Dieſer Teil des Ausſchußbeſchluſſes iſt einſtimmig gefaßt worden. Die große Mehrheit des Ausſchuſſes war aber weiter der Anſicht, daß es ſich doch empfehle, ſeitens der Verſammlung auszuſprechen, daß man an ſich einer Herabſetzung der Arbeitszeit, wenn ſie ſich techniſch und finanziell ermöglichen laſſe, ſym⸗ pathiſch gegenüberſtehe. Dieſer Beſchluß iſt nicht ein⸗ ſtimmig, ſondern gegen eine Minderheit von einigen Stimmen gefaßt worden. Ich möchte Ihnen aber dringend empfehlen, meine Herren, daß Sie dieſe Sympathiekundgebung hier möglichſt einſtimmig beſchließen. Ich möchte Sie darauf aufmerkſam machen, daß in den Jahren, die ſeit der erſten Beratung dieſer Angelegenheit verfloſſen ſind, die Einführung einer kürzeren Arbeitszeit in be⸗ hördlichen Betrieben anderwärts Fortſchritte ge⸗ macht hat, daß auch die Haltung unſeres Magiſtrats entſchieden freundlicher geworden iſt, wie daraus hervorgeht, daß er ſich mit den Magiſtraten der Nachbargemeinden wegen der Regelung dieſer Frage in Verbindung geſetzt hat. Ich möchte weiter darauf aufmerkſam machen, daß auch in einem früheren Stadium, als die Frage an den Aus⸗ ſchuß zurückverwieſen wurde, von den Wortführern der Mehrheit dem Ausdruck gegeben wurde, daß ſie an ſich der Frage durchaus wohlwollend gegen⸗ überſtänden. Ich glaube, daß es nach dem Stande der Angelegenheit, nach den Fortſchritten, welche die Entwicklung des Gedankens einer Verkürzung der Arbeitszeit an ſo vielen Orten gemacht hat, der Charlottenburger Stadtverordnetenverſamm⸗ lung wohl anſteht, auch ihrerſeits eine Sympathie mit dieſem Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Ich empfehle Ihnen ſomit die Annahme des Aus⸗ §. ſchußbeſchluſſes. Stadtv. Hirſch: Meine Herren, meine Freunde werden dem Antrage des Ausſchuſſes zuſtimmen. Ich hoffe auch, daß die große Mehr⸗ heit der Verſammlung die Haltung des Aus⸗ ſchuſſes billigen wird. Aber ich möchte Sie dringend bitten, es nicht bei der Sympathiekund⸗ gebung bewenden zu laſſen, ſondern auch dafür zu ſorgen, daß die Forderungen, die der Ausſchuß, vorläufig allerdings nur theoretiſch, aufgeſtellt hat, in die Praxis übertragen wird. Wenn wir uns mit dem Antrage des Ausſchuſſes be⸗ gnügen, ſo geſchieht das aus dem Grunde, weil wir eingeſehen haben, daß einſtweilen bei der Geſchäftslage — der Ausſchuß mußte ja ſeine Arbeiten bis Ende des Jahres voll⸗ enden — nicht mehr zu erreichen war. Wir ſind aber feſt entſchloſſen, jede Gelegenheit bei der Etatsberatung zu benutzen, um unſere prinzipielle Forderung durchzuſetzen. Die prinzipielle For⸗ derung iſt die Erreichung einer achtſtündigen Arbeitszeit. Wir ſind aber zufrieden, wenn wir vorläufig als Etappe auf dem Wege zu dieſem Ziele wenigſtens den Neunſtundentag erreichen. Der Herr Referent hat die Geſchichte unſeres Antrages Ihnen in ſo ausführlicher Weiſe ge⸗ ſchildert, daß es ſich für mich erübrigt, darauf ein⸗ zugehen. Nur eine einzige Bemerkung des Herrn Referenten möchte ich doch zurückweiſen. Der Herr Referent führte aus, daß bereits vor Jahren ſich der Ausſchuß, dem unſer Antrag überwieſen war, für die Einführung der neunſtündigen Ar⸗ beitszeit ausgeſprochen