tal, Gnadental und Lobetal zuſammen 410 Einzel⸗ ſtübchen vorhanden; jedoch iſt der Andrang von Arbeitsloſen ſo groß, daß die Kolonien nicht imſtande ſind, ſie unterzubringen, da es ihnen an Wohnungen fehlt. Der Vorſtand hatte beſchloſſen, dieſer Wohnungsnot ein Ende zu machen, indem er no zwei Wohnungen für Hauseltern und 30 Einzel⸗ ſtübchen einrichten will. Außerdem will er, damit die Sache ſich rentiert, Anpflanzungen von Obſt⸗ bäumen und Gemüſe vornehmen und ebenſo eine Waſſerleitung und eine Obſtbereitungsanſtalt er⸗ richten. Dazu braucht er ca. 100 000 ℳ.. Der Vorſtand bemerkt ausdrücklich, daß dieſe Ausgabe für den Ausbau der Kolonien nicht etwa eine „Schraube ohne Ende“ iſt, ſondern daß, wenn dieſe Anlagen jetzt eingerichtet ſind, er in fünf, ſechs oder ſieben Jahren ſo weit iſt, daß die Koſten der Kolonien durch den Verkauf von Obſt und Gemüſe vollſtändig gedeckt ſein würden; er ſpricht ſogar noch von einem Überſchuß. Meine Herren, wir wollen wünſchen, daß dies eintritt; wenn es aber auch nicht eintreten ſollte, ſo iſt die Sache doch ſo gut, daß man ſie unter⸗ ſtützen ſollte. Meine Herren, viele von uns, vom Magiſtrat und von der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung, waren ja im April da und haben ja die ganze Einrichtung und Anlage angeſehen, und ſoweit ich gehört habe, waren ſie im allgemeinen mit der Sache zufrieden. Paſtor von Bodelſchwingh bittet zwar um 15 000 ℳ“; der Magiſtrat iſt jedoch der Meinung, daß er, wie im vorigen Jahre, wieder 10 000 ℳ für den Zweck opfern möchte, und ich bitte Sie, der Magiſtratsvorlage zuzuſtimmen. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, der Gedanke des Paſtors von Bodelſchwingh iſt ſicherlich, auch nach Anſicht meiner Freunde, ein trefflicher: der Gedanke, den Arbeitsloſen nur dann Unterkunft und Nahrung zu geben, wenn ſie auch Arbeiten übernehmen. Diejenigen, die ſich die Aſyle in Bernau angeſehen haben oder die Ein⸗ richtungen des Paſtors von Bodelſchwingh und nachher das Aſyl der Obdachloſen in Berlin, werden den Unterſchied recht wohl bemerkt haben, nicht bloß in der ganzen Organiſation, im Außern der Anlagen, ſondern auch in der Wirkung auf die Menſchen. Ich kann für meine Perſon ſagen, daß ich den Eindruck habe, daß das Werk des Paſtors von Bodelſchwingh auf dem richtigen Wege iſt, und daß man es unterſtützen muß. Auch meine Freunde ſind der Anſicht, daß das Unter⸗ nehmen weiter unterſtützt werden muß. Fraglich iſt es aber natürlich, in wie weit Charlottenburg als eines der Teile Groß⸗Berlins Veranlaſſung hat, an dieſem Werke mitzuarbeiten. Wir haben vor einem Jahre ungefähr einen Betrag von 10 000 ℳ einmalig bewilligt; jetzt nach einem Jahre kommt ein neuer Antrag des Paſtors von Bodelſchwingh auf eine Bewilligung von 15 000 ℳ. Berlin zahlt jährlich ungefähr 38 000 ℳ. Daß das Größenverhältnis der beiden Städte dieſen Zahlen nicht entſprechen würde, iſt ja klar. Nun kann man aber fragen: hat Charlotten⸗ burg ein größeres Intereſſe an den Einrichtungen in Bernau als Berlin? Dieſe Frage, glaube ich, muß man gerade verneinen. Man kann ſagen: auch Charlottenburg hat ein Intereſſe, auf dieſem Wege vielleicht von der Vagabondage zum Teil befreit zu werden, und wird auch wohl durch 371 5 die Einrichtung von Bernau zum