hielten. Herr Kollege Dr Stadthagen ſagte ferner: hier ſind die Sozialdemokraten ganz andere Kerle als im Reichstage und Landtage. Im Landtage ſitzen wir noch nicht; wir haben bisher noch nicht Gelegen⸗ heit gehabt, dort unſere poſitive Mitarbeit geltend zu machen und unſere Luſt dazu beweiſen zu können. Wir hoffen, vielleicht wenn Herr Kollege Dr Stadt⸗ hagen mit ſeinen Freunden uns darin unterſtützen wollte, nach den nächſten Wahlen Gelegenheit dazu zu finden, unſere Luſt zur poſitiven Mitarbeit im preußiſchen Landtage beweiſen zu können. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. Heiterkeit.) Was die poſitive Mitarbeit im Reichstag an⸗ belangt, ſo ſollte doch gerade Herr Kollege Dr Stadt⸗ hagen darüber etwas beſſer unterrichtet ſein. Es iſt ja das Wort Bismarcks geweſen: „Ohne Sozial⸗ demokratie keine ſoziale Reform.“ — Sie winken ab: das ſei etwas anderes. Nein, nichts anderes! Schon unſere Anweſenheit im Reiche allein ge⸗ nügte, zu poſitiver Arbeit Veranlaſſung zu geben, ganz abgeſehen von unſerer Mitarbeit daran. Die poſitive Mitarbeit unſerer Parteigenoſſen im Reichs⸗ tage iſt im Verhältnis mindeſtens ebenſo groß als unſere poſitive Mitarbeit hier oder in anderen Kommunen Deutſchlands oder in den Landtagen und Geſetzgebungskörperſchaften Deutſchlands. Ich erinnere an die ſorgfältige Arbeit unſerer Genoſſen in den Kommiſſionen des Deutſchen Reichstages, und es gibt keinen tüchtigeren, beſonders in der Arbeiterſchutzgeſetzmaterie eingearbeiteteren und be⸗ wanderteren Parlamentarier als unſeren Genoſſen Molkenbuhr, wie ja auch von allen Seiten der bürgerlichen Parteien anerkannt wird; Genoſſe Molkenbuhr allein hat durch ſeine rege Mitarbeit an faſt an allen ſozialpolitiſchen Geſetzen den Willen der Sozialdemokraten, poſitiv mitzuarbeiten, zur Genüge bewieſen, — aber es waren Freiſinnige, die Molkenbuhr aus dem Reichstage hinausgewählt haben! Herr Kollege Otto hat mit Nachdruck darauf hingewieſen, daß er und ſeine Parteifreunde ſtets dafür zu haben ſein würden, das Selbſtverwaltungs⸗ recht der Gemeinden zu verteidigen und dafür zu kämpfen. Die Herren Liberalen haben ſich aber auch durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Otto als Realpolitiker vom reinſten Waſſer dekla⸗ riert. Das nehme ich Ihnen nicht weiter übel. Das unterſcheidet Sie gewiſſermaßen von uns, weil wir nicht ſolche ausgeprägten Realpolitiker ſind, ſondern in gewiſſem Maße noch unſere Prinzipien gelten laſſen. Es iſt ja ohne weiteres richtig, daß, wenn Sie unſeren Anträgen und Wünſchen ſtattgeben, es dazu kommen könnte, daß die preußiſche Regie⸗ rung von der Beſtimmung des neuen Geſetzes Ge⸗ brauch macht und Ihnen ein unliebſames Mitglied in die Schuldeputation hineinwählt, und Herr Kollege Otto faßt das auch in die Worte zuſammen: „So ſehr uns auch das Herz darüber zu brechen droht, wir müſſen trotzdem Realpolitiker bleiben auf Grund der königlich preußiſchen Beſtimmungen über die Schulaufſicht.