—— 1531 —— (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt nach dem Antrage des Petitions⸗ ausſchuſſes, die Petition 1 dem Magiſtrat als Material zu überweiſen.) Vorſteher Kaufmann: II1. Petition des demokratiſchen Vereins betr. Vergebung ſt äd tiſcher Lieferungen. Druckſache 447. Berichterſtatter Stadtv. Klick: Meine Herren, der demokratiſche Verein von Charlottenburg bittet die Stadtverordneten⸗Verſammlung, zu beſchließen: ſtädtiſche Lieferungen und Arbeiten nur an ſolche Lieferanten und Arbeitgeber zu vergeben, die ihren Angeſtellten und Arbeitern volle Koalitionsfreiheit gewähren und eine ent⸗ ſprechende Beſtimmung in alle Lieferungs⸗ und Arbeitsbedingungen aufzunehmen. Der Petition iſt keine Begründung beigefügt. Ihre Veranlaſſung dürfte wohl das Vorgehen der⸗ jenigen Unternehmer gegeben haben, die gerade jetzt in der wirtſchaftlich ungünſtigen Konjunktur verſuchen, ihren Angeſtellten und Arbeitern das ihnen geſetzlich zugeſicherte Koalitionsrecht durch allerlei Schikanen zu verleiden. Ein ſolcher Paſſus, wie der vom demokratiſchen Verein verlangte, dürfte wohl noch bei keiner Kommune und ſtaatlicher Behörde in die Beſtimmungen über das Ver⸗ dingungsweſen aufgenommen worden ſein. Bei der Debatte, die wir im Jahre 1906 bei der Mit⸗ teilung des Magiſtrats über das Verdingungsweſen hatten, wurde auch von allen Seiten anerkannt, daß die von uns erlaſſenen Bedingungen nicht muſtergültig ſeien. Aus dieſem Grunde beſchloß die Stadtverordneten⸗Verſammlung, von der Mit⸗ teilung Kenntnis zu nehmen mit dem Zuſatz, daß der Magiſtrat Ende 1908 der Stadtverordneten⸗ Verſammlung mitteilen ſolle, wie ſich nicht nur unſere, ſondern auch die Submiſſionsbedingungen anderer Kommunen bewährt haben. Wie Sie aus dem Schlußſatz des Berichts erſehen, hat der Magiſtrat die ihm zugegangene gleiche Petition dem Material hinzugefügt, das er für die bereits in Angriff genommene Nachprüfung der Verdingungsvorſchriften geſammelt hat. Der Petitionsausſchuß konnte ſich auf keinen andern Standpunkt ſtellen. Ich empfehle Ihnen namens des Ausſchuſſes daher, die Petition dem Magiſtrat als Material zu überweiſen. Stadtv. Gebert: Meine Herren, eigentlich müßte es uns doch befremden, daß dieſe Angelegen⸗ heit erſt auf Grund einer Petition beraten bzw. als Material dem Magiſtrat überwieſen werden muß. Jede Stadt, müßte man meinen, müßte bei Vergebung von Arbeiten dies als die erſte Be⸗ dingung aufſtellen, unter welcher die Herren Arbeit⸗ geber verpflichtet werden, die Arbeit in Angriff zu nehmen. Daß wir hier ſpeziell in Charlottenburg, ſagen wir mal: über Beraubung des Koalitions⸗ rechtes von ſeiten der Unternehmer zu klagen haben, kann ich Ihnen aus folgenden Vorkommniſſen beweiſen. 