Antragſteller Stadtv. Zietſch (Schlußwort): Ich kann mich ſehr kurz faſſen. Ich nehme ohne weiteres an, daß unſer Antrag heute angenommen wird. Die Ausführungen des Herrn Kollegen Zander nötigen mich ſelbſtverſtändlich zu einer Ent⸗ gegnung. Es iſt durch nichts bewieſen, daß die Arbeiter dann, wenn ſie arbeitslos werden, ſich einfach krank melden, um die Kaſſen auszunutzen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Es iſt aber eine alte Erfahrung, daß in Zeiten wirt⸗ ſchaftlicher Depreſſion die Krankenkaſſen darunter zu leiden haben, daß ihre Krankenziffer, d. h. die Zahl der unterſtützten Kranken, ganz erheblich anſchwillt. (Stadtv. Holz: Sehr richtig!) Dahinter iſt aber durchaus keine Böswilligkeit der Arbeiter zu ſuchen, ſondern das liegt in der Natur der Verhältniſſe. Die Arbeiter, die Jahr ein Jahr aus arbeiten müſſen, ſind eben häufig darauf angewieſen, vielfach infolge ihres geringen Ver⸗ dienſtes, den letzten Reſt ihrer Körperkraft einzu⸗ ſetzen, und ſie melden ſich nur unter ſehr großem Sträuben krank. Iſt er aber arbeitslos, dann geht es manchem Arbeiter wie einem Droſchkenpferd, das, wenn es zum Stehen kommt, umfällt. Es iſt ganz erklärlich, daß zur Zeit der Ruhe, wenn die Maſchine mal einige Zeit pauſieren muß, Krank⸗ heitserſcheinungen ſich zeigen und der Arbeiter mehr zur Krankheit neigt als ſonſt. (Zuruf bei den Liberalen.) — Das verhält ſich aber ſelbſtverſtändlich ſo! Ein Arbeiter kann häufig nicht krank ſein, (ſehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) weil er ſeiner Familie das Brot nicht entziehen kann, und iſt er dann arbeitslos, dann erſt bietet ſich für ihn die Gelegenheit, ſich ausruhen und erholen zu können. Daraus reſultiert auch das ſtarke An⸗ ſchwellen der Krankheitsziffer, etwas weiteres iſt es nicht. Ich bitte Sie auch, unſeren Antrag nicht abzu⸗ lehnen aus den Gründen, die Herr Kollege Stadt⸗ hagen angeführt hat. Ich nehme ohne weiteres an, daß Herr Kollege Stadthagen vielleicht nicht die Erfahrung mit den zwei Briefſchreibern ge⸗ macht hat, die er ſich gewünſcht hat. Aber wenn Herr Kollege Stadthagen in der Erwartung weiterer Briefe getäuſcht wurde und nun am dritten Tage die Briefe ausgeblieben ſind, ſo führe ich das darauf zurück: die Eigenſchaften des Herrn Kollegen Stadthagen ſind ſo allgemein bekannt, daß ſich nur zwei an ihn gewandt haben, die ihn nicht genauer kannten. (Heiterkeit.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Meine Herren, der Antrag, der Ihnen gedruckt vorliegt, iſt von den Herren Antragſtellern abgeändert worden und lautet nunmehr: Die Verſammlung erſucht den Magiſtrat, über die auf dem Gebiete der ſtädtiſchen Arbeits⸗ loſenfürſorge eventuell zu treffenden Maß⸗ nahmen mit ihr in gemiſchter Deputation zu beraten. Der Inhalt iſt genau derſelbe, nur die Form iſt geändert. (Die Verſammlung ſtimmt dem Antrage zu.) Wir kommen zum folgenden Punkte der Tages⸗ ordnung: 1 Beſchlußfaſſung über die Dauer der Som merferien. Meine Herren, es wird vorgeſchlagen, die Ferien wie immer abzuhalten im Juli und Auguſt. Es iſt wohl kein Widerſpruch; — es iſt ſo beſchloſſen. Wir kommen zum letzten Punkt der Tages⸗ ordnung: Beſchlußfaſſung in der Verwaltungsſtreitſache Fiebig wider die Stadtverordnetenverſammlung. — Druckſache 273. Meine Herren, zur geſchäftlichen Behandlung der Sache möchte ich Ihnen folgende Mitteilungen machen. Am 1. Juni iſt ein Schreiben des Rechts⸗ anwalts, den wir in dieſer Sache angenommen hatten, eingegangen. Es lautet: In der Verwaltungsſtreitſache mit Fiebig überreiche ich in Verfolg meines Schreibens vom 22. Mai er. in der Anlage ergebenſt das mir heute zugegangene Urteil des Bezirks⸗ ausſchuſſes zur gefälligen Kenntnis. Dieſes Urteil iſt abgedruckt und in Ihren Händen. In Wiederholung der Darlegungen meines gedachten Schreibens würde ich zur Einlegung der Berufung gegen dieſe Entſcheidung nur raten können, wenn der Beſchluß des Wahl⸗ vorſtandes lediglich dahin gegangen iſt, daß perſönlich nicht bekannte Wähler ſich durch Vorlegung einer ſchriftlichen Legitimation ausweiſen müßten. Sollte dagegen eine ſolche Legitimation von ſämtlichen auch ihrer Perſönlichkeit nach feſtſtehenden Wahlberech⸗ tigten gefordert ſein, ſo wird der Beſchluß des Wahlvorſtandes in der Tat wohl als zu weit⸗ gehend anzuſehen ſein. Hierüber bitte ich um baldgefällige Mitteilung und zugleich um Be⸗ ſtimmung, ob Berufung eingelegt werden ſoll. Die Friſt hierzu beträgt nur zwei Wochen ſo daß tunliche Beſchleunigung geboten iſt. Für den Fall der Berufungseinlegung erbitte ich auch das Urteil zurück. Die Friſt iſt nun abgelaufen am vorigen Montag, und die Sache wäre, wenn ich nicht Be⸗ rufung hätte einlegen laſſen, nicht mehr zu Ihrer Entſcheidung gelangt. Ich habe es aber ſelbſtver⸗ ſtändlich vorgezogen, daß die Verſammlung dar⸗ über entſcheidet und nicht ich, und darum habe ich Berufung eingelegt. Wir haben nun zu prüfen, ob die Berufung aufrecht erhalten oder zurück⸗ gezogen werden ſoll. Das letzte Schreiben des Rechtsanwalts vom 10. Juni lautet: In der Verwaltungsſtreitſache mit Fiebig habe ich auftragsgemäß gegen das Urteil des hiefigen Bezirksausſchuſſes Berufung ein⸗ gelegt. Im Verwaltungsſtreitverfahren muß nach geſetzlicher Beſtummung, im Gegenſatz zum gerichtlichen Verfahren, mit Einlegung des Rechtsmittels ſeine Rechtfertigung ver⸗ bunden werden. Da hierzu die erbetene Information mangelt, habe ich mir dadurch zu helfen geſucht, daß ich eine beſondere Nach⸗ friſt zur Begründung der Berufung erbeten habe. Nur eventuell habe ich mich für alle Fälle auf das Vorbringen erſter Inſtanz be⸗ zogen. Sofern die Berufung aufrechterhalten werden ſoll, erbitte ich nach der Sitzung am