493 — vorhin geäußert habe, iſt dadurch ja beſtätigt Herrenhauſe. worden, daß wir in nächſter, abſehbarer Zeit zu einer Regelung dieſer Fragen in Charlottenburg gar nicht kommen werden, wenn, wie ich annehme, die Mehrheit der Stadtverordnetenverſammlung den Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters Folge geben und ihnen Rechnung tragen wird. Denn vorläufig iſt noch gar nicht abzuſehen, wann überhaupt die Vorlagen im preußiſchen Landtage unter Dach und Fach gebracht ſein werden. Man ſpricht davon, daß es noch vor Weihnachten der Fall ſein ſoll; daran iſt aber nicht mit aller Be⸗ ſtimmtheit zu glauben; es kann ſich bis nach Weih⸗ nachten, vielleicht lange nach Weihnachten hinziehen. Es iſt nun ein ganz unglückſeliger Zuſtand, in dem wir uns jetzt befinden. Wir befinden uns aber nicht nur in dieſer Sache in einem fortwähren⸗ den Proviſorium; ich erinnere daran, was der Herr Bürgermeiſter ja auch ſchon berührt hat, daß wir ebenſo in der Frage der Reliktenverſorgung der Arbeiter und Beamten in ein Proviſorium gedrängt worden ſind; ja, wir ſind auch bei anderen Anregungen vom Magiſtrat mit dem Einwande befriedigt worden, daß es hieß: wir müſſen abwarten, was im Reich und Staat geſchieht, um uns danach einzurichten. Nun hoffe ich ja auch, daß unſererſeits mit möglichſter Schnelligkeit gearbeitet werden kann, ſelbſt wenn wir das Geſetz im preußiſchen Staate abwarten. Da würde ich vor allen Dingen auch den Wunſch des Herrn Kollegen Otto unterſtützen, daß wir ganz unabhängig davon, wie ſich die Vor⸗ lagen im preußiſchen Landtage geſtalten werden, in welche Faſſung das Geſetz im preußiſchen Staate gegoſſen werden wird, uns hier in Charlottenburg mit den von der Vorlage unabhängigen Vorarbeiten beſchäftigen ſollen, und da denke ich in erſter Reihe, wenn ich auch das Lehrerbeſoldungsgeſetz zu meinem größten Bedauern gänzlich ausgeſchaltet ſehen muß, daran, daß in bezug auf die Erhöhung der Gehälter der Beamten ein weiterer Spielraum gelaſſen iſt. Herr Kollege Otto hat angeregt und an⸗ gedeutet, ob es nicht ratſam wäre, gegen dieſes urreaktionäre Lehrerbeſoldungsgeſetz nachdrücklich zu proteſtieren. Ich ſtimme den Ausführungen des Herrn Kollegen Otto vollinhaltlich bei: es hat wohl ſelten eine geſetzgeberiſche Maßnahme gegeben, die in Preußen in den letzten Jahren vorbereitet und durchgeführt worden iſt, die einen ſo urreaktionären, kulturfeindlichen Charakter ge⸗ tragen hat, wie gerade dieſe Vorlage. Es wird tatſächlich dem bisherigen Aufſchwung der Volks⸗ ſchule in den Städten mit aller Kraft zu Leibe gegangen. Aber dagegen dürfte ein vereinzelter Proteſt einer Stadt keine Wirkung haben. Man wird im preußiſchen Abgeordnetenhauſe ſo wenig darauf geben wie im preußiſchen Herrenhauſe. Wir haben ja ſchon mehrere Male hören müſſen, wenn die Herren von den bürgerlichen Parteien Hoffnungen darauf ſetzten, daß ſogar unſer Ober⸗ bürgermeiſter im preußiſchen Herrenhauſe iſt, daß es deswegen auch nicht beſſer werden könnte. In den Verdacht ſetzt ſich ja unſer Oberbürgermeiſter nicht, daß er gar zu radikale Anſichten vertritt; aber ſelbſt wenn er es täte, würde er in dieſem Falle ein einzelner ſein. Doch im günſtigſten Falle teilt er ſeine gemäßigt radikalen Anſichten mit einigen anderen Oberbürgermeiſtern. Doch auch ſie bilden