— 466 — inſofern, als beiſpielsweiſe Berlin, ohne ſich um die Entwicklung der Geſetzgebung zu kümmern, dieſen Paſſus in ſein Ortsſtatut aufgenommen hat. Ich ſollte meinen, wir könnten auch hier dieſem Antrage, den unſere Freunde im Ausſchuß geſtellt haben, voll und ganz zuſtimmen. Wir geben den Arbeitern damit gewiſſermaßen doch etwas, woran ſie ſich halten können. Es wird ja geſagt, in unſeren Betrieben komme eine derartige plötzliche Ent⸗ laſſung oder, ſagen wir, ungerechte Entlaſſung nicht vor. Aber wir dürfen doch nicht vergeſſen, daß an die Stelle des heutigen Magiſtrats ein anderer treten kann, daß auch ein neues Stadtverordnetenkollegium an die Stelle des bisherigen treten kann, und wenn dann Entlaſſungen vorkommen, ſo wird der neue Magiſtrat oder das neue Kollegium einfach ſagen: das iſt nicht beſchloſſen worden, das liegt nicht im Ortsſtatut vor. Der Herr Bürgermeiſter ſagte in der letzten Sitzung, daß eine Entlaſſung von Arbeitern, die lange Jahre bei uns beſchäftigt wären, überhaupt nicht ſtattfinde, ſondern man prüfe und bringe ſie irgendwo unter, wo ſie weitere Be⸗ ſchäftigung erhalten können. Von meinem Kollegen Wilk wurde ein Zwiſchenruf bei dieſer Stelle ge⸗ macht, und ich glaube, der Zwiſchenruf war be⸗ rechtigt. Denn es werden oftmals Entlaſſungen vorgenommen, und ein Unterbringen anderswo gibt's nicht. Deshalb ſagten wir uns bei unſerem Antrage: wir müſſen doch den Arbeitern unter allen Umſtänden eine Gewähr bieten. Alſo, meine Herren, ſo freundſchaftlich wir auch den Beſchlüſſen des Ausſchuſſes gegenüberſtehen, der Überzeugung ſind wir doch: wir hätten hier be⸗ deutend weiter gehen können, als die Magiſtrats⸗ vorlage geht. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich hätte ja keine Veranlaſſung, auf die Ausführungen des Herrn Stadtv. Gebert zu erwidern, da er einen förmlichen Antrag in dem Sinne des hier ab⸗ gelehnten Ausſchußantrags nicht geſtellt hat. Aber ein Teil ſeiner Ausführungen zwingt mich doch zu einer Entgenung Wenn es ſchon dem Herrn Stadtv. Wilk, von dem ich jetzt höre, daß er neulich den Zwiſchenruf getan hat: „Sie werden vorher raus⸗ geſchmiſſen!“, auf meine Frage, er möge Beiſpiele nennen, nicht möglich war, dieſe ſofort zu präſen⸗ tieren, ſo meine ich, es war Pflicht des Herrn Stadtv. Gebert, heute gerade, wo er Gelegenheit hatte, ſich auf den Vorwurf, den er dem Magiſtrat machte, vorzubereiten, derartige Beiſpiele zu nennen. Ich beſtreite auf das allerentſchiedenſte, daß die Aus⸗ führungen des Herrn Stadtv. Gebert nach dieſer Richtung hin zutreffen, und ich fordere ihn auf, Beiſpiele zu nennen. Stadtv. Wilk: Meine Herren, als in der letzten Sitzung über dieſelbe Sache hier verhandelt wurde, äußerte ſich der Herr Bürgermeiſter Matting darüber, daß die Arbeiter, ſobald ſie zehn Jahre in ſtädtiſchen Dienſten wären, in den Genuß der Reliktenverſorgung kämen. In einem Zwiſchenruf bezweifelte ich das; ich bemerkte, daß die Leute einfach ſchon vorher bei irgendeiner Gelegenheit entlaſſen würden. Ich möchte Ihnen heute nur mit einem einzigen Falle dienen, der Ihnen be⸗ weiſen ſoll, daß tatſächlich ſolche Fälle vorkommen. Es handelt ſich um einen Arbeiter bei der ſtädtiſchen Gasanſtalt, und zwar den Arbeiter Ernſt Dolle. Der Mann iſt in der Zeit vom 19. April 1901 