— 330 beſtimmten Entfernung von der Straße gebaut werden darf; daß weiter gewiſſe Gewerbe innerhalb der Kolonie nicht betrieben werden ſollen; insbe⸗ ſondere, daß gewiſſe Anſtalten — ich bemerke, dazu gehören auch Krankenanſtalten und Irrenanſtalten — im Bezirk von Weſtend nicht eingerichtet werden dürfen. Das letztere betone ich gerade, um Sie darauf hinzuweiſen, wie hier Theorie und Praxis ſich widerſprechen; es iſt Ihnen allen ja bekannt, daß gerade im Gebiet von Weſtend ſich eine Heilan⸗ ſtalt für Gemütskranke befindet. (Stadtv. Dr Frentzel: Und das Krankenhaus!) Nun hat es zu Zweifeln und zu einer, ich möchte ſagen, Belaſtungsprobe für die ganze juriſtiſche Grundlage dieſes Zuſtandes geführt, daß ſich unter den Intereſſenten der Weſtendgeſellſchaft ſehr findige Köpfe gefunden haben. Dieſe findigen Köpfe haben Anfang der 90 er Jahre ein lukratives Geſchäft begonnen, nämlich, die Löſchung dieſer Baubeſchränkungen gegen Barzahlung anzubieten. Sie haben allem Anſchein nach auch eine ganze Anzahl von Reflektanten für einen ſolchen Verzicht auf die juriſtiſchen Grundlagen des Villencharakters von Weſtend gefunden. Sie haben ſich, wie ich aus den Akten entnommen habe, ſowohl durch Zirkulare an die Intereſſenten gewendet, als auch in Zeitungs⸗ inſeraten angeboten, gegen Zahlung netto Kaſſe die Löſchung der Baubeſchränkung zu bewirken. Wenn dieſer juriſtiſche Raubbau weiter gegangen wäre, ſo beſtand allerdings die ernſtliche Befürchtung, daß im Handumdrehen die Villenkolonie Weſtend ſich in eine Reihe von Mietskaſernen verwandelt hätte, gegen deren Nützlichkeit man ja an und für ſich nichts ſagen kann, die man aber gerade an dieſer Stelle nicht zu ſehen wünſcht. Demgegenüber hat nun die Stadtgemeinde als Vertreterin der öffentlichen und allgemeinen Intereſſen ſich veranlaßt geſehen, juriſtiſche Schritte zu unternehmen. Es iſt ihr zunächſt geglückt, auf den Weſtender Grundſtücken eine grundbücherliche Vormerkung eintragen zu laſſen, wonach ſie das Recht der Weſtendgeſellſchaft beſtreitet, die grund⸗ bücherlichen Vermerke bezüglich der Weſtend⸗Bau⸗ beſchränkungen zur Löſchung zu bringen. An dieſen erſten einleitenden Schritt der Stadtverwaltung hat ſich dann ein ſehr ausgedehnter und verwickelter Prozeßkrieg geknüpft. Es ſind dabei die verſchie⸗ denſten richterlichen Inſtanzen tätig geworden: angefangen von den Grundbuchrichtern, den Be⸗ ſchwerdekammern bis zu dem Beſchwerdeſenat des Kammergerichts; die Zivilkammern des Land⸗ gente die Zivilſenate des Kammergerichts, der eviſionsſenat des Reichsgerichts. Ich habe bei einer oberflächlichen Durchſicht der Akten feſtgeſtellt, daß in dieſer für die Juriſten ja recht anregenden Frage im ganzen 43 Richter ihre Meinung zum beſten gegeben haben. Entſprechend einer ſolchen inten⸗ ſiven juriſtiſchen Tätigkeit iſt natürlich auch die juriſtiſche Ausbeute geweſen, und ſo habe ich weiter die Feſtſtellung treffen können, daß die 43 Richter über die Frage: „was bedeutet die grundbücherliche Eintragung betreffend die Weſtend⸗Baubeſchränkun⸗ gen; was iſt ihr juriſtiſcher Inhalt, und wem ſtehen ſie zu?“ nicht weniger als 7 verſchiedene, ſämtlich wohlbegründete Rechtsanſichten zutage gefördert haben. (Heiterkeit.) Dieſe 7 verſchiedenen Rechtsanſichten haben in letzter Linie ihre Quelle bei dem Kammergericht, das ja ſeit altersher einen wohl begründeten Ruf für juriſtiſche Tüchtigkeit beſitzt. Die Stadtverwal⸗ tung Charlottenburg iſt ſogar zweimal in die Lage gekommen, auszurufen: „Ja, wenn das Kammer⸗ gericht in Berlin nicht wäre!