435 Nun könnte der Ausſchußantrag dahin auf⸗ gar vergeſſen zu haben ſcheint, was er im Jahre 1907 gefaßt werden, als ob im Jahre 1913 die eigene Regie eingeführt werden ſoll. Dagegen möchte ich ausdrücklich Verwahrung einlegen. Es iſt aus⸗ drücklich vom Magiſtrat geſagt worden, daß er ſich durch einen derartigen Beſchluß in keiner Weiſe binden läßt Alſo, meine Herren, legen Sie ſich nicht feſt durch Bewilligung einer halben Million für eigene Ställe! Wenn wir für die nächſte Zeit auf eigene Regie verzichten müſſen, dann ſuchen Sie erſt einen tüchtigen, verläßlichen Unternehmer, den Sie auch ohne eigene Ställe bekommen werden. Das geht ſchon aus dem Rundſchreiben des Vereins der Charlottenburger Fuhrherren hervor. Bauen Sie nicht darauf los, bevor Sie ſich nicht mit einem Unternehmer darüber verſtändigt haben, was den tatſächlichen Bedürfniſſen entſpricht: denn auch in dieſer Beziehung ſind meiner Anſicht nach die Atten noch nicht abgeſchloſſen. Vielleicht findet ſich ein Weg, für Rechnung des Unternehmers zu bauen, oder vielleicht ſind die Koſten etwa durch Pachtgelder aufzubringen und zu amortiſieren, wie das ja bei andern ſtädtiſchen Unternehmungen ge⸗ macht worden iſt. Meine Herren, ich glaube behaupten zu können, daß wir alle das Beſte der Stadtgemeinde wollen. Ich für meinen Teil glaube derſelben zu nützen, wenn ich Sie bitte, die Magiſtrats⸗ vorlage abzulehnen. Stadtv. Zietſch: Meine Herren, als im Ausſchuß bekannt geworden war, daß der Magiſtrat den erſten Teil ſeiner Vorlage zurückzieht, hatte ich den Eindruck, als wenn er nun von ſeiner ab⸗ wartenden Stellung gegenüber der Einführung der eigenen Regie abkommen würde und ſich zu der Anſicht bekehrt hätte, die ſofortige Regieübernahme, bzw. dieſelbe bis zum Jahre 1910 durchzuführen, ſei das richtigere Daß der Magiſtrat die Konſequenz aus der Zurückziehung des erſten Abſatzes ſeiner Vorlage nicht gezogen hat, nimmt mich wunder, um ſo mehr, als ja die Begründung ſeiner Vorlage im Jahre 1907 ſich ſehr warm für die Regieüber⸗ nahme im allgemeinen ausgeſprochen hat. Damals hat der Magiſtrat der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung recht weitgehende Hoffnungen gemacht, und vielleicht würde die Stadtverordnetenverſammlung gar nicht zu der Annahme der Magiſtratsvorlage im vergangenen Jahre gekommen ſein, den Vertrag mit dem Unternehmer Fricke noch einmal frei⸗ händig auf zwei Jahre zu verlängern, wenn nicht der Magiſtrat in ziemlich beſtimmter Form hätte durchblicken laſſen, daß es ihm Ernſt iſt mit der Durchführung der Regie. (Sehr richtig!) Damals ſagte, wie das Stenogramm jener Sitzung ergibt, Herr Stadtrat Meyer, daß wohl bis zum Augenblick noch keine Mehrheit im Magiſtrat für die Regieübernahme gewonnen ſei, aber es beſtehe die Ausſicht, daß ſich doch die Mehrheit des Ma⸗ giſtrats zu der beſſeren Einſicht bekehren werde. Nicht mit dieſen Worten hat es der Herr Stadtrat geſagt, aber dem Sinne nach iſt es wohl ſo geweſen. Wir bedauern nun ungemein, daß dieſe beſſere Einſicht bei der Mehrheit des Magiſtrats bisher