bis zum 8. Januar 1908, alſo ca. 8 Jahre beſchäftigt geweſen. Er erlitt in der Gasanſtalt einen Betriebs⸗ unfall und wurde auf Grund dieſes Betriebs⸗ unfalls entlaſſen. Nun, meine Herren, es iſt jeden⸗ falls doch, moraliſch gedacht, nicht ſehr ſchön, wenn man einen Menſchen, der ſeine Knochen in einem Betriebe zu Markte getragen hat, einfach mir nichts dir nichts auf das Straßenpflaſter wirft. Ich habe die Papiere eingeſehen. Der Mann hat ſich in der ernſthafteſten Weiſe bemüht, bei einer anderen Verwaltungsſtelle der Stadt unterzukommen; es war ihm nicht möglich. Er iſt heute nur noch zum Teil arbeitsfähig. Ich gebe ja zu, daß er nicht mehr für den Betrieb der ſtädtiſchen Gasanſtalt arbeits⸗ fähig ſein wird; aber es wäre doch jedenfalls bei einigermaßen gutem Willen leicht möglich geweſen, den Mann in irgendeinem andern Betriebe unter⸗ zubringen. Wir haben doch Betriebe in unſerer ſtädtiſchen Verwaltung, wo es auf beſondere Körper⸗ kraft nicht ankommt. 3. B. läßt ſich doch wohl bei der Parkverwaltung ſolch ein Mann unterbringen. Dieſer Dolle lag nun ſeinerzeit im ſtädtiſchen Krankenhauſe auf Weſtend. Er hört, daß dort oben der Nachtwächter geſtorben ſei, und denkt: das iſt ja eine leichte Stellung, darum werde ich mich bemühen. Er wendet ſich an die Armendirektion — es iſt ja eine eigenartige Erſcheinung bei uns, daß, wenn unſere Arbeiter entlaſſen ſind, ſie im geſchäft⸗ lichen Verkehr auf die Armendirektion angewieſen ſind —, er bringt bei der Armendirektion ſein An⸗ liegen vor und ſagt: ich möchte mich um die Nacht⸗ wächterſtelle im ſtädtiſchen Krankenhauſe auf Weſt⸗ end bewerben. Da wurde ihm von dem betreffenden Beamten der liebliche Beſcheid zuteil: „Was geht uns das an, wenn Sie im Krankenhaus Nacht⸗ wächter werden wollen.“ Hübſch iſt das nicht. Es wäre wünſchenswert, daß ſich die Leute Arbeitern gegenüber eines anderen Tones befleißigen würden. Ich hätte noch weitere Fälle, Herr Bürger⸗ meiſter Matting, anzuführen; da ſie aber nicht in direktem Zuſammenhange mit der gegenwärtigen Vorlage ſtehen, ſo werde ich mir erlauben, bei der nächſten Etatsberatung auf die einzelnen Fälle noch beſonders zurückzukommen. Bürgermeiſter Matting: Da wir noch weiter über dieſe Angelegenheit diskutieren werden, und da es nicht ſehr angebracht iſt, hier im Plenum auf den Fall im einzelnen einzugehen — jedenfalls wäre das nicht im Intereſſe des betreffenden Mannes —, ſo begnüge ich mich damit, hier feſtzu⸗ ſtellen, daß dieſer Fall in keiner Weiſe geeignet iſt, die Vorwürfe, die die Herren Stadtv. Wilk und Gebert dem Magiſtrat gegenüber erhoben haben, zu begründen. Stadtv. Gebert: Meine Herren, ich weiß nicht, wie der Herr Bürgermeiſter in meinen Aus⸗ führungen einen Vorwurf hat finden können. Ich kann keinen Vorwurf darin erblicken; denn ich habe nur ausgeführt, daß der jetzige Magiſtrat eine wohl⸗ wollende Stellung einnimmt und nach den Aus⸗ führungen des Herrn Bürgermeiſters in der letzten Sitzung auch dafür ſorgen wird, daß Entlaſſungen nicht ſtattfinden werden. Ich habe aber weiter geſagt: der Magiſtrat bleibt nicht immer in derſelben Zuſammenſetzung; ebenſo wie das Stadtverord⸗ netenkollegium, und es können daher derartige Zuſtände eintreten. Mein Kollege Wilk hat ja bereits einen ſolchen Fall angeführt. Ich will nur