529 gerichte und ihre Wahrnehmungen durch die Ver⸗ vollkommen unterrichtet, hat Fühlung, kann die einigung der Wohltätigkeitsbeſtrebungen abzu⸗ warten. Herr Kollege Zietſch kann verſichert ſein, daß ſeitens der Vereinigung der Wohltätigkeitsbeſtre⸗ bungen auch auf die Honorarfrage dauerndes Augenmerk gerichtet bleiben wird, und daß wir jedenfalls, vielleicht ſchon im Beginne des nächſten Etatsjahres, wenn wir ſehen werden, daß die An⸗ ſtrengung der zunächſt beamteten Mitarbeiter zu groß iſt, unbedingt mit Anträgen an den Magiſtrat um Nachbewilligungen herantreten werden, die eine entſprechende Erhöhung der Honorare ermög⸗ lichen. Die Vereinigung der Wohltätigkeits⸗ beſtrebungen iſt durch ihren ganzen Recherchen⸗ dienſt beſonders in der Lage, bei den Verhandlungen der Jugendgerichte mit Vo r arbeiten ſowohl wie mit demnachträglichen Imaugehalten der dort abgeurteilten kleinen Verbrecher gute Dienſte zu leiſten, und es liegt wirklich im Intereſſe der Sache, daß zunächſt ſi e mit ihrem ausgezeich⸗ neten Auskunftsmaterial und mit ihrem dauernden Recherchendienſt die Mitarbeit an dieſer Sache behält. Ich möchte dringend bitten, im gegen⸗ wärtigen Stadium noch nicht mit Abänderungs⸗ vorſchlägen zu kommen, weil wir erſt ſehen müſſen, wie die Sache ſich entwickelt. Es wird immer noch Zeit ſein, ſowohl in bezug auf die Organiſation wie in bezug auf die Zuſchüſſe der Stadt mit An⸗ trägen zu kommen. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Dr. von Liszt (Schluß⸗ wort): Meine Herren, ich möchte Sie meinerſeits auch bitten, den Antrag des Herrn Kollegen Zietſch, ſo gut er gemeint iſt, abzulehnen. Es iſt nämlich ganz unmöglich, die Jugendgerichtshilfe bis zum 1. April in ſtädtiſche Verwaltung zu nehmen. Die ganze Jugendgerichtshilfe iſt lediglich auf dem Wege der Verwaltung in unſere Rechtspflege ein⸗ gedrungen, ohne geſetzliche Grundlage; kein Staats⸗ anwalt, kein Richter iſt verpflichtet, ſich irgendwie an die freiwillige Fürſorge zu wenden. Die geſetz⸗ liche Grundlage fehlt vollſtändig; ſie wird geſchaffen werden durch die neue Strafprozeßordnung, und ich kann Herrn Kollegen Zietſch erwidern, daß der Entwurf ja ſeit Monaten gedruckt vorliegt, ſich gegenwärtig in der Beratung des Bundesrates befindet und zweifellos im Januar oder Februar des kommenden Jahres dem Reichstag vorgelegt werden wird; wie lange es noch dauern wird, bis er angenommen ſein wird, weiß ich nicht, aber alle beteiligten Inſtanzen drängen auf eine möglichſt ſchnelle Verabſchiedung. Wenn wir erſt die geſetz⸗ liche Grundlage haben, iſt der Zeitpunkt gekommen, daß die Stadt ſich der Sache annimmt. Heute, wo wir auf den guten Willen der Gerichte angewieſen ſind, würde die Stadt in eine unangenehme Lage verſetzt werden, wenn ſie eine ſolche Einrichtung träfe, die jeden Augenblick von dem Staatsanwalt wie von dem Gericht ignoriert werden könnte. Ich betone außerdem, daß heute bereits, wie die Vereinigung berichtet, außer den Helfern der Ver⸗ einigung ſtändig ein Magiſtratsaſſeſſor an den Sitzungen des Jugendgerichtes