“ Das heißt, der Freiſinn in Char⸗ lottenburg iſt ein königlich preußiſcher Freiſinn ge⸗ worden! Wenn Herr Kollege Otto glaubt, damit 283 — das Dekorum der Freiſinnigen gewahrt zu haben, dann hat er es recht ſchlecht getan. Stadtv. Dr. Spiegel: Meine Herren, ich möchte mir nur geſtatten, auf die letzten Ausführungen der Herren Kollegen Vogel I und Zietſch ein paar Worte zu erwidern. Wir ſind ja gewöhnt, daß, wenn wir nicht gerade nach der Melodie tanzen, die von dort her geblaſen wird, uns ſefort „Verleugnung der Prin⸗ zipien“ und ähnliche ſchöne Dinge an den Kopf ge⸗ worfen werden. Wir regen uns darüber auch im allgemeinen gar nicht auf und in dieſem Falle, glaube ich, noch weniger, in einem Falle, in dem Herr Kollege Zietſch ſelbſt unſere Anſchauung als berechtigt in ſeinen erſten Ausführungen eigentlich anerkannt hat, wo er ſelbſt ſagte, daß er und ſeine Genoſſen einen beſtimmten Vorſchlag nicht machen wollen. (Stadtv. Zietſch: Das habe ich nicht geſagt!) Herr Kollege Vogel hat in ſeinen klaſſiſchen Ausführungen (Heiterkeit) ein Zitat gebracht, das darauf hinwies, daß, wer nach dem fragt, was nachher kommt, der Knecht ſei und der freie Mann nur der, der lediglich nach ſeinem Rechte frage. So ungefähr war ja der Sinn der Verſe, die ich im Wortlaut nicht zitieren will Ich ſtimme Herrn Kollegen Vogel reſp. dem Dichter, den er zitiert hat, in gewiſſem Sinne bei. Aber um auf einem Rechte zu beharren, iſt vor allen Dingen notwendig, daß man dieſes Recht hat, (Stadtv. Zietſch: Sehr richtig!) und, meine Herren, der Grund unſerer Stellung⸗ nahme iſt der, daß wir nach der neueſten „königlich preußiſchen“ Geſetzgebung nicht mehr dieſes Recht beſitzen, es nach dem Uſus auch leider ſchon vorher nicht beſeſſen haben, den Mann unſerer Wahl als Schuldeputationsmitglied in der Tat fungieren zu ſehen, daß wir uns, wenn wir auf einem Rechte, das wir nicht beſitzen, beharren, lediglich des wirk⸗ lichen Rechtes begeben, eine Stelle überhaupt mit einem aus unſeren Reihen zu befetzen. Gerade alſo um auf dieſem Rechte zu beſtehen, dürfen wir das nicht vorhandene Recht nicht betonen; wir müſſen uns, ſo ſchwer es uns wird, der Entſcheidung der Regierung fügen. Gewiß kann man ſtatt deſſen ſich als Mann hinſtellen, kann ſagen: einen andern will ich nicht, und wenn ein anderer hineinkommt, ſo ſoll er eben gegen meinen Willen hineinkommen. Wie geſagt, ein Recht wahrt man damit nicht; man wahrt nur etwas, was man im gewöhnlichen Leben mehr als Eigenſinn bezeichnet. Dieſen Eigenſinn, der die Intereſſen, welche wir zu vertreten haben, die Intereſſen unſerer Stadt und unſerer Volksſchule, nur ſchädigen könnte, wollen wir nicht beſitzen. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Wir glauben, als freie Männer gerade in dieſem Falle das Beſte zu tun, was wir tun können. Wenn uns nun vorgeworfen wird, daß wir uns als „königlich preußiſche Freiſinnige“ gerieren, weil wir die „königlich preußiſchen“ Geſetze be⸗ folgen, nun, ſo tun wir einfach das, wozu jeder Preuße von Rechts wegen verpflichtet iſt. Wir halten es nicht mit unſerer Würde und mit der Stellung eines Mannes für nicht vereinbar, be⸗ ſtehende Geſetze zu befolgen. Daß die beſtehenden