uns durchaus klar werden müſſen, daß in der Zukunft mit dem Betrag von 3 000 ℳ. wohl kaum das Auslangen gefunden werden kann. Wenn ich mir noch einen Wunſch geſtatten darf, einen Wunſch, den ich insbeſondere auch dem hier in erſter Linie maßgebenden Dezernenten des Magiſtrats vortragen möchte, ſo wäre es der, doch dafür Sorge tragen zu wollen, daß eine wenn auch nur beſcheidene juriſtiſche Ausbildung inbe⸗ ſondere und in erſter Linie der berufsmäßigen Pfleger und Pflegerinnen, dann aber auch in zweiter Linie der freiwilligen Helfer, Damen und Herren, ſtattfinde. Ich möchte namentlich darauf hinweiſen, daß nach dem Entwurf der Straf⸗ prozeßordnung, teilweiſe ſchon nach heutigem Recht, der Pfleger der Beiſtand des Angeklagten in der Hauptverhandlung ſein ſoll; und es iſt vollſtändig klar, wenn jemand nicht die leiſeſte Ahnung von den Beſtimmungen des geltenden Rechtes hat, er unter Umſtänden beim beſten Willen und dem wärmſten Herzen mehr ſchaden als nutzen kann. Solche Kurſe, zu deren Abhaltung ſich unſere jungen praktiſchen Juriſten ſicher ſehr gern bereit finden laſſen werden, ſind bereits an einigen Orten ein⸗ gerichtet; es würde ſehr gut möglich ſein, auch in Charlottenburg zu einer ſolchen Einrichtung zu kommen. Ich möchte Sie bitten, meine Herren, dieſe Vorlage des Magiſtrats, die ich mit größter Freude begrüße, möglichſt einhellig annehmen zu wollen. Stadtv. Zietſch: Mit der Vorlage ſind meine Freunde im allgemeinen einverſtanden, wie wir ja auch ſeinerzeit den Antrag auf Errichtung eines Jugendgerichts mit unterſtützt haben. Was uns aber an dieſer Vorlage nicht gefällt, iſt, daß die Stadt reſp. eine Privatgeſellſchaft die weiteren Arbeiten für dieſe Einrichtung übernehmen ſoll. Nach unſerer Auffaſſung iſt es in erſter Linie die Pflicht des Staates, alles zu tun, was zur Errichtung und Fort⸗ führung der Inſtitution der Jugendgerichtshöfe notwendig iſt. Wenn der Staat dieſe Aufgabe nicht erfüllt, ſo kommt freilich in zweiter Linie die Gemeinde in Betracht. Und da ſind wir der Anſicht, daß die Gemeinde dieſe Arbeit nicht einer privaten Vereinigung übertragen, ſondern beſtrebt ſein ſollte, ſie ſelbſt auszuführen. Es mag ja nun gelten, was der Herr Referent geſagt hat, daß es ſich vorläufig nur um ein Proviſorium handelt und daß die private Geſellſchaft, die „Vereinigung für Wohlfahrtsbe⸗ ſtrebungen“, nach einer gewiſſen Zeit ſowieſo durch die Stadt abgelöſt werden ſoll. Wenn es ſich aber um ein Proviſorium handelt — und wir laſſen in gewiſſer Beziehung verſchiedene Gründe dafür gelten —, dann darf es nach unſerer Anſchauung nur ein ganz kurzfriſtiges Proviſorium ſein, es darf nur ſo lange dauern, bis die Stadt ſelbſt imſtande iſt, die erforderlichen Fürſorgearbeiten durchzuführen, d. h. bis die betreffenden Beamten, die dafür beſtimmt worden ſind, ſich daran gewöhnt haben, dieſe Auf⸗ gaben zu erfüllen. Ich kann aber das nicht unter⸗ ſtreichen, was auch der Herr Referent als richtig hingeſtellt hat, daß man durch dieſe private Ver⸗ einigung erſt die Verſuche anſtellen laſſen foll, um nachher darauf die Stadt weiter bauen zu laſſen. Ich habe die gegenteilige Auffaſſung, daß es für die Stadt nützlich wäre, wenn ſie Er⸗ fahrungen durch eigene Verſuche ſammelt. Je eher die Stadt die Jugendlichen⸗Fürſorge und die Jugend⸗ gerichtshilfe übernimmt, je eher iſt