hätte, und er fügte hinzu, daß die Mehrheit, die da zuſtande gekommen 553 ſei, nur eine zufällige geweſen ſei. Meine Herren, das ſtimmt nicht. Nach meinen Erfahrungen verhält es ſich ſo, daß der damalige Ausſchuß aus ſozialpolitiſch fortgegeſchrittenen Mitgliedern der Verſammlung zuſammengeſetzt und der Beſchluß wohl überlegt war. (Unruhe.) Borſteher Kaufmann (unterbrechend): Meine Herren, ich möchte Sie bitten, die allzu lebhaften Zwiegeſpräche etwas einzuſchränken und dem Redner aufmerkſam zuzuhören. Stadtv. Hirſch (fortfahrend): Wäre nicht der neue Ausſchuß, dem der Antrag zur nochmaligen Erörterung überwieſen wurde, in einer Weiſe er⸗ gänzt worden, daß man von vornherein ſagen konnte: die Herren, die hinzugewählt ſind, ſind Gegner des Neunſtundentages, dann wäre ſicher auch von dem neuen Ausſchuß unſer Antrag angenommen worden. Wir können um ſo eher die neunſtündige Arbeitszeit einführen, als die dadurch entſtehenden Mehrkoſten für die Stadt tatſächlich gering ſind: Sie erſehen aus dem Berichte des Ausſchuſſes, daß das Mehr ſich auf etwa 135 000 Mark belaufen wird. Dabei iſt allerdings angenommen, daß die Herabſetzung der Arbeitszeit von 10 auf 9 Stunden auch eine entſprechende Verringerung der Produktion zur Folge haben wird. Meine Herren, Sie haben nicht berückſichtigt, daß eine ganze Reihe von Erfahrungen vorliegt, wonach in Betrieben, die die Arbeitszeit verkürzt haben, trotz der verkürzten Arbeitszeit das gleiche, ja noch mehr geleiſtet worden iſt als früher. Wenn wir das berückſichtigen, dann wird ſich zweifellos ein noch günſtigeres Reſultat ergeben, dann wird die Summe von 135 000 ℳ bei weitem nicht er⸗ reicht werden. Wir werden ja bei der Etats⸗ beratung näher darauf zurückkommen. Ich möchte bei dieſer Gelegenheit gleich be⸗ merken, daß wir bei der Etatsberatung nicht nur mit der Forderung des neunſtündigen Arbeits⸗ tages hervortreten, ſondern daß wir uns auch der übrigen Forderungen der ſtädtiſchen Arbeiter an⸗ nehmen werden. Dieſe haben ſchon vor länger als Jahresfriſt wiederholt Eingaben dem Magiſtrat überſandt und eine Reihe von Forderungen auf⸗ geſtellt, bisher aber noch nicht einmal eine Ant⸗ wort darauf bekommen. Sie haben erſt neulich wieder in einer Reſolution, die, ſoviel ich weiß, der Stadtverordnetenverſammlung überſandt wor⸗ den iſt oder überſandt werden ſoll, ihre Forde⸗ rungen zuſammengefaßt. Ich hoffe, daß der Magiſtrat endlich einmal auf die Forderungen der ſtädtiſchen Arbeiter eingehen wird. Ich möchte dann noch an den Magiſtrat eine Anfrage richten. Sie ſehen aus dem Protokoll des Ausſchuſſes, daß der Herr Bürgermeiſter in der erſten Sitzung des Ausſchuſſes mitgeteilt hat, der Magiſtrat habe beſchloſſen, über die Frage der Einführung der neunſtündigen Arbeitszeit mit den Gemeinden Groß⸗Berlins in Verbindung zu treten, und daß von Berlin eine grundſätzlich zuſtimmende Antwort eingegangen ſei — allerdings grund⸗ ſätzlich zuſtimmend nicht in dem Sinne, daß Berlin ſich etwa für die neunſtündige Arbeitszeit aus⸗ geſprochen hat, ſondern daß es dabei iſt, dieſe Frage zu behandeln. In einer zweiten Sitzung am 23. Oktober dieſes Jahres iſt dann mitgeteilt