—— 403 — 300 000 ℳ, der nur aus Effekten und einem Hauſe beſteht, das ſofort verkauft wird, kann doch keine große Mühe machen; wenigſtens ergeben die Akten nicht das geringſte dafür. Herr Reckzey behauptet ferner, daß auch die Erblaſſerin ihm unabhängig davon, ob er die Teſtamentsvollſtreckung über⸗ nehmen würde, die 6000 ℳ geben wollte. Meine Herren, davon kann doch gar keine Rede ſein, wenn Sie ſich des Wortlauts des Teſtaments erinnern, den ich eben vorgetragen habe. Die Erblaſſerin wollte Herrn Reckzey mit dieſen 6000 ℳ ein für allemal abfinden, wenn er das Amt annehmen würde. Nur wenn ein anderer Teſtamentsvoll⸗ ſtrecker vom Gericht ernannt werden ſollte, ſollte dieſer 2000 ℳ bekommen. Endlich beruft ſich Herr Reckzey darauf, daß ihm namhafte Juriſten erklärt hätten, daß mit Rückſicht auf die gegenwärtigen Beſtimmungen des BGB. auch ein Teſtaments⸗ vollſtrecker Honorierung ſeiner Tätigkeit verlangen könne, und daß dieſe Juriſten ſich dahin entſchieden hätten, er könnte ꝙ bis 1 % für ſeine Tätigkeit verlangen. Vergegenwärtigen Sie ſich aber, meine Herren, daß bei Annahme eines reinen Nachlaſſes von 300 000 ℳ 6000 ℳ bereits 2 % machen würden, ſo würde doch die Forderung des Herrn Reckzey, ihm außer dieſen 2 % noch weitere 2000 , alſo zuſammen 8000 ℳ, zu geben, in jedem Falle un begründet ſein. Ich bin daher der Meinung, daß eine Auslegung des Teſtaments nicht die ge⸗ ringſte Berechtigung Herrn Reckzey gewährt, zu dem ihm erwünſchten Reſultat zu gelangen. Der Magiſtrat hat nun auf Grund dieſer noch⸗ maligen Vorſtellungen des Herrn Reckzey ſich ver⸗ anlaßt geſehen, erneut in eine Prüfung der Sache einzutreten. Es wurden, wie die Akten ergeben, ein Berichterſtatter und ein Mitberichterſtatter ernannt, — jedenfalls wegen der Wichtigkeit des Falles. Leider hat der Mitberichterſtatter der Ver⸗ handlung nicht beiwohnen können, er mußte ab⸗ lehnen; ein anderer Mitberichterſtatter wurde nicht ernannt. Obwohl nun unmittelbar vorher der Magiſtrat abgelehnt hatte, wurde plötzlich in der Sitzung vom 22. Auguſt im Magiſtrat die Er⸗ klärung abgegeben, es wäre doch möglich, daß die Sache anders ausgelegt werden könnte, und aus Billigkeitsgründen ſollte Herrn Reckzey der Betrag von 2000 ℳ gewährt werden, wenn die Stadt⸗ verordnetenverſammlung damit einverſtanden wäre. Meine Herren, in meiner Fraktion bin ich mit der ehrenvollen Aufgabe betraut geweſen, ebenſo wie hier, zu referieren. Ich war mir ſofort, als ich das Referat in der Fraktion hielt, bewußt, daß ich eigentlich die unrichtige Perſönlichkeit dafür bin. Man ſoll bei Rechtsfragen, die einer Auslegung fähig ſind, lieber einen Laien und nicht einen Juriſten nehmen; denn ſowie ein Juriſt an eine Auslegungsfrage herantritt, wird meiſtenteils ein Laie, ſicher aber ein Juriſt, der in der Verſammlung anweſend iſt, ſich erheben und ſagen: die Sache iſt ganz anders. (Heiterkeit.) Und in der Tat war es auch in meiner Fraktion ſo. Hervorragende Juriſten, die anweſend waren, wieſen darauf hin, es wäre doch möglich, daß die Sache anders ſein könnte. Es wurde dann ab⸗ geſtimmt, und in meiner Fraktion war damals, wie ich nicht leugnen will, die Stimmung ſo, daß die Mehrheit ſich dahin entſchied, es könnte aus Billigkeitsgründen dem Herrn Reckzey der