— *„436 Erhöhung des Mindeſtwitwengeldes von 250 auf 300 rℳ — was auch in den Berliner Beſtimmungen nicht enthalten iſt. Sodann iſt die Frage des Rechtsanſpruchs ſehr ein⸗ gehend erörtert worden und hat zur Aus⸗ arbeitung von zwei neuen Entwürfen Ver⸗ anlaſſung gegeben ſowie ſchließlich zu dem Auftrage an das Statiſtiſche Amt, eine ein⸗ gehende Unterſuchung der Sterblichteitsverhält⸗ niſſe anzuſtellen, um verſicherungstechniſche Unterlagen zu ſchaffen, uſw. uſw. Alſo, meine Herren, man konnte an⸗ nehmen, daß man nun wirklich eine ſorgfältig aus⸗ gearbeitete Vorlage bekommen würde. Statt deſſen erhalten wir eine Mitteilung des Magiſtrats, daß er aus den und den Gründen nicht imſtande ſei, ſeine Verſprechungen zu erfüllen. Denn im Grunde genommen bedeutet doch die Vorlage, die aller⸗ dings einige tleine Vorteile bietet — das erkenne ich unumwunden an —,lediglich eine Entſchuldigung des Magiſtrats dafür, daß er nicht das getan hat, was er uns in Ausſicht ſtellte. Einige der bei der Etatsberatung gemachten Ver⸗ ſprechungen ſind ja erfüllt. So iſt als Beginn des ruhegehaltsfähigen Lebensalters das 17. Lebensjahr anſtatt des 25. angenommen — zweifellos ein Fort⸗ ſchritt. Von der in Ausſicht geſtellten Zur⸗Ruhe⸗ Setzung mit erreichtem 65. Lebensjahre ohne Er⸗ fordernis des Nachweiſes der Dienſtunfähigkeit erblicken wir in der Vorlage nichts, wie ſie ja auch eine ganze Reihe anderer Verſprechungen des Magiſtrats nicht erfüllt. Ja, die Vorlage ſtehi ſogar dann, wenn ſie m der vorliegenden Form von uns verabſchiedet iſt, noch in mancher Beziehung hinter den Ruhegehaltsbeſtimmungen in andern Gemeinden zurück. Als wir vor längeren Jahren die Reliktenverſorgung einführten, konnten wir mit Recht ſagen, daß wir ein Werk geſchaffen hatten, das beſſer war als das der übrigen norddeutſchen, der übrigen preußiſchen Gemeinden. Inzwiſchen aber haben die übrigen Gemeinden uns längſt überholt, und ſogar Berlin, auf das wir ja mit einem gewiſſen Gefühl hinüberblicken, das ich nicht näher bezeichnen will, — ſogar Berlin, das in dem Rufe ſteht, ſehr rückſtändig in ſozialer Beziehung zu ſein, iſt in der Gewährung von Ruhe⸗ und Witwen⸗ und Waiſengeld an ſtädtiſche Angeſtellte weit vor⸗ geſchrittener als wir. 4 Wir finden z. B. in der Vorlage, obwohl der Magiſtrat das als notwendig ertlärt h it, keine anderweitige Berechnung der Unterbrechungszeiten oder doch keine ausreichende Berechnung der Unterbrechungszeiten. Ich mache Sie darauf auf⸗ merkſam, wie dieſe Frage in Berlin geregelt iſt; ich halte das für einen außerordentlich wichtigen Punkt. Berlin hat in § §8 ſeines Ortsſtatuts die Beſtimmung, daß 142 2 ctr t Perſonen, die 15 Jahre oder länger ununter⸗ brochen im Dienſte der Stadt geſtanden haben, und denen das Arbeitsverhältnis aus Gründen getündigt wird, die nicht in ihrer Perſon liegen, ſolange ihnen eine anderweite, ihren Kräften entſprechende Beſchäftigung in einer andern ſtädtiſchen Verwaltung nicht gegeben werden kann, die Hälfte des Ruhe⸗ geldes erhalten, auch wenn ſie nicht dauernd arbeitsunfähig ſind. Im Falle des Todes eeines ſolchen Ruhegeldempfängers ſteht den KHinterbliebenen die Hälfte der Relikten⸗ 3 bezüge 311. 