—— 407 — daß die Schwierigkeiten ſo groß wären, daß man die eigene Regie für den 1. April 1910 nicht ohne weiteres beſchließen konnte. Auch der Herr Brand⸗ direktor, der ſpäter ein der augenblicklichen Ma⸗ giſtratsvorlage entſprechend abgeändertes Gut⸗ achten abgegeben hat, hat ſich überzeugt, daß es bis zum 1. April 1910 nicht geht. Der frühere Dezernent, Herr Stadtrat Meyer, hat dasſelbe ge⸗ tan: er hat ſich überzeugt, daß es nicht ſo ginge, wie er anfänglich annahm, er hat die Vorlage mit unterſchrieben. Das wird Ihnen auch ſo gehen; wenn Sie auf Schwierigkeiten ſtoßen, werden Sie Ihre Meinung ändern. Sie können doch dem Ma⸗ giſtrat daraus keinen Vorwurf machen, daß er Ihnen alle dieſe Phaſen vorgelgt hat. In einzelnen Ver⸗ waltungen — ich darf das wohl verraten — iſt es ja Sitte, daß ſolche Vorarbeiten gar nicht als Be⸗ ſtandteile der Akten angeſehen werden, ſie werden als Nebenakten geführt, und dieſe bekommen Sie in vielen Fällen gar nicht zu ſehen. Es ſollte Ihnen aber nichts entzogen werden; deshalb ſind Ihnen die ganzen Akten übergeben worden. Sie müſſen doch anerkennen, daß eine Meinung ſich anders geſtalten kann, wenn man eine beſſere Überſicht über die Sache gewinnt. Das kann ich Ihnen aber ſagen, daß der Magiſtrat die Vorlage ein⸗ ſtimmig verabſchiedet hat, und ebenſo, wie bei Ihnen nicht immer Einſtimmigkeit herrſcht, iſt es auch beim Magiſtrat ſelten, daß ein einſtimmiges Votum erfolgt. Sie ſehen alſo, daß alle Herren im Magiſtrat ſich überzeugt haben, daß die Schwierig⸗ keiten ſo groß ſind, daß die Ubernahme zum 1. April 1910 nicht möglich iſt. In erſter Linie haben wir die Schwierigkeit betont, die Pferde und die Kutſcher zu beſchaffen. Wir haben geſagt, daß es nicht möglich iſt, ſchon am 1. April 1910 ein zuſammengewürfeltes Material auf die Straße zu ſchicken, ohne die größten Schwie⸗ rigkeiten hervorzurufen. Die Hauptfrage aber, die in der Debatte noch nicht zum Ausdruck gekom⸗ men iſt, iſt die Abfuhr des Kehrichts. Es iſt in der Vorlage ausdrücklich geſagt worden, daß dieſe Frage ſo ſchwierig iſt, daß wir ſie mit der augenblick⸗ lichen Vorlage nicht verquicken wollen; wir wollen ſie einem beſonderen Studium unterwerfen und ſie vorläufig zurückſtellen. Wir ſagten uns dabei: ein Unternehmer hat es leichter, ſich einen Ablade⸗ platz zu beſchaffen, als die Stadt; denn wenn die Stadt ſelbſt die Sache in die Hand nimmt, dann ſtellt die Polizei, dann ſtellen die Behörden ganz andere Anforderungen an ſie wie an einen Unter⸗ nehmer. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Selbſtverſtändlich, meine Herren! Das iſt immer ſo: der einzelne Mann kann ſich leichter heraus⸗ wickeln, auf den einzelnen nimmt die Behörde mehr Rückſicht als auf die ſogenannte reiche Stadt⸗ gemeinde. (Hört, hört! und Zurufe.) — Und das Publikum auch, wie mir eben zugerufen wird; das Publikum verlangt von der Stadt etwas ganz anderes wie von einem Privatunternehmer. Wir ſagten uns alſo, meine Herren, daß wir die kurze Zeit, die wir noch warten wollen, benutzen wollen, um die Frage der Beſpannung und des Begleitperſonals und zweitens die ſchwierige Kehrichtfrage zu löſen. Wir ſind von der Anſicht ausgegangen, daß letztere eine ſehr ſchwierige Frage iſt, die in dem