Betrag von 2000 ℳ gewährt werden. Nun meine ich, Billigkeitsgründe dürfen uns überhaupt nicht beſtimmen. Erinnern Sie ſich an unſere letzte Sitzung. Ich bitte Sie, einen Blick in den amtlichen Bericht zu werfen. Von allen Seiten des Hauſes wurde auf unſere finanzielle Lage hingewieſen. Einer ſagte: die Armut pocht an die Türen unſerer Stadt. Wenn es auch nicht ſo ſchlimm iſt, ſo iſt doch unſere finanzielle Lage alles weniger als glänzend. Und wer in den Ver⸗ einen unſerer Stadt tätig iſt, wer weiß, wie dort die Not an einzelnen Stellen ſich wirklich jetzt ſchon meldet, wer weiß, daß es unſerer Stadt in der Tat Mühe macht, alle notwendigen Ausgaben zu erſchwingen, der muß ſagen: wir dürfen uns doch nicht durch Billigkeitsgründe ohne weiteres leiten laſſen, zumal wenn es ſich darum handelt, einem Wohltätigkeitsinſtitut einen Betrag von 2000 ℳ zu entziehen. Es liegen aber abſolut keine Billigkeitsgründe vor. Aus dem, was ich bereits vorgetragen habe, ergibt ſich, daß gar keine Billigkeit vorhanden iſt, wenn man Herrn Reckzey außer den 6000 ℳ, die mehr als genug ſeine Tätigkeit bezahlt machen, noch weitere 2000 ℳ geben würde. J glaube, es würde in unſerer Bürgerſchaft einen ſchlechten Eindruck machen, wenn die Stadtver⸗ ordnetenverſammlung ohne einen zwingenden Grund einen Prozeß ſcheute, der ihr die Möglichkeit gewährte, einen Betrag von 2000 ℳ für wohltätige Zwecke beizutreiben. Es würde den Bürgerſinn nach meinem Dafürhalten in höchſtem Grade ge⸗ fährden, und verſchiedene Leute, die vielleicht daran denken, dermaleinſt der Stadt Charlottenburg eine große Summe zu vermachen, würden es ſich über⸗ legen, ob ſie ihr eine ſolche Zuwendung machen ſollten, wenn ſie damit rechnen müßten, daß ſie, wenn auch nur zu einem Teil, auf dieſe Weiſe ver⸗ pulvert und verplempert werden könnte. Ich bin auf Grund ſorgfältiger Prüfung der Akten der Meinung, daß es direkt ein Unrecht wäre, dem Teſtamentsvollſtrecker neben den 6000 ℳ noch 2000 ℳ zu gewähren. Ich ſehe nicht die Spur eines Billigkeitsanſpruchs und bitte Sie, die Vor⸗ lage abzulehnen. Stadtrat Samter: Meine Herren, ich glaube, daß die Sache doch nicht ſo klar und einfach iſt, wie der Herr Berichterſtatter es dargeſtellt hat. Sie haben aus dem Bericht entnommen, daß auch der Magiſtrat ſehr zweifelhaft geweſen iſt, wie er ſich entſcheiden ſoll. Er hat zweimal ab⸗ geſtimmt, iſt aber beim zweiten Male zu dem Entſchluß gekommen, das Honorar zu bewilligen. Ich glaube zunächſt, daß die Tätigkeit, die der Teſtamentsvollſtrecker ausgeübt hat, nicht ſo einfach war, wie Herr Stadtv. Holz es geſchildert hat. Es war nicht einfach mit einem Käufer, der ſich anbot, ein Vertrag abzuſchließen, ſondern alle Reflektanten waren abgeſprungen, und der eine mußte feſtgehalten werden. Und dazu abzu⸗ ſchließen zu einem Preiſe, der höher war, als ihn die Erblaſſerin ſelbſt geſetzt hatte, und weit höher, als man angenommen hatte, daß man ihn jemals erhalten könnte. Auch der Verkauf der Effekten iſt nicht ſo einfach geweſen. Es waren zwar auch Staatspapiere darunter, aber auch Aktien, und der Teſtamentsvollſtrecker, der ſelbſt Bankier iſt, hat ſie in ſehr geſchickter Weiſe zu einem an⸗ gemeſſenen Kurſe verſilbert. Die Tätigkeit iſt alſo nicht ſo ganz gering geweſen.