ſchaffen, die es ihnen ermöglicht, ſelbſt in Zeiten der unverſchuldeten Arbeitsloſigkeit anſtändig und unentrechtet durchs Leben zu kommen. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, be⸗ züglich der letzten Ausführungen des Herrn Kollegen Zietſch darf ich wohl auf den Artikel in den Zeitungen über die Arbeitsloſen in Glasgow hinweiſen. Ich glaube, viele von Ihnen werden es geleſen haben, zu welchen merkwürdigen Erſcheinungen eine Für⸗ ſorge für Arbeitsloſe, die eine einzelne Stadt vor⸗ nimmt, führen kann. (Stadtverordneter Zietſch: Haben Sie auch den Vortrag von Dominicus geleſen?) Aber im übrigen befinde ich mich mit dem Herrn Kollegen Zietſch in gewiſſer Übereinſtimmung, inſofern als ich auch für eine weitere Ausdehnung der Notſtandsarbeiten zu haben wäre. Ich glaube, wir können Herrn Stadtrat Samter und den übrigen Magiſtratsmitgliedern dankbar ſein, daß ſie Wege gefunden haben, um durch Notſtandsarbeiten, alſo durch wirkliche Arbeit, der Arbeits⸗ loſigkeit entgegenzutreten. Aber ein Punkt könnte noch in das Programm aufgenommen werden, den ich ſchon früher einmal hervorgehoben habe: ich denke daran, daß in unſern älteren Stadtteilen hier und dort nicht ſo ſchöne Zuſtände auf der Straße herrſchen, wie wir ſie wünſchen können. Denken Sie z. B. an Weſtend, an den Spandauer Berg; ja, meine Herren, die Birkengruppen da ſind wunderſchön, aber daß gerade der Untergrund zwiſchen den Bäumen ſauber und ſchön iſt, werden Sie auch nicht finden; die Urſache davon liegt darin, daß die definitive Regelung jener Gegend noch nicht hat vorgenommen werden können. Ahnlich iſt es an andern Stellen der Stadt. Nun liegt es nahe, in ſolchen Zeiten, wo wir Notſtands⸗ arbeiten ausführen laſſen, eine proviſoriſche Regelung dort vorzunehmen: ein ordentliches Aufharken, e ine Bepflan zung eventuell — die würde ja für das Frühjahr erſt in Frage kommen können — eine pro⸗ viſoriſche Pflaſterung mit kleinen Moſaikſteinen uſw. Ich glaube, wenn ſyſte⸗ matiſch die ganze Stadt nach dieſem Geſichtspunkte betrachtet wird, die ganzen Straßen durchgegangen werden, ſo werden wir eine ganze Reihe von Stellen finden, wo noch Notſtandsarbeiten durch⸗ geführt werden könnten, ſoweit die winterliche Witterung es erlauben wird. (Die Beratung wird geſchloſſen.) 475 Die ungünſtige Lage des Arbeitsmarktes geht nicht nur aus den Feſtſtellungen des ſtädtiſchen Arbeitsnachweiſes und aus dem Rückgang der Mitgliederzahl der hieſigen Krankenkaſſen hervor; auch die Statiſtit der Armenverwaltung läßt hierüber keinen Zweifel. Während im Jahre 1907 vom 1. Januar bis 30. September nur in 200 Fällen Unterſtützungen wegen Arbeitsloſigkeit gezahlt werden mußten, iſt dieſe Zahl in derſelben Zeit des Jahres 1908 auf nicht weniger als 621 Fälle angewachſen; die Zahl der Unterſtützungsgeſuche überhaupt, die einen ziemlich ſicheren Maßſtab für die beſtehende Notlage abgeben, iſt in den erſten 6 Monaten des Rechnungsjahres — April bis September — von 3437 im Jahre 1907 auf nicht weniger als 5422 im Jahre 1908 geſtiegen, aller⸗ dings ein unerhörtes Anwachſen, aus dem Herr Kollege Zietſch die richtigen Folgerungen gezogen hat. Und da der Magiſtrat ja, wie es dankbar an⸗ erkannt werden muß, ſofort jetzt ſchon dafür ein⸗ getreten iſt, daß Notſtandsarbeiten in Angriff ge⸗ nommen werden ſollen, ſo können vielleicht die Anregungen des Herrn Kollegen Stadthagen be⸗ rückſichtigt werden, und es wird ſich dannGelegenheit bieten, noch mehr als den 260 Arbeitern Be⸗ ſchäftigung zu geben, von denen Herr Kollege Zietſch geſprochen hat. Ich möchte aber mit Bezug auf die Geſamt⸗ vorlage darauf hinweiſen, daß die Erhöhung der Laſten des Armenetats doch nicht bloß oder aus⸗ ſchließlich auf die Arbeitsloſigkeit geſtützt worden iſt. Meine Herren, die Vorlage ergibt, daß dieſe Laſten gewachſen ſind insbeſondere auch infolge der faſt unerſchwinglichen Teuerung der Lebens⸗ mittel, die uns zur Teuerungszulage beſtimmt hat. Wir wiſſen, daß die Lebensverhältniſſe zurzeit ſo außerordentlich ſchlecht ſind, daß nicht nur der arme Mann, ſondern auch der Mittelſtand ſich quälen muß, um ſich über Waſſer zu halten. Sie ſehen daraus, woher es kommt, daß die einzelnen Poſitionen des Armenetats erhöht werden mußten. Hinweiſen möchte ich beſonders auf die Po⸗ ſition 4: Erhöhung der Ausgaben für Heilmittel (Arzneien, Milch, Krankenkoſt), welche namentlich durch zahlreiche Fälle von Unterernährung bei Kindern hervorgerufen worden iſt. Und ferner auf Poſition 3: Geburtshilfe. Die Gebühren für die Entbindungen ſind im vorigen Jahre von 12 auf 16 ℳ« erhöht worden, und außerdem iſt auch eine Zunahme der Geburten bei den Armen konſtatiert „worden — eine ganz erfreuliche Tatſache, die uns jedenfalls nicht Veranlaſſung geben wird, bei dieſer Poſition etwas abzuzwacken. Ich glaube daher, daß der Dispoſitionsfonds nicht beſſer als zur beantragten Verſtärkung der in Frage ſtehenden Etatsnummern verwendet werden kann. (Die Verſammlung beſchließt nach dem An⸗ trage des Magiſtrats, wie folgt: Die nachſtehenden Etatsnummern des Armenetats Ordinarium für 1908 werden um die bei den einzelnen Nummern an⸗ gegebenen Beträge aus dem Dispoſitions⸗ fonds verſtärkt: 1. v—1—1a — Bare Unter⸗ ſtützungen — um 2. v—1—2a—e— Pflegegelder— um nae n 22 000 „ Seite 77 50) ½