—— 307 — ehe ſie ſich darüber vergewiſſert haben, ob die Pritſche auch genügend ſtandhält. Wenn dem ſo war, dann iſt das nicht allein die Schuld der Arbeiter, ſondern das iſt eben mit die Folge des Akkordſyſtems. Wennman den Leuten nicht ſolchen knappenAkkordſatz gäbe, ſondern ſie ſo gut lohnte, daß ſie ſich erſt genü⸗ gende Sicherheit über ſolche Sachen verſchaffen können, wie hier über die Sicherheit der Pritſche, dann würde man den Arbeitern ſelbſt mehr Gelegen⸗ heit geben, ſolchen Unglücksfällen vorzubeugen. Wenn aber geſagt wird: die Leute haben ja einen anſtändigen Verdienſt von 30 bis 36 ℳ pro Woche — man kann ja vielleicht den Verdienſt als anſtändig betrachten —, ſo zeugt doch gerade dieſer hohe Ver⸗ dienſt bei dieſen niedrigen Akkordſätzen davon, wie intenſiv die Leute arbeiten mußten, und eine ſolche intenſive Arbeit ſcheidet von vornherein jede Vorſicht aus, jede perſönliche und jede andere Vorſicht. Bedauerlicherweiſe ſehen wir bei ſehr vielenArbeiten, daß ſich die Arbeiter um ihre eigene Sicherheit gar nicht bemühen. Das tun ſie nicht aus Nachläſſigkeit gegen ihr perſönliches Wohl, ſondern das unterlaſſen ſie, getrieben durch die niedrigen Akkordſätze. Und in dieſem Sinne iſt es richtig, wenn wir Akkordarbeit als Mordarbeit anſprechen. Nun hat der Herr Stadtbaurat geſagt: ja, was ſollen wir tun? alle Vorſichtsmaßregei, die wir nach menſchlichen Ermeſſen treffen können, haben wir getroffen, und wir ſuchen ihnen auch Rechnung zu tragen. Ich zweifle nicht daran, daß die Anord⸗ nungen, die der Herr Baurat gegeben hat, in der Praxis in korrekter Weiſe durchgeführt werden, und deshalb kann ich mich mit den Ausführungen des Herrn Stadtbaurats zufrieden geben, wenn er ſagt: ſowie der Unfall eingetreten war, haben wir alle unſere gleichartigen Bauſtellen auf ſolche Gefahr un⸗ terſucht. Das iſt ja alles Mögliche, was wir in dieſer Beziehung fordern können. Aber wenn der Herr Stadtbaurat weiter fragt: was werden wir nun generell tun können? ſo hat mein Freund Gebert einen Weg ſchon angegeben. Ich möchte Sie auf einen zweiten Weg aufmerkſam machen, der darauf hinausgeht: ſtellen Sie auch Arbeiterkontrolleure auf ſolchen Bauten an! Das dürfte helfen, künf⸗ tigem Unglück vorzubeugen. Vorſteher⸗Stellvertr. Dr. Hubatſch: Das Wort wird nicht weiter verlangt. Der Gegenſtand iſt erledigt. Wir kommen zum letzten Punkt der Tages⸗ ordnung, zu der Anfrage der Stadtv. Meyer und Gen. betr. Teuerungszulagen. Die Anfrage lautet: Hat der Magiſtrat zu dem Beſchluß der Stadtverordnetenverſammlung vom 15. April dieſes Jahres betr. die Zahlung von Teue⸗ rungszulagen bereits Stellung genommen? Falls dies im zuſtimmenden Sinne ge⸗ ſchehen iſt, wann und in welcher Weiſe iſt die Zahlung zu erwarten? Frageſteller Stadtv. Meyer: Meine Herren, in der Sitzung der Stadtverordnetenverſammlung vom 25. März d. I. machte uns Herr Bürgermeiſter Matting die Mitteilung, daß der Magiſtrat be⸗ ſchloſſen hätte, mit tunlichſter Beſchleunigung den Normaletat zum 1. April 1908 unter Feſtlegung einer Dauer von fünf Jahren zu revidieren, und auf die Frage meines Freundes Otto, wann dieſe Reviſion der Stadtverordnetenverſammlung