Denn, meine Herren, wenn die abſolute Miß⸗ achtung Platz greifen könnte, der die Städte vor allem in Preußen und dann auch, weil ja Preußen in Deutſchland immer mehr überwiegt, in Deutſch⸗ land ausgeſetzt ſind — wer iſt denn in letzter Linie daran ſchuld als gerade das liberale, das freiſinnige Bürgertum? Gerade jetzt, wo hier ein ſolcher Antrag beraten wird, erſcheinen ja bereits frei⸗ ſin nige Preßſtimmen, welche eine Zuſtimmung der Freiſinnigen vorbereiten da, wo die Freiſinnigen von Einfluß ſind, wo ſie maßgebenden Eifluß aus⸗ üben können: eine Zuſtimmung der Freiſinnigen zu indirekten Steuern. Sachen ſo liegen, dann allerdings können Sie ſich und können wir uns nicht wundern, daß die Inter⸗ eſſen der Städte eine allzu ſtarke Beachtung nicht finden. Trotzdem werden Sie immer, wo Sie ſtädtiſche Intereſſen und Intereſſen der Gemeinden und der Selbſtverwaltung in den Vordergrund ſtellen wollen, uns an Ihrer Seite finden. Aber wünſchen möchte ich, daß Sie allen Einfluß, den Sie haben, aufbieten, um auf Ihre politiſchen Freunde gerade an denjenigen Stellen zu wirken, an denen es möglich iſt, derartigen monſtröſen Steuern mit Erfolg entgegenzutreten, ſie einfach von der Tagesordnung verſchwinden zu laſſen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Meyer: Meine Herren, ich kann leider Herrn Kollegen Borchardt nicht eingehend erwidern, weil ich ihm nicht in ſeinem Ausflug auf das politiſche Gebiet folgen darf. Ich kann mich deshalb auch nicht dafür revanchieren, daß er ſich mit den Verhältniſſen meiner Partei beſchäftigt hat, ſo intereſſant ja auch gerade gegenwärtig die Beſchäftigung mit den inneren Verhältniſſen der ſozialdemokratiſchen Partei iſt. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Aber ich muß doch bedauern, daß Herr Kollege Borchardt — die Taktik iſt ja nicht neu— in einem Moment, wo unſere Fraktion mit ſeiner Fraktion vollſtändig übereinſtimmt, ſich anſchickt, die Er⸗ reichung des gemeinſamen Ziels zu gefährden, indem er Ausführungen macht, die ſich gegen u ns richten. Herr Kollege Borchardt meint, die Ausſichten der Proteſtbewegung ſeien gering. Ich glaube nicht, daß ſo peſſimiſtiſche Außerungen dazu beitragen, die Bewegung erfolgreicher zu geſtalten und ihre Chancen zu vermehren. Ich möchte trotz der Aus⸗ führungen des Herrn Kollegen Borchardt Sie bitten, ſich mit Zuverſicht in dieſe Bewegung zu begeben. Ich hoffe, daß weit über die links⸗ ſtehenden Parteien hinaus ſie Beachtung finden und man ſich dem nicht verſchließen wird, was alles gegen dieſe Steuer angeführt wird, und daß unſer Kampf, den wir unter der Loſung „Mehr Licht!