—— 436 —— Stadtv. Zietſch (fortfahrend): Dieſe Zeit hätte unſerer Auffaſſung nach genügt, um die Regieübernahme im Jahre 1910 durchführen zu können. Aber ich will nicht dem Magiſtrat allein den Vorwurf des Schwankens machen, den Herr Kollege Jolenberg gegen den Magiſtrat erhoben hat; auch den Ausſchuß trifft dieſer Vorwurf. Der Ausſchuß hätte in ſeiner erſten Sitzung ohne weiteres die Regieübernahme gefordert; es hat nur an zu⸗ fälligen Umſtänden gelegen, daß zwei Stimmen für die Regieübernahme fehlten. In der letzten, das heißt in der zweiten Sitzung, kam ein ganz anderes Reſultat zuſtande. Wenn der Magiſtrat nun auf dem Standpunkt ſteht, heute der Stadtverordneten⸗ verſammlung noch einmal auseinanderſetzen zu müſſen, daß er Zeit braucht zur weiteren Prüfung und Erwägung der ganzen Frage, dann kommt es mir ſo vor, als wenn der Magiſtrat es damals mit ſeiner Prüfung nicht recht ernſt genommen habe, oder als ob er es nicht recht ernſt mit der Stadt⸗ verordnetenverſammlung nimmt. Ich ſtehe auf dem Standpunkt, wie ich ſchon ſagte, daß die Stadt⸗ verordnetenverſammlung im Jahre 1907 nicht auf die freihändige Vergebung der Fuhrleiſtungen an den Unternehmer Fricke eingegangen wäre, wenn nicht vorher die Verſprechungen des Magiſtrats abgegeben wären. Unſer Antrag, der im Ausſchuß angenommen worden iſt, will nun überhaupt mit allen Zweifeln aufräumen. Wenn der Antrag des Ausſchuſſes angenommen wird, daß im Jahre 1913 ohne weiteres die Regie übernommen wird, dann werden auch alle die Gründe, die heute der Magiſtrat gegen die Regieübernahme ausführt, hinfällig. Der Magiſtrat ſagt in erſter Linie: uns ſchrecken die höheren Koſten, die wir eventuell haben werden, wenn wir die Regieübernahme durchführen. In andern Städten, wo gleiche Erfahrungen vorliegen mit der ſtädtiſchen Regie im Fuhrweſen, hat man wohl auch konſtatieren müſſen, daß die Koſten höhere geweſen ſind, daß aber die moraliſche Bewertung der eigenen Regie dieſe höheren Koſten bei weitem wett gemacht hat. Es iſt ganz ausgeſchloſſen: wenn die Stadt ihre eigenen Pferde für die Straßen⸗ beſprengung, für die Feuerwehr hat, daß dann derartige Lungenpfeifer vor die Wagen geſpannt werden, wie es bei einem Privatunternehmer der Fall geweſen iſt. Und auch das Kutſchermaterial würde bei der Stadt ein beſſer bezahltes ſein können als bei einem Privatunternehmer. Schon die da⸗ durch gewährleiſtete Ständigkeit des Perſonals bürgt dann dafür, daß andere, beſſere Arbeit ge⸗ leiſtet wird. Es würde ganz ausgeſchloſſen ſein, daß 18 Jahre alte oder im Alter ſich noch darunter befindliche Sprengwagenkutſcher durch die Straßen fahren und, wie hier ſchon angeführt worden iſt, reine Gordon⸗Wettrennen durch die Straßen ver⸗ anſtalten. Dieſe Sicherheit des Betriebes, die höhere Qualifikation der Arbeit, die ausſchlaggebend in die Erſcheinung treten würden, müßten uns be⸗ ſtimmen, die Bedenken wegen der höheren 8 oſten fallen zu laſſen. Und nun, weil es ſich um den Antrag im Aus⸗ ſchuß handelt, möchte ich noch mit kurzen Worten darauf eingehen, was der Herr Berichterſtatter geſagt hat. Er ſagt, die Abſtimmung über den An⸗ trag, die Regieübernahme bis zum Jahre 1913 durchzuführen, hätte unter einer weſentlichen Un⸗ klarheit bei der Abſtimmung ſelbſt gelitten, weil