noch nicht Einkehr gefunden hat. Denn dieſe Vorlage und die Zurückziehung des Abſatzes 1 des Magiſtrats⸗ antrages beweiſen, daß der Magiſtrat ganz und alles als Vorzüge der eigenen Regieübernahme der Stadtverordnetenverſammlung geprieſen hat. Ich geſtatte mir, aus der Begründung der Vorlage im Jahre 1907 folgende Sätze vorzuleſen: Langjährige Erfahrungen haben gelehrt, daß in dem Betriebe der Straßenreinigung trotz der ſorgfältigſten Vorkehrungen und trotz ſcharfer Uberwachung ſeitens der ſtädti⸗ ſchen Verwaltung gewiſſe Mißſtände im Fuhrbetriebe ſich nicht ganz beſeitigen laſſen werden, wenn die Fuhrleiſtungen an einen Unternehmer vergeben ſind, und daß die eigene Regie für dieſen Verwaltungszweig allein zufriedenſtellende Zuſtände erhoffen läßt. Heute ſteht der Magiſtrat auf dem Standpunkt: über Fricke iſt gar nicht zu klagen. (Zurufe) —(ewiß, wir hörten, daß die Herren vom Magiſtrat jetzt ſagten: im großen und ganzen iſt über Fricke nicht zu klagen. Auf dem Standpunkt haben auch die Herren Magiſtratsvertreter im Ausſchuß ge⸗ ſtanden. Es iſt ihnen dort entgegen gehalten, daß es manchmal über Fricke Ordnungsſtrafen geregnet habe, daß Fricke einmal ſogar auf der Straße anbefohlen war, Pferde, die gar zu klapperig ausgeſehen haben, ausſpannen zu laſſen. Ich meine, wenn der Magiſtrat auf Grund der Er⸗ fahrungen im Jahre 1907 feſtgeſtellt hat, daß die Fuhrleiſtungen durch einen einzelnen Privatunter⸗ nehmer niemals ſo zur Zufriedenheit der Stadt ausfallen werden, wie es gewünſcht wird, dann iſt es wunderbar, wie in einem Jahre ſich alles ſo geändert haben ſoll. Es heißt dann weiter in der Vorlage von 1907: Wir halten es daher für geboten, ein⸗ gehend in eine Prüfung der Frage einzu⸗ treten, ob es ſich trotz der vorausſichtlich be⸗ deutend höheren Koſten, welche das eigene Fuhrweſen der Vergebung der Leiſtungen gegenüber verurſachen wird, empfiehlt, zur eigenen Regie zu ſchreiten. Das war im Jahre 1907, und damit der Magiſtrat zur Prüfung dieſer Frage Zeit genug habe, wurde der Stadtverordnetenverſammlung anheimge⸗ geben, den Vertrag auf zwei Jahre zu verlängern, um es dem Magiſtrat zu ermöglichen, bis zum 1. April 1910 die Regieübernahme durchführen zu können. Dabei iſt aber gar nichts herausgekommen. Aus den die Regie vorbereitenden Arbeiten iſt nichts geworden; denn auch heute ſagt der Magiſtrat wieder: er braucht Zeit. Nun möchte ich wirklich einmal an den Magiſtrat die Frage richten, ob denn dieſe Prüfungen innerhalb des Magiſtrats ge⸗ pflogen worden ſind, ob der Magiſtrat, während er im Jahre 1907 noch eine ſtark freundliche Haltung zur Regiefrage eingenommen hat, jetzt durch die Prüfung der Frage auf einen ganz entgegen⸗ geſetzten Standpunkt gedrängt worden iſt. (Zuruf vom Magiſtratstiſch: Vertagt!) — Ia, es iſt vertagt. Warum vertagt man die Geſchichte noch mal, wenn man ſich im Jahre 1907 ausdrücklich eine Zeit der Prüfung bis zum April 1910 ausbedingt? (Unruhe. Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): bitte, die Privatgeſpräche außerhalb dieſes Saales vorzunehmen.