Kataſtrophen nach Möglichkeit entgegenwirken zu können? Dr Borchardt mit genügender Unterſtützung. Eine dritte Anfrage iſt von Herrn Kollegen Hirſch mit genügender Unterſtützung eingegangen: Iſt der Magiſtrat bereit, Auskunft darüber zu erteilen, wann die bereits in der Vorlage Nr. 297 vom Jahre 1907 angekündigte Vor⸗ lage betr. Anderung der Grundſätze für Ge⸗ währung von Ruhe⸗, Witwen⸗ und Waiſen⸗ geld für alle im Dienſte der Stadt Char⸗ lottenburg ſtehenden Perſonen ohne Beamten eigenſchaft emſchl. der Arbeiter zu erwarten iſt? Ich werde die drei Anfragen dem Magiſtrat herübergeben und, nachdem der Magiſtrat ſich zur Beantwortung bereit erklärt hat, ſie auſ die Tages⸗ ordnung ſetzen. Wir kommen nunmehr zu Punkt 22 der Tages⸗ ordnung: der Nationalſpende Vorlage betr. Beitrag zu — Druckſache 324. für den Grafen Zeppelin. Stadtv. Zietſch: Meine Herren, wir ſind mit einem Teil der Begründung der Magiſtratsvorlage vollkommen einverſtanden, nämlich mit dem Teil, der ſich auf die Anerkennung der Erfindung des Grafen Zeppelm an und für ſich bezieht. Auch wir und meine Parteifreunde im ganzen Reiche ſind vollkommen davon überzeugt, daß dieſem wiſſen⸗ ſchaftlichen Erfolg des Grafen Zeppelin alle An⸗ erkennung zu zollen iſt. Aber wir ſind auch ferner dafür, daß dem Grafen Zeppelin zwar nicht aus dieſen Gründen, wie es jetzt allgemeim von der Offentlichkeit geſchieht, ein Bedauern über das Unglück ausgeſprochen wird, das er durch die Zer⸗ ſtörung ſeines Luftſchiffes gehabt hat, ſondern wir ſtehen auf dem Standpunkt, daß man dieſes Be⸗ dauern ausſprechen muß ſchon aus rein perſönlichen Gründen gegenüber dem Erfinder Zeppelin. Es dürfte wohl keinen Menſchen geben, der nicht das Mitgefühl mit einem andern Menſchen beſitzen würde, wenn dieſer Menſch ſein ganzes Lebenswerk an die Erfüllung einer einzigen Aufgabe geſetzt hat und ſich nun unmittelbar vor das Ziel der Löſung dieſer Aufgabe geſtellt zu ſehen glaubt, und es bricht durch irgendwelche elementaren oder andern Ereigniſſe dieſes ganze Reſultat der bis⸗ herigen Forſchung, der bisherigen Arbeit, der bis⸗ herigen Mühe zuſammen. Das geht einem ohne weiteres nahe, und es ging uns allen nahe, als wir ſeinerzeit die Nachricht von der Zerſtörung des Zeppelmſchen Luftſchiffes gehört haben, und zweifellos, wenn nicht dieſe ganzen kundgebungen gegenüber dem Grafen Zeppelm in ein anderes Fahrwaſſer hmeingeraten wären, würden auch wir Sozialdemokraten dem Grafen Zeppelin dieſelben ausgeſprochen haben. Es iſt zweifellos anzuerkennen, daß die ganze techniſche und wiſſenſchaftliche Welt auf jene Arbeit des Grafen Zeppelin geblickt hat, und daß wir in Deutſchland — ich ſpreche hier nicht von dem offiziellen Deutſchland, ſondern von dem deutſchen Voite als ſolchem — daß wir ſtolz geweſen ſind auf die epochemachende Erfindung des Grafen Zeppelin, und gerade meine Parteifreunde ſind ſeit je und bei jeden Gelegenheiten für jede Förderung von wahren Kulturaufgaben eingetreten. Wir würden Sympathie⸗ ih 376 — auch ohne weiteres, wenn es dem Grafen Zeppelin an den notwendigen Mitteln gefehlt haben würde oder noch fehlen würde, ſeine Erfindung zu ver⸗ vollkommnen, jederzeit bereit ſein, dem Erfinder 44. 