—— 346 — 17. d. M. baldgefälligſt Mitteilung und dabei Frage, ob wir die Berufung, die der Herr Vorſteher zugleich die in meinem Schreiben vom 22. Mai nachgeſuchte Information. Ich bitte nun die Verſammlung, darüber Be⸗ ſchluß faſſen zu wollen, ob die Berufung beſtehen bleiben oder ob ſie zurückgezogen werden ſoll. Stadtv. Meyer: Meine Herren, da das Urteil des Bezirksausſchuſſes in Ihrer aller Händen iſt, kann ich mich in der hiſtoriſchen Entwicklung der Sache ſehr kurz faſſen. Bei den letzten Stadtverordnetenwahlen ſind im 5. Bezirk der 3. Abteilung die Herren Kollegen Scharnberg und Flemming gewählt worden. Gegen dieſe Wahlen iſt Proteſt eingelegt worden. Die Stadtverordnetenverſammlung hat beſchloſſen, den Proteſt zu verwerfen, und die Wahlen für gültig erklärt. Hiergegen iſt die Klage beim Bezirks⸗ ausſchuß auf Ungültigkeitserklärung der beiden Wahlen erhoben und im weſentlichen auf folgende drei Punkte geſtützt worden: 1. es hätten drei infolge Armenunterſtützung wahlunfähige Bürger ihre Stimmen ab⸗ gegeben; 2. es ſei verſäumt worden, das Protokoll über das Geſamtergebnis der Wahl zu verleſen; 3. in einem Unterbezirk habe der Wahlvorſtand, Stadtverordneter Jolenberg, mindeſtens 10 Wähler von der Wahl deswegen zurück⸗ gewieſen, weil ſie ſich nicht ſchriftlich legiti⸗ mieren konnten, obwohl ſie dem Wahlvor⸗ ſtand ſelbſt oder anweſenden Mitgliedern des Wahlvorſtandes bekannt geweſen und letztere bereit geweſen ſeien, die betreffenden Wähler zu legitimieren. Der Bezirksausſchuß hat der Klage ſtatt⸗ gegeben und die Wahlen für ungültig erklärt, und zwar mit der Begründung, daß zwar die erſten beiden Beſchwerdepunkte nicht durchgreifend ſeien, wohl aber der dritte. Hinſichtlich des erſten Punkts iſt geſagt worden, daß eine Verleſung des Protokolls geſetzlich nicht vorgeſchrieben iſt, hinſichtlich des zweiten, daß die Wähler⸗ liſte nach der ſtändigen Rechtſprechung formell und materiell die unabänderliche, alleinige Grundlage für die aktive Wahlfähigkeit bilde und durch die Eintragnug der drei die Armenunter⸗ ſtützung beziehenden Wähler alſo ihr Wahlrecht durchaus gewährleiſtet ſei. Ich darf vorweg bemerken, daß dieſen Ausführungen nur beizu⸗ ſtimmen iſt, und wir uns daher auf eine Unter⸗ ſuchung des dritten Punktes werden beſchränken können. Hinſichtlich des dritten Punktes iſt der Bezirks⸗ ausſchuß davon ausgegangen, daß dieſe Zuwider⸗ handlung eine „erhebliche“ Zuwiderhand⸗ lung ſei. Es kommt nicht bloß darauf an, daß hin⸗ ſichtlich 4 Wähler zugeſtandenermaßen die Zurück⸗ weiſung erfolgt ſei, ſondern — ſo heißt es in dem Urteil — ſelbſt wenn, wie die Beklaagte behauptet nur 4 Wähler wegen Mangels einerſchriftlichen Legitimation zurückgewieſen worden ſind, ſo muß doch angenommen werden, daß auch andere Wahlberechtigte, die ſich nicht im Beſitz einer ſolchen Legitimation befanden, nach Kenntnis von dem Beſchluß des Wahl⸗ vorſtandes von ihrem Wahlrecht keinen Ge⸗ brauch gemacht haben. Meine Herren, wie der Herr Vorſteher bereits auseinandergeſetzt hat, ſtehen