—— 384 — Stadtv. Meyer: Die Herren Hirſch und Liſſauer haben beide von „Beſinnen“ geſprochen: der eine Herr bezweifelt, daß meine Partei ſich auf ihre Grundſätze „beſinnen“ würde, der andere Herr freut ſich, daß ich mich auf die Fürſorge für den Mittelſtand „beſonnen“ hätte. Zu beſinnen braucht man ſich nur auf das, was man vergeſſen hat. Ich beſtreite, daß die Freiſinnigen ihre Grund⸗ ſätze vergeſſen haben, und ich beſtreite, daß ich in dieſem Sinne nötig habe, mich auf die Fürſorge für den Mittelſtand zu „beſinnen“. Ich habe den Eindruck, daß Sie nur falſch auffaſſen, was früher geweſen iſt. Was Herr Kollege Hirſch über den ſich vor⸗ bereitenden Umfall der Liberalen in bezug auf Gas⸗ und Elektrizitätsſteuer erzählt, iſt mir ganz neu; es wäre mir intereſſant, die Quellen ſeiner Wiſſenſchaft zu erfahren; denn dieſe Quellen dürften ſehr unzuverläſſig ſein. Ich habe von freiſinniger Seite nur Proteſte gegen dieſe Steuern geleſen. (Stadtv. Zietſch: Das kann ſich noch ändern!) Herr Stadtv. Liſſauer hätte ſich — das wäre ja allerdings in gewiſſer Beziehung ſchade ge⸗ weſen — einen großen Teil ſeiner Rede geſpart, wenn er mir richtig zugehört hätte. Es iſt mir nicht eingefallen, gegen die Erbſchaftsſteuer zu reden, ſondern ich habe an dem Beiſpiel der Ge⸗ ſtaltung der Erbſchaftsſteuer nur zeigen wollen, daß die Städte in der Steuergeſetzgebung benach⸗ teiligt werden, und wenn Herr Stadtv. Liſſauer darüber nicht Beſcheid weiß, ſo wird ihn ein Studium der Frage dahin führen, daß gerade bei der Erb⸗ ſchaftsſteuer die ländlichen Hinterlaſſenſchaften vor den ſtädtiſchen vielfach begünſtigt ſind. Nur in dieſem Sinne habe ich auf die Erbſchaftsſteuer angeſpielt, und ich glaube, daß ich bei den übrigen Herren der Verſammlung dafür Verſtändnis ge⸗ funden habe. Stadv. Liſſauer: Ich möchte dem Herrn Vorredner erwidern, daß ich darin keine Benach⸗ teilung für die Städte ſehe, daß bei der Erbſchafts⸗ ſteuer die Verhältniſſe ſo geſtaltet werden, wie es nach Lage der Dinge erforderlich iſt, daß nämlich das agrariſche Vermögen beſſer geſtellt wird als das ſtädtiſche. Ich glaube, daß dies bei der Neu⸗ geſtaltung der Erbſchaftsſteuer, alſo bei der Aus⸗ dehnung derſelben auf direkte Deszendenten, auch der Fall ſein muß, da darauf Rückſicht ge⸗ nommen werden muß, daß der weniger leiſtungs⸗ fähige agrariſche Beſitz bevorzugt wird. Ich glaube, daß dies genügt, um meinen Standpunkt klar⸗ zulegen. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Borſteher Kaufmann: Der Herr Antrag⸗ ſteller hat ſeinen Antrag dahin geändert, daß ſtatt des Wortes „Leuchtgas⸗“ das Wort „Gas⸗“ geſetzt werden ſoll. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage der Stadtv. Meyer und Genoſſen, wie folgt: Der Magiſtrat wird erſucht, gegen die etwa geplante Einführung einer Gas⸗ und Elektrizitätsſteuer Stellung zu nehmen.) Herr Kollege Holz, der Berichterſtatter zu Punkt 25 der Tagesordnung iſt, war genötigt, die zur Prüfun obſolet ertlärt wird. 1 1 Verſammlung zu verlaſſen, und läßt bitten, daß die Verſammlung ſich mit der Abſetzung dieſes Gegenſtandes von der Tagesordnung einverſtanden erklärt. Wenn ich keinen Widerſpruch höre, kon⸗ ſtatiere ich, daß die Verſammlung einmütig iſt, dieſen Gegenſtand von der heutigen Tagesordnung abzuſetzen. — Ich konſtatiere das. Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch (den Vorſitz übernehmend): Wir kommen nunmehr nach dem Beſchluſſe, den wir gefaßt haben, zu Punkt 34 der Tagesordnung: Borlage betr. Fuhrleiſtungen für die Straßen⸗ reinigung und Feuerwehr. — Druckſache 302. Berichterſtatter Stadtv. Jolenberg: Meine Herren, ich lege dieſer Vorlage deswegen eine beſondere Bedeutung bei, weil ſie für die nächſte Zeit für unſer geſamtes Straßenbild ausſchlaggebend ſein wird. Bei früheren Gelegenheiten iſt bereits darauf hingewieſen worden, daß das Pferde⸗ material, welches für die Straßenreinigung benutzt wird, die Stadt durchaus verunziert. Ich konnte bei früheren Gelegenheiten aus den Akten feſtſtellen, daß ſogar der Oberbürgermeiſter genötigt war, beſonders abgetriebene Pferde während der Arbeit außer Betrieb ſtellen zu laſſen. Ich ſelbſt habe am letzten Montag den Waſchwagen 23 mit einem derartig zerſchundenen und mit offenen Wunden verſehenen Pferd auf dem Kurfürſtendamm geſehen, daß mir als ſtädtiſchem Vertreter die Schamröte ins Geſicht kam, und ich habe den ſtädtiſchen Arbeiter Nr. F. 74 herbeigerufen, um dieſen Zuſtand feſt⸗ ſtellen zu laſſen. Wie denkt nun der Magiſtrat vorzugehen, um würdigere Zuſtände bei der Straßenreinigung herzuſtellen? Die Stadt hatte mit dem Fuhrherrn Fricke einen Vertrag geſchloſſen, der mit dem 1. April 1908 ablief. Längſt war es dem Magiſtrat und den ſtädtiſchen Behörden klar, daß der bisherige Zuſtand auf die Dauer unmöglich ſei, und es kam ein Gemeindebeſchluß zuſtande, daß die eigene Regie in Erwägung gezogen werden ſolle. Um für die Einführung eigener Regie, für die ſich nicht nur der Magiſtratsdezernent ſehr warm ausgeſprochen hat, ſondern für die in allen Teilen der ſtädti⸗ ſchen Verwaltung überhaupt viel Meinung beſtand, Zeit zu gewinnen, hat man den damaligen Vertrag, der bis zum 1. April 1908 lief, auf möglichſt kurze Zeit verlängert, bis 1. Oktober 1910. Ich möchte auf die Verhandlungen vom Juni 1907 verweiſen. Damals erklärte der Magiſtratsdezernent, daß er ſich der eigenen Regie gegenüber zwar ſehr freundlich ſtelle, daß er aber darauf aufmerkſam mache, daß dieſelbe Hunderttauſende mehr koſten werde als das bisherige Pachtverhältnis. Als ich darauf erwiderte, daß die vorliegenden Akten ſeine Behauptung nicht beſtätigten, daß aus den vorliegenden Akten, aus den Voranſchlägen hervor⸗ ginge, daß die eigene Regie ſich im allgemeinen nicht ſehr viel teurer ſtelle, da erwiderte mir der Herr Magiſtratsdezernent, der zu meinem Bedauern heute nicht hier iſt, daß ich veraltete Akten bekommen habe, daß alſo der Stadtverordnetenverſammlung dieſer Frage veraltete Akten zu⸗ gegangen ſind. Meine Herren, ich hoffe, daß der vorliegende Erläuterungsbericht nicht wieder als