4 das erforderliche Geld mit beſchaffen zu elfen. Aber die Sache iſt tatſächlich anders geworden. Es handelt ſich bei der Aufgabe, die Graf Zeppelin ſich geſtellt hat, nicht bloß um das Intereſſe der allgemeinen Wiſſenſchaft, um das Intereſſe des friedlichen Fortſchritts der Menſchheit und der Technik, ſondern dieſe Erfindung des Grafen Zeppelin iſt ja ganz und gar wiederum von dem Militarismus in Deutſchland in Beſchlag genommen worden, und der Graf Zeppelm hat ja rückhaltlos ſich und ſeme ganze Erfindung dem Reiche hin⸗ gegeben. Sie wiſſen ja, daß der zerſtörte Ballon dem Reiche verkauft war, Sie wiſſen auch, daß, als der Ballon dem elementaren Ereignis zum Opfer gefallen war, dieſes Reich dem Grafen Zeppelin eine halbe Million zur Verfügung geſtellt hat, damit er dieſen zerſtörten Ballon durch einen neuen zu erſetzen vermöge. und gerade, weil es ſich hier nicht um eme Aufgabe des Friedens und der Entwickung des Volles handelt, ſondern weil es ſich um eine rein militäriſche Aufgabe handelt, iſt dieſes Intereſſe für den Grafen Zeppelin im Volke ſo geſtiegen. (Widerſpruch und Zuruf.) Ja, man hat ſich um den Grafen Zeppelin nicht gekümmert, ehe das Reich nicht den Finger auf ſeine Erfindung gelegt hatte. Vor Jahren, wo Zeppelin noch nicht der Mann war, der er heute geworden iſt, wo er quaſi hat herumgehen müſſen im ganzen Volke, wo er gebettelt hat, um die Mittel aufzubringen, da hat ſich teiner gerührt, da ſind die Mittel ſo knapp gefloſſen, daß er mehrmals vor dem finanziellen Bankerott und Ruin geſtanden hat. Nun auf einmal regt ſich das ganze Volk, tritt dafür ein, ſammelt für Zeppelin, es werden Zeppelinmarken ausgegeben, es werden Vereine gegründet, es werden Sammlungen veranſtaltet. Will man uns wirklich weismachen, daß dieſes ganze Intereſſe nur der wiſſenſchaftlichen Erfindung, dem techniſchen und wiſſenſchaftlichen Reſultat des Grafen Zeppelin gilt? Nein, durchaus nicht! Sondern es handelt ſich um weiter nichts, als wieder um einen neuen Ausfluß, den Hurrapatriotismus in Deutſchland fördern zu⸗ können. (Lebhafter Widerſpruch und Unruhe.) Dieſe ganze Sammlung, die jetzt in Deutſchland angeſtellt wird, dieſe Nationalſpende, die ihm ge⸗ geben wird, hat ja Zeppelin ſelbſt gar nicht haben wollen, ſondern, wie das Unglück eingetreten iſt, iſt er der erſte geweſen, der erklärt hat, es genüge ihm vollkommen, die Mittel vom Reiche zur Ver⸗ fügung geſtellt zu ſehen, die erforderlich ſind, um ſeine Erfindung weiter ausbauen zu können. Daß das ganze Volt für ihn eingetreten iſt, iſt ja nur deshalb geſchehen, weil man aus dieſer Frage eine hurrapatriotiſche Sache gemacht hat, weil man glaubt, daß durch dieſe Erfindung Deutſchland einen Vorſprung gewinnen könnte vor Frankreich und vor England, wo ſich auch die Techniker damit beſchäftigt haben. (Andauernde Unruhe.) Jetzt, ſage ich, wo Zeppelin der große Mann geworden iſt, da iſt es billig, zu geben, da iſt es billig, ihm jede Anerkennung zu zollen. Es handelt ſich dabei nur um das Mitmachen einer