454 nehmen, in anderem Zuſammenhange noch darauf zurückzukommen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich überzeuge mich davon, daß in der Anfrage allerdings ſteht: welche Urſachen haben zu dem Unglück geführt? Die Begründung des Herrn Stadtv. Gebert ging auf dieſen erſten Teil der Anfrage nicht ein, und daraus iſt es auch zu erklären, daß ich in Erwiderung der Gebertſchen Ausführungen keine Veranlaſſung hatte, auf dieſe Frage noch beſonders einzugehen. Im übrigen, meine Herren, können Sie aus dem, was ich bereits ausgeführt habe, entnehmen, daß wir gar nicht in der Lage ſind, uns über die Urſachen dieſes Unglücks zu äußern; denn wir haben auf dieſem Bau abſolut nichts zu ſuchen. Und zum Beweiſe deſſen, wie ſchwierig es iſt, ſelbſt bei ſtädtiſchen Bauten uns mit Ihnen (zu den Sozialdemokraten) über die Urſachen eines ſolchen Unglücks aus⸗ einanderzuſetzen und zu einigen, möchte ich Sie nur erinnern an den Vorfall beim Bau des Schiller⸗ theaters, wo wir nach ſehr eingehenden und teil⸗ weiſe ſehr heftigen Debatten doch ſchließlich nicht zu einer übereinſtimmenden Feſtſtellung der Ur⸗ ſachen des Unfalles gekommen find. Das iſt eine ſo ſchwierige Aufgabe, da muß man ſo ganz genau eindringen können in die Vorgänge, daß es voll⸗ ſtändig ausgeſchloſſen erſcheint, uns mit Ihnen hier in eine Auseinanderſetzung über die Urſachen des Unglücks am Königsweg einzulaſſen, von dem wir, wie geſagt, auch nur aus den Zeitungen wiſſen. (Stadtv. Zietſch: Bedauerlich!) — Gewiß wäre es vielleicht möglich geweſen, bei den zuſtändigen Behörden eine Anfrage zu ſtellen. Aber zunächſt iſt der Magiſtrat nicht zuſtändig für eine derartige Anfrage. Im übrigen iſt, ſoviel ich weiß, die Unterſuchung, die ſeitens der ſtaatlichen Organe in die Wege geleitet iſt, noch gar nicht zu einem abſchließenden Ergebms gelangt. — Mir fallen ſoeben noch andere ähnliche Unterſuchungen ein: denken Sie an den Streik der Müllkutſcher, wie wir da in Differenzen geraten ſind über die Urſachen der einzelnen Vorgänge! (Stadtv. Zietſch: Da haben Sie aber geirrt!) Es iſt gar nicht möglich, derartige Vorgänge hier im Plenum mit Ausſicht auf einen befriedigenden Erfolg zu erörtern. Jedenfalls iſt der Magiſtrat gar nicht zuſtändig, ſeinerſeits derartige Unter⸗ ſuchungen vorzunehmen, und kann ſchon aus dieſem Grunde auch den 0. Abſatz Ihrer Anfrage nicht beantworten. Stadtv. Szialoszynsli: Ich vin der Meinung, daß ſich gegen den Standpunkt, den der Herr Bürgermeiſter gegenüber den Ausführungen des Herrn Kollegen Gebert eingenommen hat, nichts erinnern läßt. In der Tat ſind wir nach der Städte⸗ ordnung gar nicht in der Lage, hier für Anſtellung von Baukontrolleuren zu ſorgen. Aber in einer Beziehung, meine Herren, hat dieſer Vorgang eine erhebliche Bedeutung: er illuſtriert in einer ekla⸗ tanten Weiſe das Thema, welches hier vorhin zum Gegenſtand der Verhandlung gemacht war, näm⸗ lich den Mangel an Polizeimannſchaften, und ich möchte dem Magiſtrat anheimgeben, dieſen Vor⸗ gang mit heranzuziehen bei den Verhandlungen, die zwiſchen den Staatsbehörden und dem Ma⸗ giſtrat geführt werden ſollen. Ich weiſe darauf hin, daß der Bezirk, in dem dieſer Bau liegt, nach meinen Informationen etwa 32 000 Einwohner hat, daß er eine