12 1472 4 . Dieſe Beſtimmung, die auf Antrag meiner Parteigenoſſen im Berliner Rathaus in die Vorlage aufgenommen worden iſt — der Magiſtrat hatte allerdings urſprünglich dem Beſchluſſe der Stadt⸗ verordneten ſeine Zuſtimmung verſagt, er hat ſich nachher, da die Berliner Stadtverordnetenver⸗ ſammlung feſt geblieben iſt, ſchließlich ihrem Votum gefügt — dieſe Beſtimmung iſt von außerordent⸗ 2. . Wichtigkeit. Sie betrifft die Perſonen, die 15 Jahre ununterbrochen im Dienſte der Stadt beſchäftigt ſind und aus Gründen, die nicht in ihrer Perſon liegen, alſo etwa aus Gründen des Arbeits⸗ mangels, nicht mehr beſchäftigt werden können. Dieſe Perſonen haben in Berlin ein gewiſſes An⸗ recht auf Entſchädigung. Wo haben wir in Char⸗ lottenburg etwas Ahnliches? Wenn bei uns jemand, der 16 Jahre im Dienſte der Stadt tätig iſt, infolge Arbeitsmangels entlaſſen wird, dann iſt er auf die Gnade des Magiſtrats angewieſen. Ich zweifle ja nicht, daß in einem ſolchen Falle der Magiſtrat mit einem Unterſtützungsgeſuch an die Stadt⸗ verordnetenverſammlung herantritt, und daß die Stadtverordnetenverſammlung ein ſolches Geſuch genehmigen würde; aber irgendein Gemeinde⸗ beſchluß, auf den er ſich ſtützen könnte, liegt nicht vor. Ich nehme an, daß der Ausſchuß, dem die Vorlage ja wohl überwieſen werden wird, ſich mit dieſer Frage beſchäftigt. Der Magiſtrat hat ferner eine Beſtimmung über die Anrechnung der Invaliden⸗ und Unfall⸗ rente in Ausſicht geſtellt. Auch davon finde ich nichts in der Vorlage. Zu begrüßen iſt der Erſatz des Gnadenmonats durch das Gnadenquartal. Ich erkenne unum⸗ wunden an, daß in dieſer Beziehung die Vorlage einen Fortſchritt im Vergleich zu andern preu⸗ ßiſchen Gemeinden bedeutet. Ebenſo bedeutet die Heraufſetzung des Mindeſt⸗ witwengeldes von 250 auf 300 ℳ einen Fortſchritt. Bedauerlich iſt es, daß auch diesmal die Frage der Gewährung eines Rechtsanſpruches nicht gelöſt iſt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemorraten.) Erörtert iſt ja die Frage des langen und breiten im Ausſchuß des Magiſtrats und im Magiſtrat ſelbſt; aber ſie iſt zu keinem Abſchluß gekommen. Der Magiſtrat führt nun Entſchuldigungs⸗ gründe dafür an, daß nicht mehr geboten iſt, Ent⸗ ſchuldigungsgründe, die ich von meinem Stand⸗ punkt aus in keiner Weiſe gelten laſſen kann. Der Magiſtrat beruft ſich darauf, daß eine reichsgeſetz⸗ liche Witwen⸗ und Waiſenverſorgung in Ausſicht ſteht, daß ein Geſetz über die Verſicherung der Privatangeſtellten verheißen iſt, und daß auch eine Reform der Invaliden⸗ und Krankenverſicherung zu erwarten iſt. Meine Herren, es trifft zweifellos zu, daß die drei genannten Geſetzentwürfe in Aus⸗ ſicht geſtellt ſind. Aber das hat doch der Magiſtrat bereits gewußt, als er uns bei der Etatsberatung ſein Programm entworfen hat! War dem Magiſtrat denn unbekannt, daß ſchon damals genan ſo gut wie heute feſtſtand, daß die reichsgeſetzliche Witwen⸗ und Waiſenverſorgung mit dem 1. Januar 1910 in Kraft treten ſoll“ Das iſt ja bereits bei der Ver⸗ abſchiedung des Zolltarifes beſchloſſen worden. Auch die Bewegung der Privatangeſtellten und die Abſicht der Reichsregierung, den Privatangeſtellten zu Hilfe zu kommen, ſind durchaus nicht neueren Datums. Bei der Wahlbewegung im Jahre 1907 haben bekanntlich die Verſprechungen der Re⸗