heen Daher möchte ich empfehlen: nehmen Sie den Antrag des Ausſchuſſes einſtimmig an. Stadtv. Dr. Crüger: Meine Herren, wenn der Herr Kollege Gebert geſagt hat, er wundere ſich darüber, daß man 5 Jahre gebraucht hat, bis man zu einer Sympathiekundgebung gekommen iſt, ſo kann ich ihm in dieſer Verwunderung nur beiſtimmen; denn eine Sympathiekundgebung iſt an und für ſich eine ſo harmloſe und belangloſe Sache, (hört! hört! bei den Sozialdemokraten) daß man nicht erſt 5 Jahre verſtreichen zu laſſen brauchte. Ich muß es ſagen, daß mir dieſe grund⸗ ſätzlichen Erklärungen und Sympathiekundgebungen durchaus nicht ſympathiſch ſind. Sie ſehen nach draußen ſo aus, als bedeuteten ſie etwas, und der Einzelne geht mit allen möglichen Reſervationen daran heran. (Sehr richtig!) Wir haben leider in der letzten Zeit mehrere ſolcher grundſätzlichen oder Sympathiekund⸗ gebungen abgegeben, von denen ich zum Teil ge⸗ wünſcht hätte, ſie wären hier nicht zum Vortrag gekommen. Wenn der Ausſchuß der Stadtverordneten⸗ verſammlung den Vorſchlag macht, ihre Sym⸗ pathie zugunſten einer Verkürzung der Arbeits⸗ zeit zum Ausdruck zu bringen, dann frage ich mich: kann ich mich denn eigentlich auch unſympathiſch zugunſten einer Verkürzung der Arbeitszeit aus⸗ ſprechen? Es wäre mir viel lieber geweſen, wenn der erſte Satz gar nicht vorhanden geweſen wäre. (Sehr richtig!) Nachdem nun einmal die erſte Forderung ge⸗ ſtellt iſt, muß ich ſagen: meine Sympathie zu einer c* Verkürzung der Arbeitszeit kann ich ſelbſtverſtänd⸗ lich ausſprechen, ich behalte mir aber im übrigen bei jeder einzelnen Arbeiterkategorie, in jedem einzelnen Falle meine Stellungnahme vor. Ich kann mich z. B. ſympathiſch erklären zu gunſten der Verkürzung der Arbeitszeit, ohne daß hierin involviert, daß ich es auch für notwendig erachte, daß bereits in nächſter Zeit, in abſehbarer Zeit eine derartige Verkürzung der Arbeitszeit für alle Arbeiter vorgenommen wird. Die Herren Vorredner haben einen ganz gegenſätzlichen Standpunkt eingenommen. Vom Standpunkte des Herrn Kollegen Gebert würde ich eine derartige Sympathiekundgebung abzu⸗ geben außerſtande ſein; denn darin liegt der grundſätzliche Wunſch, daß die Arbeitszeit durch⸗ weg auf 9 Stunden verkürzt wird. (Stadtv. Hirſch: Sehr richtig!) Wir dürfen uns aber, Herr Kollege Hirſch, nicht bloß auf den Standpunkt des Arbeiters ſtellen, ſondern müſſen auch berückſichtigen, daß die Kom⸗ mune Charlottenburg kein iſoliertes Gebilde im wirtſchaftlichen Leben darſtellt, daß die Maß⸗ regeln der Kommune Charlottenburg auf weite Induſtrien eine Rückwirkung ausüben werden. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sollen ſie auch!) — Ich glaube wirklich, daß Sie, meine Herren, auf dieſe Weiſe ſelbſt denjenigen, die eine gewiſſe Sympathie für die Sympathiekundgebung be⸗ ſitzen, die Stellung immer weiter erſchweren. (Bravo! bei den Liberalen.) Wir werden vielleicht noch ein Stündchen darüber 555 debattieren, und Sie erreichen dann, daß wir auch nicht einmal den erſten Satz annehmen. Ich muß ſagen: wenn hier von denen, die vor allen Dingen für dieſen Satz ſind, erklärt wird, daß wir ſchließ⸗ lich keine Rückſicht oder nur die einſeitige