Jahre 1913 die Regie übernehmen können; man vor der Abſtimmung nicht wußte: ſoll der An⸗ trag zu einem integrierenden Beſtandteil der ganzen Magiſtratsvorlage gemacht werden, oder iſt er unabhängig von der Magiſtratsvorlage zu behandeln? Die Abſtimmung hätte auch ſtattfinden können, nachdem eine ſolche Erklärung, wie ſie gewünſcht worden war, von dem Antragſteller vorgelegen haben würde. Ich bin mir trotz alledem ohne Zweifel, daß auch ein ſolcher, von der Magiſtrats⸗ vorlage unabhängiger Antrag auf Regieübernahme eine Mehrheit im Ausſchuß gefunden haben würde. Über den Antrag, der ſich auf die Regieüber⸗ nahme der Fuhrleiſtungen für die Feuerwehr bezog, iſt nicht deshalb nicht abgeſtimmt worden, weil er ewas Halbes enthielte, ſondern er iſt zurückgezogen worden nach der Erklärung der Magiſtratsvertreter, daß eine eigene Regieübernahme dieſer Art des⸗ halb nicht mehr lohnen würde, weil in einiger Zeit, in zwei, drei Jahren, der Automobilbetrieb in der Feuerwehr durchgeführt ſein würde. (Zurufe.) — Ich glaube auch nicht daran, daß in zwei, drei Jahren das geſchehen ſein wird; wenn wir es nur in ſechs oder ſieben Jahren haben, können wir auch froh ſein. Die übrigen Teile des Antrages des Magiſtrats ſcheinen mir durch die Annahme des erſten Aus⸗ ſchußantrags vollſtändig hinfällig zu ſein. Der Magiſtrat ſagt: wir wollen Zeit haben, um die Frage der Regieübernahme prüfen zu können. Wenn der Ausſchußantrag angenommen wird, hat unſerer Auffaſſung nach der Magiſtrat bei weitem über drei Jahre, faſt fünf Jahre Zeit, die Frage zu prüfen, und ich meine, da bindet man dem Magiſtrat durch⸗ aus nicht die Hände, nachdem er ja ſchon 1907 erklärt hat: wir würden eventuell für die Regie⸗ übernahme ſein, wenn wir die Frage genügend geprüft haben würden. Wenn der Magiſtrat dieſe fünf Jahre Zeit auch endlich ernſtlich ausnützt, ſich nach dem geeigneten Perſonal und nach geeigneten Pferden umzuſehen, dann hat er auch ſo viel Zeit, eine Kehrichtabladeſtelle zu finden; (Stadtv. Stein: Sehr richtig!) damit dürfte auch dieſer Einwand des Magiſtrats hinfällig werden. Ja, es dürfte in dieſen fünf Jahren dem Magiſtrat auch möglich ſein, eine beſſere Rentabilitätsrechnung aufzuſtellen, als ſie jetzt vor⸗ liegt. Ich gebe ohne weiteres zu: die Annahme der Vorlage des Magiſtrats, mit der Begründung, wie ſie hier unterbreitet worden iſt, bedeutet nicht nur für den Magiſtrat, ſondern auch für die Stadt⸗ verordnetenverſammlung einen Sprung ins Dunkle. Denn wir wiſſen ja noch gar nicht, was mit den Stallungen geſchehen würde. Der Magiſtrat ſagt: vielleicht kommen wir zu der Regieübernahme, und ein Teil der Kollegen ſteht auf dem Standpunkt: wenn der Magiſtrat erſt die Ställe haben wird, dann wird er auch zur Regieübernahme tommen. Dem ſtehen Außerungen gegenüber, die von Magiſtratsvertretern im Ausſchuß getan worden ſind; dort hieß es: ja, wir können uns, ſelbſt wenn wir die Ställe haben, noch nicht binden, ob wir im 08 kann ſich ja herausſtellen, daß es ganz günſtig für die Stadt liegt, wenn wir Privatunternehmer in unſern Ställen haben. Ich meine, auf dieſe Eventu⸗ alität können wir nicht eingehen/ können wir nicht ziemlich 600 000 ℳ. in Bauten hineinſtecken, die nachher ziemlich wertlos für die Stadt ſein dürften.