für die ſtädtiſchen 527 Körperſchaften eine Kontrolle über die Ausführung dieſer Tätigkeit gegeben. Keineswegs dür⸗ fen aber — den Standpunkt hat auch der Herr Referent vertreten — Sparſamkeitsrück⸗ ſichten für die Stadt maßgebend ſein, um dieſe Fürſorge für Jugendliche einer privaten Ver⸗ einigung zu übertragen. Wenn uns jetzt in der letzten Zeit mit beſonderem Nachdruck die Mahnung zu ſparen ans Herz gelegt worden iſt, ſo geht uns dieſe Aufforderung in dieſer Beziehung gar nichts an. Es würde das Verkehrteſte ſein, wenn man hierbei zu ſparen anfangen wollte. Wenn in der Begründung des Magiſtrats geſagt wird, die Privatvereinigung könne ſo billig arbeiten, wie es der Stadt gar nicht möglich wäre, ſo finde ich die Erklärung für dieſes billigere Arbeiten nicht in der vielleicht größeren Okonomie der Privatvereinigung begründet, ſondern dadurch ermöglicht, daß die Leute, die damit beauftragt werden, dieſe Aufgabe zu er⸗ füllen, viel zu gering bezahlt werden. Es heißt in der Vorlage, daß für die beiden Leute, die mit der Arbeit betraut werden — ein Herr und eine Dame kommen in Frage —, ein Jahresgehalt von zuſammen 2 500 ℳ gezahlt werden ſoll. Ich meine, die Aufgaben, die dieſe beiden Leute, die Dame und der Herr, zu erfüllen haben, ſind ſo verant⸗ wortungsreich, ſo ſchwierig, daß es geradezu un⸗ glaublich erſcheint, die Leute ſo gering zu bezahlen. An den Herrn wie an die Dame müſſen doch zum mindeſten die Anſprüche der Qualifikation eines Lehrers bzw. einer Lehrerin geſtellt werden. Man würde ſich aber mit Recht ſcheuen, einen Lehrer oder eine Lehrerin in dieſer ungenügenden Weiſe zu entlohnen. Wie ich privatim erfahren habe, iſt auch der betreffende Herr, der zu dieſer Arbeit auserſehen worden iſt, mit einer höheren Bildung ausgeſtattet. Ich begreife es deswegen um ſo weniger, daß eine verhältnismäßig ſo geringe Be⸗ zahlung für dieſen Poſten in Ausſicht genommen iſt. Wenn das ſo weiter geht, dann können dieſe beiden Helfer nur halbe Arbeit leiſten; denn es iſt nicht zu verlangen, daß für eine Entſchädigung von 1 500 bzw. 1 000 ℳ im Jahre jemand ſeine ganze Kraft in den Dienſt einer ſolchen Sache ſtellt, die ungemein aufregend iſt und auch aufreibend ſein muß. Da in der Begründung des Magiſtrats gar kein Hinweis darauf enthalten iſt, wann die Stadt die Fürſorge eventuell ſelbſt übernehmen will, ſo ſtellen meine Freunde hiermit folgenden Antrag: Die durch die Errichtung eines Jugendgerichts erforderlich gewordene Jugendgerichtshilfe und die dadurch entſtandene Fürſorge für Jugendliche iſt ſpäteſtens vom 1. April 1909 ab durch die Stadt auszuüben. Bis zur Über⸗ nahme dieſer Tätigkeit durch die Stadt iſt der „Vereinigung der Wohltätigkeitsbeſtrebungen“ eine entſprechende Vergütung zu gewähren. Ich bitte Sie, im Intereſſe der guten Sache dieſen Antrag anzunehmen. Denn nur, wenn die Stadt die Erfüllung dieſer für die Jugend ſo bedeutungs⸗ vollen Aufgabe ſelbſt in die Hand genommen hat, kann wirklich etwas dauernd Gutes erreicht werden. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtrat Seydel: Eine Übernahme auf die Stadt ſchon vom 1. April 1909 ab wird ſich kaum durchführen laſſen. Es würde ſich dann ja auch erübrigen, über die Vorlage abzuſtimmen, wenigſtens über ihren größeren Teil, da ja ihr Haupt⸗ inhalt die Forderung eines Beitrags an die Vereini⸗