528 — gung für das Etatsjahr 1909 bis 1910 iſt. Ich glaube der Wohlfahrtsbeſtrebungen iſt vielfach ſo delikater auch nicht, daß der Magiſtrat, abgeſehen von dieſer Erwägung, dazu kommen würde, von ſeinem Standpunkt abzugehen. Es iſt ein weſentlicher Vorzug dieſer Privatvereinigung, daß ſie eine Anzahl im Wohlfahrtsdienſt geübter freiwilliger Hilfskräfte zur Verfügung hat, die in der Lage und bereit ſind, einzuſpringen, wenn die Arbeit ſich häuft und die bezahlten Kräfte nicht ausreichen. Das hat ſich bisher durchaus bewährt. Die Stadt hat ſolche Kräfte nicht zur Verfügung. Es würde uns deshalb ſehr ſchwer fallen, ſchon jetzt eine Organi⸗ ſation zu ſchaffen, die einigermaßen das erfüllte, was die Vereinigung mit Leichtigkeit leiſten kann. Ich möchte daher bitten, von der Annahme des An⸗ trags Zietſch abzuſehen. Was die Gehälter betrifft, ſo möchte ich be⸗ merken, daß erſt kürzlich eine Erhöhung des Gehalts für beide Beteiligte eingetreten iſt, und daß ſelbſtverſtändlich mit dem Wachſen der Arbeit auch eine weitere Erhöhung wird ein⸗ treten müſſen. Wir haben uns jedenfalls als Magiſtrat nicht um die Gehaltsverhältniſſe der Angeſtellten des Vereins in dem Sinne zu kümmern, daß wir einen Druck ausüben, (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Doch!) — wenigſtens glaube ich nicht, daß es in dieſem Falle nötig ſein wird, da der Verein ſelbſt am beſten in der Lage iſt, die Arbeitsleiſtung ſeiner Ange⸗ ſtellten zu beurteilen, und — davon bin ich über⸗ zeugt — wenn es nötig iſt, auch die Gehälter ſo erhöhen wird, wie es der zu leiſtenden Arbeit ent⸗ ſpricht. Der Verein arbeitet ja in verſchiedener Beziehung mit uns und hat ſich in jeder Hinſicht ſo bewährt, daß wir keinen Grund haben, in dieſem Punkte Mißtrauen zu hegen. Zum Schluß möchte ich noch bemerken: Es wird bekanntlich die ganze Organiſation des Straf⸗ prozeſſes zurzeit einer Umarbeitung unterzogen. Wann die in Ausſicht geſtellte Novelle zur Straf⸗ prozeßordnung dem Reichstage zugehen wird, iſt bisher noch nicht bekannt: aber ich nehme an, daß es in nicht zu langer Zeit geſchehen wird. Da wird dann auch das Thema der Jugendgerichte eingehend behandelt und dieſe werden voraus⸗ ſichtlich ganz anders als bisher ausgeſtaltet werden. Dann wird auch der Zeitpunkt gekommen ſein, wo die Stadtgemeinde daran denken kann, die Arbeit allein zu übernehmen. Im Augenblick möchte ich jedenfalls bitten, davon abzuſehen. Stadtv. Wöllmer: Meine Herren, auch ich möchte bitten, den Antrag des Herrn Kollegen Zietſch nicht anzunehmen. Wir haben keinerlei Veranlaſſung, uns heute ſchon auf dieſen Antagf hin feſtzulegen, ſondern ich halte es für zweckmäßiger, erſt die Entwicklung dieſer Dinge abzuwarten. Herr Kollege Zietſch unterſchätzt, wie mir ſcheint, doch den Wert dieſer Vereinigung der Wohltätig⸗ keitsbeſtrebungen. Die Heranziehung freiwilliger Hilfskräfte in den Dienſt der Stadt liegt im Geiſte der Städteordnung, wir müſſen meiner Anſicht nach gerade die Bürgerſchaft immer mehr heran⸗ ziehen zur Mitarbeit an den Aufgaben der Gemeinde, und das geſchieht durch einen ſolchen Verein. Zwei Aufgaben hat die Jugendgerichtshilfe zu erfüllen: erſtens ſich zu informieren, dann aber, und zwar in hervorragendem Maße, nachher dafür zu ſorgen, daß der Jugendliche