1 (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Ich tann den Ausdruck „Beraubung des Koalitionsrechts durch die Unternehmer“ nicht zulaſſen. Stadtv. Gebert (fortfahrend): Ich werde dann die „Beraubung“ zurücknehmen und ſagen: man ſucht den Arbeitern das Recht, das Koalitions⸗ recht auszuüben, zu beſchneiden. Das iſt ja im Grunde genommen dasſelbe. (Heiterkeit.) Nun, meine Herren, wir haben beiſpielsweiſe Verbindungen mit dem Herrn Unternehmer Göhrke, Chriſtſtraße, welcher die Fuhren für die Kanali⸗ ſationsdeputation auszuführen hat. Dieſer Herr Unternehmer hat vor gar nicht allzu langer Zeit einen Arbeiter aus ſeinem Betriebe entlaſſen, und da dieſer Arbeiter ſelbſtverſtändlich leben will, mußte er ſich um andere Arbeit bekümmern. Herr Göhrke war ſo freundlich, nach dem neuen Arbeit⸗ geber herüberzugehen und dem neuen Arbeitgeber zu ſagen: „Der betreffende Arbeiter iſt im Verbande, iſt organiſiert, den dürfen Sie nicht mehr beſchäftigen.“ (Zuruf: Frechheit!) Nebenbei will ich bemerken, daß dieſer neue Arbeit⸗ geber ſeine Stallungen in den Räumen des Herrn Göhrke hat, und Herr Göhrke ſagte: „Wenn dieſer Arbeiter nicht entlaſſen wird, dann dürfen Sie Ihre Pferde nicht mehr in meinen Stallungen zu ſtehen haben.“ Wir ſehen alſo, wie auf dieſe Weiſe das Koalitionsrecht der Arbeiter beſchnitten wird. Dann haben wir hier die große Firma Gebauer, welche ja vor gar nicht allzu langer Zeit in einen Prozeß verwickelt war, in dem der Vertreter dieſer Firma Gebauer auch vor Gericht ganz un⸗ verblümt ausgeſagt hat: „Wir dulden organiſierte Arbeiter prinzipiell in unſerm Betriebe nicht.“ Wir haben auch bei der Müllabfuhr dasſelbe Ver⸗ hältnis; wenn dort Arbeiter eingeſtellt werden, dann heißt es: „Wir können Sie nicht einſtellen, Sie werden nicht eingeſtellt.“ Wir haben ja auch vor gar nicht allzu langer Zeit — wenn ich nicht irre, war es im vergangenen Jahre — erlebt, daß etwas Ahnliches ſich in unſern eigenen Betrieben, in den ſogenannten Stadt⸗ betrieben abgeſpielt hat. Ich erinnere Sie an die Gasanſtalt, wo man den Arbeitern gewiſſermaßen geſagt hat: „Ihr dürft auch nicht einmal zu Ver⸗ ſammlungen gehen.“ So wird gewiſſermaßen ſyſtematiſch den Arbeitern ein Recht beſchnitten, welches durch das Geſetz gewährleiſtet iſt. Dieſe Beſchneidung geſchieht ſchon bezüglich der gewerk⸗ ſchaftlichen Organiſation. Sie wird aber auch oft auf die politiſchen Organiſationen ausgedehnt: dort dürfen die Arbeiter unter keinen Umſtänden ihre politiſchen Anſchauungen in irgendeiner Weife zum beſten geben. Ich will noch darauf hinweiſen, daß erſt kürzlich — es ſind ein paar Monate her — unſer Herr Oberbürgermeiſter ſagte, daß Perſonen, die in dieſen Betrieben nichts zu ſuchen haben, gewiſſermaßen als Aufwiegler und Hetzer betrachtet werden. Aber wenn in die Betriebe, wo den Arbeitern das Koalitionsrecht gewährt wird, der Vertreter dieſer Organiſationen kommt, ſo kann er nicht mehr als Aufwiegler und Hetzer betrachtet werden, ſondern dann iſt der Betreffende Beauftragter der Organiſation, und das eine ſteht doch einmal feſt: daß die Beauftragten der Organiſationen ſtets und ſtändig zum Beſten der Allgemeinheit gewirkt haben. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Aus dieſem einfachen Grunde heraus iſt es für unſere Stadt äußerſt notwendig, daß bei Vergebung von Arbeiten ſtets und ſtändig den Unternehmern geſagt wird: das Koalitionsrecht müßt ihr unter