koloſſale räumliche Ausdehnung hat, und daß in dieſem Bezirk — er iſt etwa drei⸗ oder viermal ſo groß, als ſonſt im Durchſchnitt die Polizeibezirke ſind — zu der Zeit, als der Einſturz vorgekommen iſt, zirka 70 Neubauten im Gange waren. Alle dieſe 70 Neubauten ſind neben den andern zahlreichen Aufgaben, die das eine Polizeirevier in der Fritſche⸗ ſtraße zu erfüllen hat, zu kontrollieren von der zu⸗ ſtändigen Baupolizeünſpektion und der Schutz⸗ mannſchaft, die gar nicht Zeit hat, im Laufe der Woche die Runde bei den 70 Neubauten zu machen. Es iſt z. B. von großer Wichtigkeit, feſtzuſtellen: iſt der Bau in der vorgeſchriebenen Zeit geputzt oder nicht? wird der Putz früher vorgenommen, als vorgeſchrieben iſt“ Die Polizei hat zu kon⸗ trollieren, ob die Baupolizeivorſchriften beobachtet werden, und je nachdem, ob das geſchieht, davon hängt die Standfeſtigkeit der Bauten ab. Eine eingehende Kontrolle iſt bei dem Mangel an Polizei⸗ beamten gar nicht denkbar in einem Bezirk, der eine ſo koloſſale Bautätigkeit hat. Ich möchte bitten, daß der Magiſtrat erwägt, b er nicht auch dieſen Fall bei den Verhandlungen verwenden kann. Stadtv. Gebert: Mich haben auch die Aus⸗ führungen des Herrn Bürgermeiſters intereſſiert, indem er ſagte: wir haben gar keinen Einfluß auf dieſe Bauten. Wir haben uns aber doch Einfluß vorbehalten auf die Bauten anläßlich der Bewilli⸗ gung der Gelder für den Kaiſerdamm! Dort haben wir uns doch ausbedungen, dabei mitzuwirken, wie die Faſſade geſtaltet werden ſoll uſw. (Zuruf vom Magiſtratstiſch.) Wenn wir da ſchon auf den Bauunternehmer ein⸗ wirken können: ſo und ſo ſind die Faſſaden aus⸗ zubauen, ſo würde es meines Erachtens doch wohl möglich ſein, neben der polizeilichen Baukontrolle vielleicht auch eine magiſtratliche Baukontrolle zu ſchaffen. Das wäre vielleicht ein Ausweg, und es iſt vielleicht möglich, daß wir nach dieſer Richtung hin einen guten Weg finden. Wenn ich in meiner Begründung die Urſachen des Unfalles nicht angeführt habe, ſo habe ich vor⸗ ausgeſetzt, daß der Herr Bürgermeiſter den Wort⸗ laut unſerer Anfrage genau kennt. Ich kann Ihnen auf Grund von Gutachten von Fachleuten mitteilen, daß beiſpielsweiſe die Parterrepfeiler dieſes Hauſes nicht zementiert waren, ſo daß ſie wieder abge⸗ tragen werden mußten. Die Vorderfrontmauer iſt um 5 em zu ſchwach aufgeführt worden, und man hat ſich geholfen, indem man vor der Front eine zweite Mauer aufgeführt hat, die gewiſſermaßen gar keinen Halt hatte; ſie iſt nicht mit der eigent⸗ lichen Mauer verbunden worden; die zweite Mauer iſt nicht aufgeführt worden auf einer beſondern Ausſchachtung, ſondern nebenbei auf einem ein⸗ fachen Sandboden aufgeführt worden. Die Treppen⸗ flurmauer iſt um 25 em zu ſchwach und auch auf Sand aufgeführt worden. Nun können Sie ſich ein Bild malen, wie unglücklich die ganzen Ver⸗ hältniſſe bei dieſem Bau lagen! Ja ſelbſt das Stein⸗ material, das verwendet worden iſt, iſt von der ſchlechteſten Art geweſen, ſo daß die Maurer die Verarbeitung dieſes Materials verweigert haben. Dann kommt noch eins hinzu, was auch eine gewaltige Rolle mitſpielt: das iſt das Akkordſyſtem. (Zuruf: bei den Liberalen: Tagelohn!) N ꝛen, der Bau iſt in Tagelohn durch Akkord⸗ maurer aufgeführt worden. (Lachen.)