—— 348 — die Herren Kollegen Scharnberg und Flemming haben Berufung eingelegt; ſelbſt wenn Sie heute die Wahlen für ungültig erklären ſollten, werden die Herren doch ſo lange in unſerer Mitte bleiben, bis der höchſte Gerichtshof geſprochen hat. Er wird hoffentlich ein anderes Urteil fällen als der Bezirksausſchuß. Stadtv. Holz: Ich möchte zunächſt dem Herrn Vorſteher meine Anerkennung nicht vor⸗ enthalten, daß er ſich als Hüter des Geſetzes und der Rechte der Stadtverordnetenverſammlung be⸗ währt und Berufung eingelegt hat. Wenn das nicht geſchehen wäre, würden wir um die inter⸗ eſſante Rede des Herrn Kollegen Hirſch gekommen ſein und würde die Friſt zur Wahrung unſerer Rechte längſt verſtrichen geweſen ſein. Was die Sache ſelbſt anbetrifft, ſo bin ich der Meinung, daß wir in unſerer Eigenſchaft als richterliche Behörde doch nicht dazu da ſind, rein theoretiſche Fragen zum Austrag zu bringen, ſondern jedesmal nach Lage der Sache uns zu ent⸗ ſcheiden haben: wie ſollen wir den Fall beurteilen, wie ſollen wir uns verhalten? Wenn damals gelegentlich der Berichterſtattung über die Wahlen in der Verſammlung die Sache anders gelegen hat als heute, ſo konnte die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung auch anders entſcheiden als heute. Der Klü⸗ gere oder Beſſerunterrichtete gibt nach und ändert ſeine Meinung. Das iſt keine neue Erſcheinung; dieſe Erſcheinung ereignet ſich alle Tage. Der⸗ ſelbe Gerichtshof kommt aus anderen Erwägungen heraus oft in derſelben Sache zu einer anderen Entſcheidung. Wie liegt die Sache? Nach meinem Dafür⸗ halten liegt ſie aber gar nicht anders und heute gerade ſo wie damals. Dies hat Herr Kollege Meyer bereits aus dem Tatbeſtande des vor⸗ liegenden Urteils richtig dargeſtellt. Loyaler wie Herr Kollege Jolenberg konnte auch keiner die Sache zur Löſung bringen. Von Herrn Kollegen Jolen⸗ berg iſt gelegentlich der Prüfung der Wahlen hier erklärt worden: Ich komme jetzt zu dem Schluß, Ihnen die Beanſtandung der Wahl zu empfehlen; denn ich habe nicht nur die genannten drei Wähler zurückgewieſen, ſondern — die An⸗ zahl kann ich nicht angeben — noch mehrere Wähler. Meine Herren, der Bezirksausſchuß konnte bei dieſer Sachlage, nach innerlicher richterlicher Überzeugung, zu keinem anderen Ergebnis kommen als zu dem vorliegenden Urteil. Es war mir ſchon nach dieſem Zugeſtändnis des Herrn Kollegen Jolenberg, von dem ich wiederholen will, daß es loyal in richtigem Augenblick abgegeben worden iſt, unverſtändlich, weshalb ſich trotzdem die Stadtverordnetenverſammlung auf den ent⸗ gegengeſetzten Standpunkt geſtellt hat. Wie lag denn die Sache damals? Ich hatte mich damals temperamentvoll ſogar des Aus⸗ drucks bedient, daß Kollege Jolenberg paſchamäßig verfahren wäre. (Heiterkeit.) In der Tat hat er und der Wahlvorſtand hinter ihm etwas gewalttätig gehandelt. Nach den herrſchenden Grundſätzen ſoll der Wahlvorſtand überhaupt nur Gelegenheit nehmen, ſich über die Perſönlichkeit zu informieren; die Mittel und Wege, die er dazu einſchlägt, ſind gleichgültig. Der Be⸗ zirksausſchuß ſagt: es wäre doch ſonderbar, wenn Mitglieder des Wahlvorſtandes, die einen Wähler ganz genau kennen, von ihm noch ein Stück Papier verlangen, das weniger beſagt als die perſönliche Bekanntſchaft mit dem Wahlvorſteher und den Beiſitzern. 