zweckmäßig unter⸗ gebracht wird. Dieſe Fürſorge durch die Zentrale Natur und kann gerade von Frauen richtig aus⸗ geübt werden, daß ich mich heute noch nicht darüber ſchlüſſig machen möchte, ob es angezeigt iſt, dieſe Angelegenheit zu verſtadtlichen. Ich bitte daher, die Entwicklung der Dinge abzuwarten und ſpäter dazu Stellung zu nehmen. Stadtv. Zietſch: Ich möchte Herrn Stadtrat Seydel entgegnen, daß ja die moraliſche Ver⸗ pflichtung für die Erfüllung dieſer Aufgabe ohne⸗ dies der Stadt offen gehalten wird. Selbſt wenn die Arbeiten einer privaten Vereinigung über⸗ tragen würden, kommt die Stadt nicht dabei herum, in letzter Linie die Verantwortung dafür zu über⸗ nehmen. Und wenn die Stadt die moraliſche Ver⸗ antwortung für die ſachgemäße und gewiſſenhafte Durchführung der Jugendgerichtshilfe hat, dann muß ſie ſelbſtverſtändlich auch ihren Einfluß dahin geltend machen könne, daß die Leute, die mit der Erfüllung dieſer Aufgabe betraut werden, auch anſtändig, d. h. genügend bezahlt werden. Eine ſolche genügende Bezahlung kann aber gar nicht vorhanden ſein, wenn für zwei Perſonen 2 500 ℳ im Jahre ausgegeben werden. Herr Stadtrat Seydel ſagte, dem Verein ſtänden freiwillige Hilfskräfte zur Verfügung. Dieſe können doch nur dann ein⸗ treten, wenn die Arbeitskraft dieſer beiden Leute, die in erſter Linie für dieſe Arbeiten berufen ſind und dafür bezahlt werden, über die Gebühr ange⸗ ſtrengt wird, wenn eine Überlaſtung eintritt. Es iſt doch eine Arbeit, die täglich die Zeit eines ganzen Tages ausfüllen wird. Dieſe Leute müſſen darum anders bezahlt werden, als es hier der Fall iſt. Herr Stadtrat Seydel ſagte auch, wir wollen uns gedulden und warten, bis die Strafprozeß⸗ reform vollzogen iſt, dann würde die Stadt ein⸗ greifen müſſen. Einmal wiſſen wir gar nicht, wann dieſe Strafprozeßreform vollzogen ſein wird, und zum andern wiſſen wir nicht, was ſie in bezug auf die Jugendgerichtshöfe bringen wird. Und warum ſoll die Stadt die Hilfe nicht ſchon jetzt übernehmen, wenn ſie ſpäter ſchließlich ohnedies verpflichtet iſt, das tun zu müſſen, was ſie jetzt noch nicht tun will? Herrn Stadtv. Wöllmer gegenüber möchte ich be⸗ tonen, daß ich den Wert der Arbeit und der Ziele der „Vereinigung für Wohlfahrtsbeſtrebungen“ nicht unterſchätze; ich erkenne das alles an. Aber ich meine, daß die Städteordnung in bezug auf die Betonung der Heranziehung freiwilliger Hilfskräfte nicht in dem weiten Sinne ausgelegt werden ſollte, daß mit Vorliebe Privatvereinigungen herangezogen werden ſollen, um die Aufgaben der Stadt zu er⸗ üllen. Wenn die Städteordnung von freiwilligen Hilfskräften ſpricht, dann können doch in erſter Linie nur jene Hilfsträfte gemeint ſein, die auch unter der Kontrolle der Stadt ſelbſt ſtehen: Waiſen⸗ räte, Armenpfleger uſw., das ſind die im Sinne der Städteordnung gemeinten Hilfskräfte. Stadtv. Dr. Landsberger: Ich möchte auch Herrn Kollegen Zietſch bitten, doch vorläufig von ſeinem Antrage abzuſehen. Bei der Neuheit der ganzen Einrichtung und bei dem Proviſorium, mit dem ſie zunächſt von privater Seite eingerichtet und der Stadt nur zur Beſtreitung einiger Koſten überwieſen worden iſt, weil der Verein mit ſeinen Mitteln nicht ausreicht, iſt es doch angebracht, zunächſt einmal die weitere Tätigkeit der Jugend⸗