Satze gipfeln muß: aller Unrat muß aus dem Stadtgebiet heraus; ſonſt iſt die Kehricht⸗ frage nicht zur Zufriedenheit gelöſt. Der Stätte⸗ platz genügt uns nicht; er liegt auch im Stadt⸗ gebiet: wir wollen aber den ganzen Kehricht aus dem Stadtgebiet heraus haben. Ob das auf dem Waſſerwege zu geſchehen hat oder auf der Eiſen⸗ bahn oder auf andere Weiſe, darüber iſt im Ma⸗ giſtrat noch kein Beſchluß herbeigeführt worden. Wir glaubten, dieſe Frage zurückſtellen und mit ihr die jetzige Vorlage nicht beſchweren zu dürfen, ſondern ſie beſonders ſtudieren zu müſſen und in der Zwiſchenzeit von 1910 ab bis 1913 ſie löſen, um Ihnen entſprechende Vorſchläge machen zu können. Das war alſo die zweite Frage, die uns abgehalten hat, Ihrem Wunſche, die eigene Regie ſchon am 1. April 1910 einzuführen, ſtattzugeben. Wenn nun geſagt iſt, daß wir das, was wir einem Unternehmer bezüglich ſeiner Pferde zu⸗ muten, bezüglich unſerer Pferde doch auch berück⸗ ſichtigen müßten, ſo iſt das ja richtig. Aber es iſt nicht illoyal gegenüber dem Unternehmer. Denn der Unternehmer bringt ſchon eigene abgehärtete Pferde mit, während unſere Pferde aus aller Herren Länder zuſammengekauft werden; wie der Herr Branddirektor im Ausſchuß erklärt hat, bringen dieſe Pferde alle möglichen Krankheiten mit, Schnupfen oder andere Krankheiten, ſo daß ſie nicht in Dienſt geſtellt werden können. (Heiterkeit und Zurufe.) — Ja, der Pferdeſchnupfen — Influenza der Pferde — iſt viel ſchwieriger und ſchlimmer als der Schnupfen bei den Menſchen. Dann wird es Sie noch intereſſieren, meine Herren, zu hören, daß die Stadt Berlin genau in derſelben Weiſe dieſe Beſpannungs⸗ und Fuhr⸗ leiſtungsfrage löſen will wie wir. Sie ſagt auch: es geht nicht mit einem Male, wir müſſen erſt ſehen, wie die Sache wird; wir wollen das ſchritt⸗ weiſe machen. Sie ſehen alſo, daß wir nicht allein dieſen Gedanken haben, ſondern daß — mir iſt erſt heute Mitteilung davon geworden — auch die Stadt Berlin ganz ſelbſtändig auf den gleichen Gedanken gekommen iſt. Und Sie werden uns zugeben müſſen, daß wir uns mit dieſer Frage doch intenſiver beſchäftigt haben als einzelne Herren von Ihnen. Es iſt in der Deputation darüber ja beraten worden, aber doch nicht ſo eingehend, wie wir im Magiſtrat und in unſern Fachaus⸗ ſchüſſen es getan haben. Ich bitte Sie nochmals, meine Herren: glauben Sie nicht, daß der Magiſtrat Ihnen nicht zu Willen ſein will: wir kommen Ihren Wünſchen gern ent⸗ gegen: aber wir haben die wohlerwogene Anſicht gewonnen, daß wir zum 1. April 1910 Ihrem Wunſche nicht entſprechen können. Bürgermeiſter Matting: Ich möchte den Ausführungen des Herrn Dezernenten noch einige Bemerkungen gleich jetzt anſchließen; ich glaube, das wird zweckmäßig ſein, um die Debatte in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich möchte zunächſt noch einmal auf die Frage des Akteninhalts eingehen. Herr Stadtv. Jolen⸗ berg hat ſich mit einer gewiſſen Zähigkeit an dem Gutachten des Herrn Branddirektors Bahrdt feſt⸗ geklammert: in den Akten ſtehe das drin, der Herr Branddirektor habe das geſagt, weiter ſei in den Akten nichts enthalten, alſo ſeien die Akten un⸗ brauchbar. Meine Herren, erſtens mal wäre es durchaus nicht ungerechtfertigt und unangemeſſen