g17 — hurrapatriotiſchen Mache, die gegenwärtig gangbar hier in Charlottenburg irgendeine Linderung ver⸗ geworden iſt. Man unterſtützt andere Erfindungen ja nicht ſo viel, andere ingeniöſe Meiſter müſſen verkümmern, kommen nicht fort, weil das Reich und der Staat nicht die Mittel dazu haben, und jetzt will man dem Grafen Zeppelin noch weiter Geld hinſchicken, wo vier Millionen Mark dem Grafen Zeppelin aus der ſogenannten Nationalſpende zugegangen ſind und Graf Zeppelin ſelber erklärt hat, daß das vom Reich ihm zur Verfügung geſtellte Geld genüge, um ſein Luftſchiff weiter auszubauen! Es heißt nun hier in dem magiſtratlichen Be⸗ gründungsſchreiben: Der Graf Zeppelin hat in einer öffentlichen Erklärung die Spende ausdrücklich für den Bau neuer Luftſchiffe beſtimmt und um Ein⸗ zahlung derſelben an die „Allgemeine Renten⸗ anſtalt in Stuttgart“ gebeten. Dieſer Satz der Begründung läßt faſt darauf ſchließen, als hätte Zeppelin an und für ſich die Nationalſpende erbeten oder ſelbſt ſie veranlaßt. Ich glaube, demgegenüber nur richtigſtellen zu dürfen, was ich vorhin ſchon ſagte, daß Zeppelin von Anfang an jede von privater Seite kommenden Gelder zurückgewieſen hat und ſich bereit erklärt hat, mit den vom Reiche kommenden Mitteln aus⸗ kommen zu können. Es iſt nicht gut anzunehmen, das hier herausleſen zu dürfen — ich nehme es auch nicht an und wünſche nur eine Erklärung darüber vom Magiſtrat —, daß Zeppelin hier darum gebeten hat. Wenn es ſich aber um eine Ehrenpflicht handelt, dann glauben meine Freunde und ich, uns auf den Standpunkt ſtellen zu müſſen, daß es für die Stadt ganz andere Aufgaben gibt, als jetzt 6000 ℳ in einen Fonds zu geben, der ſchon lange zum Überlaufen voll iſt. Wir erinnern daran, daß dieſe 6000 ℳ im Innern der Stadt ganz anders angewendet werden können — auch im Sinne des Grafen Zeppelin, der durchaus nicht der iſt, zu dem man ihn jetzt allgemein in der hurrapatriotiſchen Stimmung machen möchte. Es liegt vielmehr im Sinne des Grafen Zeppelin, daß jetzt, wo er Gelder genug in der Kaſſe hat, wo ihm die Fortführung ſeiner techniſchen Beſtrebungen geſichert iſt, das Geld zu andern Zwecken verwendet werden ſollte. Und wenn eine Stadt, namentlich wenn Charlottenburg in Verlegenheit ſein ſollte, was es mit dem Gelde machen ſollte, wir könnten dem Magiſtrat und der Stadtverordnetenverſammlung Vorſchläge in Hülle und Fülle machen, daß dieſe 6000 ℳ anders an⸗ gewendet werden könnten, daß Sie durch dieſe 6000 ℳ andere Ehrenpflichten der Stadt zu er⸗ füllen vermögen. Ich erinnere daran, daß in den letzten Tagen der Bericht der Armenverwaltung herausgekommen iſt, und leſe auf den erſten Seiten, daß die Unterſtützungen der Armen in Charlotten⸗ burg in ganz ungeheurem Maße gegenüber dem Vorjahre angeſchwollen ſind, und daß die Armen⸗ verwaltung nach Möglichkeit auf Sparſamkeit bei der Bewilligung ſolcher Armenunterſtützungen hin⸗ weiſt und. den Armenkommiſſionen Anweiſung gibt, in Anbetracht der beſchränkten Mittel mit Unterſtützungen ſeitens der Stadt recht vorſichtig zu ſein. Gewähren Sie doch da die 6000 ℳ, wenn Sie wollen, daß die Stadt Ehrenpflichten einlöſt! Der Graf Zeppelin braucht die 6000 ℳ nicht, um ſeine Verpflichtungen