0 Mit Rückſicht auf dieſen groben Verſtoß und mit Rückſicht darauf, daß Herr Kollege Hirſch und die anderen Redner heute wie damals anerkannt haben und anerkennen, daß in der Tat dieſer Ver⸗ ſtoß ein grober Verſtoß iſt — ein Verſtoß iſt, der die Aufhebung der Wahl hervorrufen würde, wenn die Wahl dadurch beeinflußt iſt, ſagte Herr Kollege Hirſch damals; heute haben wir ſchon den Be⸗ weis erbracht, daß die Wahl hierdurch beeinflußt iſt (Stadtv. Hirſch: Wo denn?!) — durch die Erklärung des Herrn Kollegen Jolen⸗ berg, die er eidlich erhärten könnte —, bin ich der Meinung, daß die Berufung wirklich keinen Zweck hat. Wir würden nur der Stadt noch einmal Koſten verurſachen, das gute Geld dem ſchlechten nachwerfen, bloß um eine Frage noch einmal be⸗ antwortet zu erhalten, die wir ſchon gründlich beant⸗ wortet erhalten haben. Sollten die Herren Kollegen Scharnberg und Flemming ein Intereſſe daran haben, über eine nach meinem Dafürhalten durch⸗ aus nicht intereſſante Rechtsfrage Auskunft zu er⸗ langen, ſo bleibt ihnen das unbenommen. Sie haben das Recht, Berufung einzulegen, — ſollen ſie es tun! Dann wird Herr Kollege Hirſch das⸗ jenige erhalten, was er gewünſcht hat: eine Be⸗ lehrung durch das Oberverwaltungsgericht. Die Stadtverordnetenverſammlung ſelbſt hat gar kein Intereſſe daran; ſie weiß, wie man ſich bei zu⸗ künftigen Wahlen verhalten ſoll. Der Wahlvor⸗ ſteher ſelbſt wird wiſſen, daß er ſich die Legitimation verſchaffen kann, wie er will. Ich würde Sie bitten, mit Rückſicht auf die Sachlage von der Berufung abzuſehen bzw. unſeren Rechtsbeiſtand zu erſuchen, die Berufung zurück⸗ zuziehen. Stadtv. Meyer: Ich möchte nur auf einiges erwidern, was Herr Kollege Hirſch angeführt hat. Wenn er geſagt hat, daß es ein Recht der Ge⸗ wählten gibt auf Schutz gegen Unregelmäßigteiten bei der Wahl, ſo muß ich die Exiſtenz dieſes Rechts beſtreiten. Wird heute ein konſervativer Kandidat in den Reichstag gewählt, und ein Königlicher Landrat hat unter Beifügung ſeines Amtscharakters die Empfehlung dieſes Kandidaten unterſchrieben, ſo wird die Wahl kaſſiert, ſelbſt wenn die Empfehlung in Wirklichkeit gar keinen Einfluß geübt hat. Ich nehme an, Herr Kollege Hirſch, da Ihre Fraktion im Reichstage dieſen Standpunkt vertritt, daß, wenn ein Landrat einmal die Wahl eines So zi al⸗ demokraten empfehlen würde, Sie auch für die Kaſſierung dieſer Wahl ſtimmen würden. (Stadtv. Zietſch: Aber erſt recht! — Heiterkeit.) Es können alſo notoriſch von Seiten, die außer⸗ halb ſtehen, und natürlich erſt recht durch Ver⸗ ſehen des Wahlvorſtandes, Ungültigkeitsgründe her⸗ vorgebracht werden, die den daran ganz unſchuldi⸗ gen Gewählten um ſein Mandat bringen. Weiter hat Herr Kollege Hirſch ausgeführt, die Beſchwerdeführer hätten die Leute mit der La⸗ terne geſucht, die vom Wahlvorſtande zurückge⸗ wieſen ſeien, und doch nur vier gefunden. Das beweiſt gar nichts. Wir können nicht nachprüfen, aus welchen Gründen dieſer oder jener ſich nicht gemeldet hat. Es können ſich Leute nicht ge⸗