dann nur ein recht kleines Häuflein im Da würde der Proteſt, der dort im Herrenhauſe eingelegt werden könnte, eben⸗ ſowenig nachdrückliche Wirkung haben, als wenn wir dem preußiſchen Abgeordnetenhauſe gegenüber durch Petitionen oder Proteſte unſerem Unwillen gegen dieſe Geſetzvorlage Ausdruck verleihen wollten. Was ich für notwendiger halte, wäre nicht ein vereinzelter Proteſt irgendeiner Stadt⸗ verwaltung, ſondern es hätte ein Maſſenproteſt entfeſſelt werden müſſen in den weiteſten Kreiſen des Volkes ſelber, gerade in den Kreiſen, die an der geſunden Ausgeſtaltung der Volksſchule am meiſten intereſſiert ſind. Man hätte ſich an die weiteſten Schichten der Bevölkerung wenden müſſen; denn die neue Lehrerbeſoldungsvorlage der preußi⸗ ſchen Regierung iſt zugleich ein Attentat auf die geiſtigen Intereſſen der ganzen unteren Bevölkerung Aber abgeſehen von dieſem Appell an das Volk hätte man ſich an die Lehrerſchaft wenden müſſen. Wenn die ganze Lehrerſchaft etwas geſchloſſener auftreten würde, wenn die Rivalität nicht exiſtierte zwiſchen Landlehrern und Stadtlehrern, hätte ſchon vieles geſchehen können, hätte vieles erreicht werden können gegenüber der preußiſchen Regie⸗ rung. Aber an dieſer Einigkeit in den meiſt⸗ intereſſierten Kreiſen, bei den Lehrern, fehlt es, und ſolange es daran fehlt, wird die Regierung noch Kreiſe genug finden, auf die ſie ſich mit ihren volksfeindlichen Anregungen ſtützen kann. 2 Doch abgeſehen von der preußiſchen Lehrer⸗ beſoldungsvorlage, abgeſehen von der nicht mög⸗ lichen vereinzelten kommunalen Regelung der Beamtengehaltsfrage, halte ich es doch für not⸗ wendig, daß zu den Vorarbeiten, die jetzt geleiſtet werden können, in erſter Reihe die Feſtſetzung der Lohnverhältniſſe der ſtädtiſchen Arbeiter gehören muß. Dieſe werden in keiner Weiſe berührt durch irgendwelche ſtaatliche geſetzliche Maßnahmen. Und von der Notwendigkeit und Möglichkeit der baldigen endgültigen Regelung der Arbeitslöhne in Charlottenburg kann mich auch nicht der Einwand zurückhalten, den der Herr Bürgermeiſter angeführt hat, daß durch dieſe endgültige Regelung die Arbeiter vielleicht nicht beſſer geſtellt werden würden. Das Proviſorium verſchafft jetzt wenigen von ihnen eine Verbeſſerung ihres Einkommens von 16,67%. Herr Kollege Otto hat geſagt, das ſei verhältnismäßig viel. Dieſe Redewendung des Herrn Kollegen Otto iſt wohl nur ſo zu verſtehen, daß es im Vergleich zur Ver⸗ beſſerung bei den höheren Einkommen verhältnis⸗ mäßig viel iſt. Herr Kollege Otto wollte doch zweifellos nicht ſagen, daß dieſe Aufbeſſerung von 16,67% die Verteuerung der Lebensmittel wett zu machen vermag? (Stadtv. Otto: Nein; ſie iſt nicht zu hoch!) Dann haben Sie ſelbſtverſtändlich recht; dieſe 16,67% der Einkommensverbeſſerung der Arbeiter entſprechen bei weitem nicht der Verteuerung der Lebensmittel, der Ausgaben für Kleidung, Miete uſw., die eine durchſchnittliche Erhöhun um 30 bis 35% erreicht haben. Aber die ſtädtiſchen Arbeiter würden auch durchaus nicht vor einer baldigen Regelung dieſer Frage zurückſchrecken, ſelbſt wenn ihnen dieſe endgültige Regelung nicht eine höhere Einkommensverbeſſerung geben würde, als das Proviſorium es getan hat. Auch die Arbeiter empfinden das Proviſorium als einen unſicheren Zuſtand, und wenn auch für die Beamten