Teil von dieſem Unweſen befreit; aber bei der ganzen örtlichen Lage iſt wohl Berlin der mehr beteiligte Ort. Ich bin feſt davon überzeugt, daß der Weg, den der mit klarem Realismus gepaarte Idealismus des Paſtors von Bodelſchwingh gewieſen hat, ch weiter beſchritten werden muß; ich bin auch über⸗ zeugt, daß, wenn Charlottenburg ein Aſyl ein⸗ richten wird, es gut tun wird, die Erfahrungen, die in Bernau geſammelt ſind, ſich zunutze zu machen und ähnliche Einrichtungen zu treffen, ſofern es nicht durch die Errichtung eines Aſyls geradezu eine Plage hier in Charlottenburg ſchaffen will. Aber, meine Herren, wir müſſen anderſeits ſagen, daß die ganzen Einrichtungen eigentlich einen mehr provinziellen Charakter tragen; es iſt ja auch früher von anderer Seite darauf hinge⸗ wieſen worden, daß man eventuell die Sache auf den Provinzialfonds übernehmen würde, daß dann eventuell auf uns — es iſt in den früheren Debatten auch von mir darauf hingewieſen worden — auch ein ziemlich hoher Betrag entfallen würde. Man darf anderſeits bei der Neuheit des Unternehmens nicht mathematiſch genau aus⸗ rechnen: wieviel entfällt auf uns? Aber da der Wunſch, auch weiterhin mitzuwirken, zweifellos an uns herantreten wird, ſo glauben meine Freunde, daß der Magiſtratsantrag zweckmäßig anzunehmen wäre mit der Modifikation, den Betrag auf 5000 ℳ feſtzuſetzen. Meine Herren, die Befürchtung, die man vor einem Jahre hegen konnte, und die ich ſelber auch ausgeſprochen habe, daß man mit einem zu kleinen Beitrage etwa den Fortbeſtand des Unternehmens gefährden konnte, braucht man jetzt nach der Anſicht meiner Freunde nicht mehr zu hegen. Das Unternehmen iſt, wie wir, die wir da waren, geſehen haben, ſo gut fundiert, daß es nicht davon abhängt, ob Charlottenburg 15 000, 10 000 oder 5000 ℳ gibt; davon iſt keine Rede. Es handelt ſich jetzt für uns darum, zu überlegen: welcher Betrag entſpricht wohl unſeren Verhält⸗ niſſen? und dabei im Auge zu behalten: wieweit haben wir andere Verpflichtungen, und wieweit können wir andern Verpflichtungen auf dem Ge⸗ biete des Armenweſens und der Unterſtützungen überhaupt ſonſt nachkommen oder nicht nach⸗ kommen? Gerade die ſchwierige Lage, in der wir uns auf dieſem Gebiete ſowohl in unſerer ſtädtiſchen Verwaltung als auch gegenüber manchen Privatunternehmungen befinden, veranlaßt uns dazu, den Antrag zu ſtellen, den Beitrag auf 5000 ℳ feſtzuſetzen, in voller Würdigung und Anerkennung des Werkes des Paſtors von Bodelſchwingh. Stadtv. Zietſch: Meine Herren, als wir im April dieſes Jahres den Paſtor von Bodelſchwingh in den Kolonien Hoffnungstal, Lobetal uſw. be⸗ ſucht haben, hatte ich ſchon damals — und auch meine Freunde — geahnt, daß uns die dort ſervierte Taſſe Kaffee etwas teuer zu ſtehen kommen würde. (Heiterkeit.) Heute wird uns die Rechnung präſentiert: es ſind 10 000 ℳ. Wir wollen auch mit der teilweiſen Anerkennung, die wir dem Unternehmen des Paſtors von Bodelſchwingh zollen müſſen, nicht zurück⸗ halten. Es iſt anzuerkennen, daß gegenüber dem faſt grenzenloſen Elend und der Not, die namentlich in dieſem Jahre infolge der ſchlechten Konjunktur wieder die Heere der Arbeitsloſen ergriffen hat, ein einzelner Mann inmitten unſerer Geſellſchafts⸗ ordnung es fertig gebracht hat, dieſe ſchwerſten