“ führen, kein ausſichtsloſer iſt. Stadtv. Hirſch: Herr Kollege Meyer wundert ſich darüber, daß mein Freund Borchardt in einem Moment, wo die beiden Parteien übereinſtimmen, trotzdem eine Maßnahme ergreift, die geeignet ſein könnte, die Bewegung zur Abwehr dieſer Steuer zu hemmen. (Stadtv. Meyer: Ich wundere mich gar nicht darüber; ich habe das erwartet!) Wenn Sie das erwartet haben, dann haben Sie damit ſelbſt zugegeben, daß wir vollkommen Meine Herren, wenn die 883 — konſequent handeln. Mein Freund Borchardt hat den Standpunkt vertreten, daß wir, da wir grund⸗ ſätzlich gegen jede Steuer ſind (große Heiterkeit) — gegen jede indirekte Steuer ſind, ſelbſtverſtänd⸗ lich nicht gegen Ihren Antrag ſtimmen werden daß wir aber andererſeits auch die Pflicht haben, Sie darauf aufmerkſam zu machen, daß Sie Erfolg nicht haben werden in der gegenwärtigen Zeit; das zu glauben, wäre Heuchelei. (Oho! bei den Liberalen.) Es iſt geſagt worden, daß, wenn jetzt die Städte ſich zuſammentun, unter den gegenwärtigen politi⸗ ſchen Verhältniſſen etwas erreicht wird. Nein, es gibt nur ein Mittel, die Steuer abzuwehren, und dieſes Mittel beſtände darin, daß die Partei, der Herr Kollege Meyer angehört, ſich auf ihre Grundſätze wieder beſinne. Es wäre ein Fehler geweſen, wenn mein Freund Borchardt dieſen Zuſammenhang des Antrages mit den allgemeinen politiſchen Verhältniſſen nicht auseinandergeſetzt hätte. Er hatte durchaus recht, darauf hinzuweiſen, daß ſich innerhalb des freiſinnigen Lagers, ſoweit man das aus der Preſſe erſehen kann, bereits die Stimmen mehren, die den Umfall der freiſinnigen Parteien auch in dieſer Frage vorbereiten. Im übrigen muß ich ſagen, daß, wenn Herr Kollege Meyer ſchließlich auf die inneren Ver⸗ hältniſſe meiner Partei anſpielt, ſie ja manchem Fernſtehenden teilweiſe nicht beſonders erfreulich erſcheinen mögen. Aber, meine Herren, mit Ihrer Partei können wir uns tauſendmal meſſen. (Heiterkeit.) Gewiß, bei uns ſpielen ſich innere Parteiſtreitig⸗ keiten ab über taktiſche Fragen; aber, meine Herren, wir werden uns niemals ſo weit herabwürdigen wie die Freiſinnigen, die alle ihre Grundſätze über 45 werfen um der ſchönen Augen eines Fürſten willen. Stadtv. Liſſauer: Meine Herren, es iſt ja unzweifelhaft, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen Meyer außerordentlich dankbar zu be⸗ grüßen und daß wir alle der Meinung ſind, daß die Beſteuerung von Gas und Elektrizität ſchwer⸗ wiegend für unſere Induſtrie und namentlich die kleine Induſtrie ſowie für die Ladenbeſitzer ſein werde. Namentlich hat mir in den Ausführungen des Herrn Kollegen Meyer gefallen, daß er ſich auf die Bedürfniſſe des gewerblichen Mittelſtandes beſonnen und gezeigt hat, wie viel derſelbe unter einer ſolchen Steuer zu leiden haben würde. Die Ausführungen haben auch gezeigt, wie mißlich es iſt, aus dem ganzen Steuerbukett eine Steuer herauszugreifen, ohne auf der andern Seite zu zeigen, wie die Leere des Staatsſäckels gefüllt werden ſoll, und noch weniger hat mir gefallen, daß Herr Kollege Meyer in einem Atemzuge als ſtädtefeindlich die Verkehrsſteuer un d die Erb⸗ ſchaftsſteuer genannt hat; denn es wird Ihnen allen bekannt ſein, daß gerade die Erbſchaftsſteuer ge⸗ eignet ſein wird, die Lücke zu füllen, die jetzt der Staatsſäckel hat, und ſie zu füllen, ohne den Armeren wehe zu tun. Ich möchte wünſchen, da kein Intereſſe vorhanden iſt, dieſe Frage vom politiſchen Stundpunkt zu beleuchten, daß wir denn auch bei dieſem rein ſtädtiſchen Standpunkte bleiben und uns danach entſcheiden.