— 347 — Stadtv. Hirſch: Ich möchte zunächſt eine] damals iſt, wenn ich nicht ſehr irre, von den Herren Bemerkung in formeller Beziehung vorausſchicken. Es iſt das erſtemal, daß wir uns in der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung mit der Frage beſchäftigen, ob wir gegen ein Urteil des Bezirksausſchuſſes, das im Gegenſatz zu einem Beſchluß der Stadt⸗ verordnetenverſammlung Wahlen von Kollegen für ungültig erklärt, Berufung einlegen ſollen oder nicht. Ich erkläre ausdrücklich, daß ich es für durch⸗ aus richtig und eigentlich für ſelbſtverſtändlich halte, daß dieſe Frage der Stadtverordnetenverſammlung zur Entſcheidung vorgelegt wird; aber ich möchte doch daran erinnern, daß wir in früheren Fällen nicht ſo verfahren ſind. In dem Falle, wo es ſich um die Beanſtandung von Mandaten von 4 Kollegen der liberalen Fraktion handelte, hatte der Bezirks⸗ ausſchuß die ſämtlichen Mandate für ungültig erklärt; wir wurden aber gar nicht gefragt, ob wir Berufung einlegen ſollten, ſondern der Herr Vor⸗ ſteher hat ohne weiteres Berufung eingelegt. Ich möchte bitten, daß in Zukunft in allen Fällen ſo verfahren wird wie im vorliegenden, damit nicht nach außen der Anſchein erweckt wird, als ob nach parteipolitiſchen Geſichtspunkten geurteilt wird. Was die Sache ſelbſt betrifft, ſo möchte ich im Gegenſatz zu Herrn Kollegen Meyer dringend bitten, daß wir die Angelegenheit weiter verfolgen. Herr Kollege Meyer ſprach von einem Schutz der Minderheit, er erklärte, daß aus dem Urteil ein gewiſſer Schutz der Minderheit hervorgeht. Gewiß, wir erkennen ohne weiteres an, daß die Minder⸗ heit in ihren Rechten geſchützt werden muß. Aber daneben haben doch auch diejenigen ein Recht auf einen Schutz, die zur Wahl ſtehen, und zwar ein Recht auf einen Schutz gegen Übergriffe und Fehler des Wahlvorſtandes. Wohin ſollte es denn führen, wenn heute durch irgendeinen Verſtoß des Wahl⸗ vorſtandes der Ausdruck des Willens der Wähler gerade in ſein Gegenteil verkehrt werden kann. Da brauchten Sie ja nur in den Bezirken, die für die Sozialdemokratie ausſichtsreich ſind, Herrn Kollegen Jolenberg zum Wahlvorſteher zu ernennen, (Heiterkeit) und Sie können mit tödlicher Sicherheit darauf rechnen, daß, auch wenn Sozialdemokraten gewählt ſind, nachher der Bezirksausſchuß kommt und ſagt: Jolenberg hat die Sache ſo ſchön gemacht, daß die Gegner gewählt ſind! (Widerſpruch bei den Liberalen.) Im Gegenſatz zu Herrn Kollegen Meyer muß ich erklären, daß wir uns über das Urteil des Bezirksausſchuſſes nicht beſonders freuen, (Heiterkeit bei den Liberalen) und wenn die Stadtverordnetenverſammlung nicht Berufung einlegt, ſo werden ſelbſtverſtändlich die beiden Beteiligten, die Kollegen Scharnberg und Flemming, die Angelegenheit weiter verfolgen. (Rufe bei den Liberalen: Natürlich!) Es iſt ziemlich gleichgültig, welchen Beſchluß Sie faſſen — das Ziel, das damit erſtrebt wird, nämlich die Kollegen aus der Verſammlung herauszu⸗ bringen, wird ja ſo ohne weiteres doch nicht erreicht werden. Es iſt ganz klar, daß wir dann die Sache bis ans Ende weiter verfolgen werden. Nun aber auch in ſachlicher Beziehung: was hat denn der Bezirksausſchuß geſagt? In dem Urteil des Bezirksausſchuſſes iſt nichts enthalten, was nicht bereits bei den Debatten über die Wahl⸗ prüfung im Dezember vorigen Jahres hier in der Verſammlung ausgeführt worden