“ Nämlich einmal: wenn das Kammergericht in Berlin, und zwar ſein Erſter Zivilſenat nicht wäre, ſo würde die Stadt⸗ verwaltung und würden wir alle nicht wiſſen, daß dieſe grundbücherliche Eintragung ein ſubjektiv⸗ perſönliches Recht iſt. Und wenn der Zweite Zivil⸗ ſenat des Kammergerichts nicht wäre, ſo würde die Stadtverwaltung und würden wir nicht wiſſen, daß dieſe grundbücherliche Eintragung kein ſubjektiv⸗ perſönliches, ſondern ein ſubjektiv⸗dingliches Recht iſt, (Heiterkeit) und dieſer grundlegenden Gruppierung der Rechts⸗ anſichten ſchließen ſich dann eine Reihe von Unter⸗ gruppen an, mit denen ich Sie aber nicht weiter behelligen möchte. Es ergibt ſich praktiſch die Konſequenz, daß, wenn die Anſicht des Erſten Zivilſenats zutrifft, die Stadtgemeinde Charlottenburg als Rechtsnach⸗ folgerin der Weſtendgeſellſchaft, geſtützt auf den Vertrag, den ſie ſeinerzeit mit dieſer geſchloſſen hat, allerdings berechtigt wäre, und zwar ausſchließlich berechtigt wäre, alle urſprünglich der Weſtendgeſell⸗ ſchaft zuſtehenden Rechte auszuüben und von dieſem Rechtsſtandpunkt aus einer Verwüſtung Weſtends entgegenzutreten. Anders liegt die Sache, wenn das Kammergericht, Zweiter Zivilſenat, recht hat. Da iſt die Sache inſofern abweichend zu beur⸗ teilen, als dann von vornherein die Weſtendgeſell⸗ ſchaft nur inſoweit und nur ſo lange Rechte hatte, als ſie die Nachbarin der Grundſtücke war, auf denen die Vermerke ſich befinden, während jetzt unſere Stadtverwaltung — allerdings nur in ihrer Eigenſchaft als nuumehrige Eigentümerin des Straßenlandes — dieſe Rechte hat. Aber ſie hat die Rechte nicht allein und ſie hat ſie nur in dem Umfange, wie ſie auch jeder andere Eigentümer innerhalb des Bezirkes von Weſtend beſitzt. Die Konſequenz iſt nun die, daß die Stadt⸗ verwaltung das Bedürfnis empfindet — und das wird wohl auch von uns geteilt werden müſſen —, gegenüber dieſer Überfülle juriſtiſcher Meinungen einigermaßen Klarheit und Sicherheit zu ſchaffen. Dazu ſcheint mir allerdings der vorgeſchlagene Weg durchaus geeignet, — wenn auch natürlich die Möglichkeit nicht ausgeſchloſſen iſt, daß im Verfolg irgendeiner neuen achten Rechtsanſicht wieder neue juriſtiſche Zweifel zutage treten. Der Vertrag, der uns zur Genehmigung vorgelegt wird, erſcheint als ein geeignetes Mittel, ſchon aus dem Geſichts⸗ punkt: wenn durch ihn Sicherheit und Klarheit geſchaffen werden kann, wird das mit ſehr geringen Opfern reicht. Die Weſtendgeſellſchaft erkennt durch dieſen Vertrag an, daß alle Rechte, die ihr auf Grund der grundbücherlichen Eintragung urſprünglich zu⸗ ſtanden, auf die Stadtverwaltung übergegangen ſind, und ſie verpflichtet ſich weiter, die Bewilligung zu geben, daß dieſer Ubergang der Rechte im Grund⸗ buche eingetragen wird. Sie bekommt den — ſicher nicht zu hohen — Preis von 25 ℳ pro Grundſtück, aber nur, wenn es gelingt, die entſprechende Um⸗ ſchreibung im Grundbuche zu bewirken. Wenn das nicht gelingen ſollte — etwa, weil eine noch ſcharf⸗ ſinniger begründete achte Rechtsanſicht zutage tritt, — ſo bekommt ſie eben gar nichts. Anderſeits übernimmt die Stadtgemeinde eine Verpflichtung,