zu⸗ gehen würde, ſetzte er hinzu, daß es vielleicht möglich ſein würde, daß der Magiſtrat bis Mitte Mai die Arbeit werde gemacht haben können. Ich nehme daher an, — fährt er fort — daß ungefähr Mitte Mai eine Vorlage des Magiſtrats an Sie würde gelangen können, und daß Sie dann bis zum 1. Juni in der Lage ſein würden, dieſe zu verabſchieden. Im Anſchluß hieran hat ſich dann der Herr Bürger⸗ meiſter auf Anregungen der Herren Kollegen Otto und Zietſch, die dahin zielten, auch eine Erhöhung der Teuerungszulagen ſofort ins Wert zu ſetzen, im abmahnenden Sinne geäußert. Er hat ertlärt, daß es vielleicht nicht nötig ſei, ſich heute in die nicht ganz leichte Frage einer Umgeſtaltung der Teuerungszulage einzulaſſen. Bis Mitte Mai — ſo ſagte er wörtlich — — das werden Sie zugeben — werden jeden⸗ falls die bisherigen Teuerungszulagen, haben ſie ſo lange ausgereicht, auch noch ausreichen. Meine Herren, die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung iſt ſchon damals mit dieſer Anſicht des Herrn Bürgermeiſters Matting nicht einverſtanden ge⸗ weſen. Der ſtenographiſche Bericht verzeichnet „Widerſpruch bei den Liberalen“, und auch die übrigen Fraktionen der Verſammlung haben den Widerſpruch gebilligt: denn in der Kommiſſion iſt man, entgegen dem Wunſche, den der Herr Magi⸗ ſtratsvertreter urſprünglich ausgeſprochen hatte, dazu gekommen, eine Erhöhung der Teuerungs⸗ zulagen zu beſchließen, wie Sie wiſſen, auf 72, des Gehalts, und zwar mit der Maßgabe, daß ſie mindeſtens 150 ℳ nd höchſtens 300 ℳ betragen und ſpäter auf das Gehalt Verrechnung finden ſollten. Nun, meine Herren, wird niemand behaupten wollen, daß dieſe Zulage ein auch nur einigermaßen vollgültiges Aquivalent iſt gegenüber den Nach⸗ teilen, welche die Beamten, Lehrer und Arbeiter der Stadt durch die infolge der agrariſchen Wirt⸗ ſchaftspolitik verurſachte Verteuerung der Lebens⸗ mittel und ſonſtiger Bedürfniſſe erleiden. Man hat auch nicht die Bedenken verkannt, die daraus reſultieren, daß eine gle ich mäß ig e prozentuale Zulage nicht der Tatſache gerecht werden konnte, daß unter der gegenwärtigen Teuerung diejenigen, die ein geringes Einkommen haben, mehr leiden als diejenigen, die ein größeres Einkommen haben. Wenn ſich trotzdem die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung dahin ſchlüſſig machte, eine Erhöhung von 7 ½ % gleichmäßig zu gewähren, ſo ging ſie davon aus, daß die Möglichkeit gegeben werden ſollte, ſofort die Zulage zu zahlen, daß ſie einen Beſchluß faſſen wollte, der beim Magiſtrat auf ſchleunige Annahme und Durchführung rechnen konnte. Wir ſagten uns: es kommt mehr darauf an, bald etwas zu geben, als die Sache auf die lange Bank zu ſchieben, und unſere Entſcheidung wurde uns durch die Hoffnung erleichtert, daß es ſich nur um ein kurzes Proviſorium handeln würde, da nach den Erklärungen des Herrn Bürgermeiſters Matting nach ein paar Monaten eine definitive Regelung durch den Normaletat Platz greifen ſollte. Nun, meine Herren, der 15. Mai iſt da, der 15. Mai iſt vorüber: der Entwurf eines Normal⸗ etats iſt der Stadtverordnetenverſammlung nicht zugegangen, und es dürfte ausgeſchloſſen ſein, daß