Rückſicht zu üben haben, dann können wir als Stadtver⸗ ordnete, die wir doch nicht bloß einſeitige Inter⸗ eſſen wahrzunehmen haben, ſondern die wir ſehr allgemeine Intereſſen zu vertreten haben, uns doch nicht auf den Standpunkt ſtellen. Es iſt getrennte Abſtimmung in Vorſchlag gebracht worden. Ich muß ſagen, daß es mir, nachdem ich zuerſt große Neigung hatte, für den Satz 1 zu ſtimmen, jetzt, wo von der linken Seite das vorgebracht worden iſt, außerordentlich ſchwer werden wird, meiner Neigung entſprechend zu votieren. Jedenfalls muß ich aber für mich und, ich glaube, auch für eine ganze Anzahl meiner Fraktionsfreunde die Erklärung abgeben, daß wir, ſelbſt wenn wir eine Sympathiekundgebung aus⸗ ſprechen, uns keinesfalls auf eine neunſtündige Arbeitszeit in jedem Falle feſtlegen, ſondern uns von Fall zu Fall trotz dieſer Sympathiekundgebung die Entſcheidung vorbehalten. Ob Ihnen aller⸗ dings mit einer derartigen Sympathiekundgebung noch viel gedient iſt, weiß ich nicht. (Bravo! bei den Liberalen.) Stadtv. Liſſauer: Meine Herren, ich bin der Anſicht, daß die Faſſung dieſes Beſchluſſes nicht ganz korrekt iſt, und daß es wohl eigentlich heißen ſollte: „die Verſammlung ſteht einer Verkürzung der Arbeitszeit für ſtändig beſchäftigte Arbeiter unſympathiſch gegenüber.“ Tatſächlich iſt doch der zweite Satz derartig gefaßt, daß Sie ſich in jedem einzelnen Falle vorbehalten, zu überlegen, ob die Forderung nicht einfach abzulehnen iſt. Ich vermag nicht einzuſehen, daß gerade unter den heutigen Verhältniſſen, bei der rückgängigen wirtſchaftlichen Lage nicht allein in den kleinen gewerblichen Be⸗ trieben, ſondern auch im Handel der Verſuch mit einer Verkürzung der Arbeitszeit gemacht wird. Es iſt doch wohl kein 3weifel darüber, daß, wenn eine Kommune ſagt: wir ſtehen der Verkürzung der Arbeitszeit ſympathiſch gegenüber, ſie auch die Probe auf das Exempel machen und ſchließlich dieſe Verkürzung im einzelnen Falle bewilligen muß. Was, meinen Sie, würden nun beiſpiels⸗ weiſe die Handlungsgehilfen dazu ſagen, wenn von neuem mit einer Verkürzung der Arbeitszeit auf anderen Gebieten vorgegangen wird? Was würde der kleine ſelbſtändige Gewerbetreibende und Handeltreibende, der um 7 Uhr aufſteht, bis 12 Uhr arbeitet und dann wieder von 1 Uhr nachmittags bis abends um 9 Uhr arbeitet, alſo 13 Stunden, bloß um die Handlungsunkoſten und Gehälter zu zahlen und die Löhne zu erſchwingen, — was würden ſie da⸗ zu ſagen, wenn wir heute von neuem unter den an⸗ erkannt rückgängigen wirtſchaftlichen Verhältniſſen beſchließen wollten, die Arbeitszeit herabzuſetzen, oder wenn wir wenigſtens unſere Sympathie dazu äußern wollten! Nach den neueſten ſtatiſtiſchen Er⸗ mittelungen im Königreich Preußen iſt die Zahl der Einkommenſteuerzenſiten zwiſchen 900 und 1800 ℳ, alſo zum größten Teil die der Arbeitnehmer, von 1903 zu 1907 unverhältnismäßig geſtiegen, und zwar um 40 %, dagegen iſt die relative Zahl der gewerblichen Einkommen der kleinen Gewerbetreibenden und Handeltreibenden, alſo derjenigen, die zur Gewerbe⸗ ſteuer herangezogen werden können, die ein Mindeſt⸗ einkommen von über 1500 ℳ haben, prozentual ſtändig ſeit 6 Jahren zurückgegangen. Wie wollen