wir heute vor der zur Wahrung der Friſt eingelegt hat, aufrecht⸗ erhalten oder zurückziehen ſollen. Ich empfehle namens meiner Fraktion das letztere. Ich möchte zunächſt hinſichtlich des Briefes des Rechtsanwalts, den der Herr Vorſitzende ver⸗ leſen hat, nach eingeholter Information von Herrn Kollegen Jolenberg erklären, daß die Voraus⸗ ſetzung, unter der allein der Rechtsanwalt der Stadt rät, Berufung einzulegen, nicht zutrifft, daß vielmehr der Wahlvorſtand ohne Einſchränkung beſchloſſen hat, von je de m Wähler, ganz all⸗ gemein, ſchriftliche Legitimation zu fordern. Abgeſehen davon kommen meine Freunde aber aus anderen prinzipiellen Gründen zu dem Ergebnis, die Berufung zurückzuziehen. Daß das, was der Bezirksausſchuß als möglich anſieht, in der Tat eingetroffen iſt, hat Herr Kollege Jolenberg in der Sitzung der Stadtverordnetenverſammlung, in welcher über dieſen Proteſt Beſchluß gefaßt iſt, anerkannt, indem er erklärt hat, es wären in der Tat 10 Wähler von ihm zurückgewieſen worden. (Widerſpruch und Zurufe; Stadtv. Jolenberg: Mehr als 31) Das beruht alſo auf einem Irrtum von mir; aber die Zahl iſt auch nicht weſentlich. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Iſt ja gerade die Hauptſache! Wenden Sie ſich an Ihren Freund Jolenberg! — Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen! Stadtv. Meyer (fortfahrend): Nein, meine Herren, es kommt darauf an, daß, ſelbſt wenn nicht ſo viele Zur ückweiſungen erfolgt ſind, eine größere Zahl von Wählern möglicherweiſe überhaupt dem Wahltiſch ferngeblieben iſt, nachdem bekannt geworden iſt, daß der Wahlvorſtand dieſe anerkanntermaßen nicht gerechtfertigte Praxis übt, alſo der Ausübung des Wahlrechts unzuläſſige Schwierigkeiten in den Weg legt. Deshalb iſt der Verſtoß des Wahlvorſtandes im Rechtsſinne er⸗ heblich. Und wenn der Bezirksausſchuß durch ſein Urteil den Grundſatz vertritt, daß eine ſolche Möglichkeit auch ohne den Nachweis der Ver⸗ wirklichung in ziffernmäßig feſtſtehenden kon⸗ kreten Fällen zur Ungültigkeit der Wahl führen ſoll, ſo ſtimmen meine Freunde dem durchaus zu. Denn dieſer Grundſatz enthält die Gewähr, daß eben unter keinen Umſtänden einzelnen Wählern ihr Wahl⸗ recht erſchwert werden darf, er ſchließt in ſich einen Schutz der Minderheit, der von jeder politi⸗ ſchen Geſimnung aus erwünſcht erſcheinen muß. Es iſt nicht Sache der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung, hiergegen ſich in Oppoſition zu ſtellen, ſondern wir müſſen uns freuen, daß der Bezirksausſchuß dieſen Standpunkt eingenommen hat. Es iſt für uns unerheblich, ob die Herren Kollegen, deren Mandate kaſſiert ſind, ſelbſt Be⸗ rufung gegen das Urteil einlegen. Es iſt unerheblich für uns, ob ſie das juriſtiſche Recht dazu haben, unerheblich, ob ſie davon Gebrauch machen wollen. Für uns, wie geſagt, iſt ausſchlaggebend, daß wir uns einem Urteil gegenüber ſehen, das juriſtiſch einwandfrei erſcheint und in ſeiner Tendenz nur Billigung verdient, und deshalb empfehlen wir, die Berufung zurückzunehmen.