teilnimmt, um nac der Sitzung ſich mit ihnen und dem Richter über die weiter zu treffenden Maßnahmen zu beraten. Heute alſo iſt der Magiſtrat bereits, wenn dieſe Mitteilung hier richtig iſt, durch einen ſeiner Magiſtratsaſſeſſoren über den Gang der Dinge nötigen Erfahrungen ſammeln. Endlich möchte auch ich Herrn Kollegen Zietſch gegenüber das eine betonen: unterſchätzen Sie die Bedeutung der freiwilligen Tätigkeit gerade auf dieſem Gebiete nicht! (Sehr richtig!) Eine Verſtaatlichung oder eine Verſtadtlichung einer ſolchen Tätigkeit iſt unter Umſtänden der direkte Tod für dieſe Tätigkeit. Gedacht iſt die Sache ja ſo, daß der bezahlte berufsmäßige Pfleger oder die Pflegerin die Vorarbeiten macht und daß unter der Leitung dieſer Perſonen eine ganze Anzahl von Damen und Herren freiwillig tätig ſind. Ich gebe ohne weiteres zu: dieſe Leitung kann auch in die Hand eines Mitgliedes des Magiſtrats gelegt werden; aber ſolange ſich unſere ganzen Geſellſchaftsorgane nicht in dieſe Tätigkeit eingelebt haben, iſt es ganz unmöglich, dieſer Sache einen offiziellen Charakter zu geben. Wie man die Recherchen vornimmt, wie man ſich in die Familien begibt, wie man nachfragt über den Lehrjungen, wie man den Schein vermeiden muß, als wenn man von der Polizei käme: dieſe ganze Art der Tätigkeit muß heute erſt gelernt werden. Ich bitte Sie, es heute ſo zu belaſſen. Ich bin überzeugt, wenn ſpäter einmal der Antrag auf Bewilligung von Mitteln geſtellt wird, um die Jugendgerichtshilfe der ſtädtiſchen Verwaltung an⸗ zugliedern, daß dann die ganze Stadtverordneten⸗ verſammlung einſtimmig dafür ſein wird. Heute iſt der Zeitpunkt noch nicht gekommen. Vorſteher Kaufmann: Der Antrag Zietſch lautet: Die durch die Errichtung eines Jugend⸗ gerichtshofes erforderlich gewordene Jugend⸗ gerichtsbeihilfe und die dadurch entſtandene Fürſorge für Jugendliche iſt ſpäteſtens vom 1. April 1909 ab durch die Stadt auszuüben. Bis zur Übernahme dieſer Tätigkeit durch die Stadt iſt der „Vereinigung der Wohl⸗ tätigkeitsbeſtrebungen“ eine entſprechende Vergütung zu gewähren. Ich faſſe dieſen Antrag dahin auf, daß er auf⸗ ſchiebenden Charakter hat und im Sinne unſerer Geſchäftsordnung ein Vertagungsantrag iſt; ich laſſe daher darüber zuerſt abſtimmen. Stadtv. Hirſch (zur Frageſtellung): Ich glaube, der Herr Vorſteher faßt den Antrag falſch auf: wir bezwecken damit nicht etwa, die Annahme der Magiſtratsvorlage zu verſchieben, ſondern wir wollen, daß die Magiſtratsvorlage heute ange⸗ nommen wird, und wollen ferner, daß vom 1. April ab die von uns vorgeſchlagene Maßregel eintritt. Es iſt möglich, daß der Antrag falſch gefaßt iſt; er ſoll aber in dieſer Weiſe gedeutet werden. Borſteher Kaufmann: Der Antrag iſt danach als ein Amendement aufzufaſſen, und ich werde daher darüber zunächſt abſtimmen laſſen. Herr ch Kollege Zietſch wünſcht für den Fall der Annahme der Magiſtratsvorlage den Punkt 2 wegfallen zu laſſen und ſtatt deſſen ſein Amendement eingefügt zu ſehen — ſo glaube ich den Antrag richtig auf⸗ gefaßt zu haben. (Zuſtimmung.)