einlöſen zu können; mit 6000 ℳ aber können Sie manchem Armen! ſchaffen, nach der er ſehnſüchtig verlangt. Sie haben ja auch keine Gelder und Mittel zur Ge⸗ währung freier Lernmittel an Kinder armer Leute, Sie haben auch keine Mittel, um armen Kindern warmes oder kaltes Frühſtück in der Schule geben zu können, Sie haben auch keine Mittel und kein Verſtändnis gezeigt im Magiſtrat und in der Stadt⸗ verordnetenverſammlung, um ſeitens der Kom⸗ mune etwas für die Schule zu tun. Da ſind Ehren⸗ pflichten in Hülle und Fülle. Ich bitte Sie, ergreifen Sie die Gelegenheit, hier Ehrenpflichten der Stadt zu erfüllen! Stadtv. Dr. Frentzel: Meine Freunde, für die ich hier ſprechen will, teilen durchaus nicht die Anſichten des Herrn Kollegen Zietſch, ſondern ſtellen ſich ganz und gar auf den Boden der Magiſtrats⸗ vorlage; ſie glauben auch ſicher zu ſein, die Meinung zu teilen, die die überwiegende Anzahl unſerer Charlottenburger Mitbürger, die der größte Teil des deutſchen Volkes in einer ſo unzweideutigen Weiſe zu erkennen gegeben hat, wie es ſelten ſonſt geſchehen iſt. Herrn Kollegen Zietſch möchte ich erwidern, daß wir uns vollkommen klar ſind, daß wir eine ganze Reihe anderer Pflichten, Ehrenpflichten und ſoziale, zu erfüllen haben, und meine Freunde werden, trotzdem ſie für dieſe 6000 ℳ ſtimmen, bereit ſein, ſolche Pflichten zu erfüllen, wo es Not tut, und wo ſie es für richtig halteu. (Stadtv. Zietſch: Das iſt der Haken!) Meine Herren, wir wußten ja, daß der Antrag des Magiſtrats von ſozialdemokratiſcher Seite Widerſpruch erfahren würde, wie dies ja auch in der Stadt Berlin und in anderen Städten bereits geſchehen iſt. Das war uns klar, ſeitdem die Leitung der ſozialdemokratiſchen Partei ihre Parole in der Zeppelinfrage ausgegeben hat. (Widerſpruch bei den Sozialdemokraten.) Herr Kollege Zietſch wird aber wiſſen und ſich vielleicht daran erinnern, daß eine große Reihe gleich ihm politiſch denkender Leute, namentlich in Süddeutſchland, durchaus in entgegengeſetzten Sinne gehandelt haben und auch entſprechend ſich geäußert haben. Dieſe ſüddeutſchen Genoſſen, wenn ich ſie ſo nennen darf, waren bereit, auch dieſen Etat, den ſich das ganze deutſche Volk ſelber aufgeſtellt hat, zu bewilligen; (hört, hört, bei den Liberalen) ſie haben vielleicht nachher nicht ſo darauf ge⸗ drungen, ihre Meinung durchzuſetzen, nachdem die Parole von Berlin anders gelautet hatte. Herr Kollege Zietſch hat ſich über die Be⸗ wegung und den Hurrapatriotismus verbreitet, zu dem ſie ausgeartet wäre. Geſtatten Sie mir, daß ich Ihnen ein perſönliches Erlebnis erzähle. Ich war gerade an jenem denkwürdigen 5. Auguſt durch einen Zufall — eigentlich gegen meinen Willen, aber durch einen Zufall, dem ich nachher ſehr dankbar geweſen bin — am Bodenſee, gerade in jenen Stunden, als jeden Augenblick die Nachricht erwartet wurde, daß Graf Zeppelin ſich wieder dem Bodenſee näherte, als alles nach dem Horizont ſpähte in großer Spannung, als man glaubte, das Luftſchiff würde jeden Augenblick am Bodenſee wieder erſcheinen. Es iſt unbeſchreiblich wenigſtens iſt es mir unmöglich zu beſchreiben —, von welchem Eindruck die Kunde von der Zerſtörung des Luftſchiffes auf die Volksmenge, die damals