iſt. Schon Kollegen Holz und Dzialoszynski genau dasſelbe, was der Bezirksausſchuß ausführt, auch ausgeführt worden. Die Herren haben ſich auf den Standpunkt geſtellt, daß hier ein Verſtoß vorliegt, der ſo erheb⸗ lich iſt, daß — namentlich mit Rückſicht auf die ſchwache Mehrheit — die Wahlen ohne weiteres kaſſiert werden müſſen. Aber trotz der Worte des Herrn Kollegen Holz — Sie werden mir alle zugeben, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen Holz mindeſtens ſo überzeugend geweſen ſind wie die des Bezirksausſchuſſes — trotzdem hat die Stadtverordnetenverſammlung in ihrer Mehrheit ſich auf den Standpunkt geſtellt, daß die Wahlen für gültig zu erklären ſind. Wenn Sie nun heute, wo die Stadtverordnetenverſammlung ganz anders zuſammengeſetzt iſt, plötzlich den entgegengeſetzten Beſchluß faſſen, ſo heißt das nichts anderes, als daß Sie ſich zum Richter aufwerfen über die Stadt⸗ verordnetenverſammlung vom Dezember vorigen Jahres. Ich beſtreite, daß wir, wenn wir auch natürlich formell das Recht dazu haben, eigent⸗ lich ein moraliſches Recht dazu haben, einen Be⸗ ſchluß der Stadtverordnetenverſammlung in ihrer eigenen Angelegenheit zu korrigieren, ohne daß irgendwelche neuen Momente vorliegen. Ich bitte wirklich, zu überlegen, ob wir das Recht haben, uns über den Beſchluß der früheren Stadtverord⸗ netenverſammlung hinwegzuſetzen. Es wird darauf hingewieſen, daß mindeſtens 10 Wähler durch das Verhalten des Wahlvorſtandes um ihr Wahlrecht gekommen ſind. Ich glaube, es wird keinen Menſchen mehr geben, der wirklich glaubt, daß 10 Wähler in Charlottenburg ſind, die um ihr Wahlrecht durch den Beſchluß des Wahlvor⸗ ſtandes gekommen ſind. Die Kläger haben ja ſolche Wähler mit der Laterne geſucht; es iſt öffentlich ausgeſchrieen, daß ſich dieſe Wähler melden möchten. Mit Mühe und Not hat man 4 Mann zuſammen⸗ bekommen. Wenn wirklich noch 10 Wähler um ihr Wahlrecht gekommen wären, dann hätten meine Freunde auch für die Kaſſierung der Wahl geſtimmt. Aber gerade der Umſtand, daß es den Klägern nicht gelungen iſt, dieſe 10 Wähler aufzutreiben, hat uns bewogen, für die Aufrechterhaltung der Wahl zu ſtimmen, nur deshalb werden wir auch heute dafür ſtimmen, daß Berufung gegen das Urteil des Bezirksausſchuſſes eingelegt wird. Das Ober⸗ verwaltungsgericht ſagt einmal: Eine Unregel⸗ mäßigkeit hat nur dann die Ungültigkeit der Wahl zur Folge, wenn durch ſie nachweisbar das Ergebnis der Wahl beeinflußt worden iſt. Dieſer Nachweis iſt hier nicht erbracht. Sache der Kläger iſt es aber, nachzuweiſen, daß tatſächlich durch Unregelmäßig⸗ keiten des Wahlvorſtandes das Ergebnis der Wahl beeinflußt iſt. Die Kläger haben ſich Mühe gegeben, aber ſie haben den Nachweis nicht erbringen können. Wenn der Bezirksausſchuß ſagt, daß es ſich hier um einen ſo ſchweren Verſtoß handelt, daß ohne weiteres die Ungültigkeit der Wahl daraus folgen muß, ſo bleibt doch abzuwarten, ob das Oberverwaltungsgericht ſich auf denſelben Stand⸗ punkt ſtellt; es wird ja entſcheiden, ob tatſächlich ein ſo ſchwerer Verſtoß vorliegt oder nicht. Warum wollen Sie denn die Sache nicht weiter verfolgen und Berufung einlegen? Sie müſſen das eigentlich ſchon tun im Intereſſe Ihres Freundes Jolenberg, der dadurch die Ausſicht erlangt, vom Oberverwaltungsgericht rehabilitiert zu werden. Allerdings iſt es gleichgültig, wie Sie beſchließen: