A —— 556 Sie nun unter derartigen rückgängigen wirtſchaft⸗ induſtrien, ob ſie wollen oder nicht, gezwungen ſind, lichen Verhältniſſen als Kommune ſagen: trotz alle⸗ dem glauben wir, daß für den Lohn, den heute die Arbeiter betommen, zu viel gearbeitet wird, wir ſind zwar dafür, denſelben Lohn weiter zu zahlen, erklären aber unſere Sympathie dafür, daß die Arbeitszeit verkürzt wird! Ich bin durchaus der Meinung, daß Sie ſich hierdurch in einer ganz unerhörten Weiſe präjudizieren würden. Ich bitte daher, dieſen Teil des Beſchluſſes abzulehnen. Stadtv. Hirſch: Meine Herren, mit Herrn Kollegen Dr Crüger haben wir uns ſchon öfter über die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit unter⸗ halten, und er hat ſich dabei ſtets als den ſchärfſten Gegner eines normalen Arbeitstages erklärt. (Sehr richtig!) Ich hätte mich gewundert, wenn ſich Herr Kollege Dr Crüger etwa für den erſten Satz der Reſolution des Ausſchuſſes ausgeſprochen hätte. Als er das Wort ergriff, nahm ich von vornherein an, daß er gegen den Ausſchußantrag ſprechen würde. Aller⸗ dings, meine Herren, wenn man die Sympathie⸗ kundgebung ſo auffaßt, wie es Herr Kollege Crüger beiläufig getan hat, indem er ſagte: eine Sympathie⸗ kundgebung iſt eine ganz harmloſe und belangloſe Sache, aber es wird nach außen der Eindruck erweckt, als ob etwas geſchehen ſoll, — wenn man eine ſolche Auffaſſung hat, dann werden wir nicht weiter kommen. Wir betrachten den erſten Satz des Aus⸗ ſchußantrages nicht als eine bloße Sympathiekund⸗ gebung, durch die wir den Anſchein erwecken wollen, als ob etwas geſchehen ſoll, ſondern wir wollen da⸗ mit ſagen, daß die Stadtverordnetenverſammlung ſich grundſätzlich für eine Verkürzung der Arbeits⸗ zeit ausſpricht. Wenn Herr Kollege Dr Crüger meint, nach unſeren Reden und Zwiſchenrufen würde es ihm und einigen ſeiner Freunde ſchwer werden, dem erſten Satz des Antrages zuzuſtimmen, dann iſt es, glaube ich, viel beſſer, wir ſchaffen von vornherein Klarheit, als daß wir etwa eine Reſolution an⸗ nehmen, der auch die Gegner des normalen Arbeits⸗ tages zuſtimmen, nur um die Harmonie nicht zu ſtören. Da iſt es richtiger, wir ſchaffen volle Klarheit, und die Herren, die gegen eine Verkürzung der Arbeitszeit ſind, ſtimmen gegen den erſten Satz der Reſolution. Sollte dadurch die ganze Reſolution fallen, ſo werden wir zu gegebener Zeit von neuem mit unſerem prinzipiellen Antrage kommen. Aber nur keine Verwäſſerungspolitik, wie ſie vielleicht ohne die Rede des Herrn Kollegen Dr Crüger ge⸗ trieben werden würde! Inſofern bin ich ſehr dank⸗ bar dafür, daß Sie Ihrer gegenteiligen Meinung Ausdruck gegeben haben. Nun hat Herr Kollege Dr Crüger und nach ihm Herr Kollege Liſſauer darauf hingewieſen, daß Charlottenburg keinen iſolierten Staat bilde, und daß unſere Maßnahmen auf die Privatinduſtrie zu⸗ rückwirken würden. Ja, meine Herren, das wiſſen wir. Das iſt auch einer der Hauptgründe, aus denen wir ſeinerzeit unſern Antrag geſtellt haben. Wir ſtehen auf dem Standpunkte, daß es Pflicht des Staates und der Gemeinden iſt, den Privatunter⸗ nehmern mit einem guten Beiſpiel voranzugehen, und wir ſind davon überzeugt, daß, wenn erſt in größerer Menge als bisher die öffentlichen Körper⸗ ſcute zu einer Verkürzung der Arbeitszeit ge⸗ ſchritten ſein werden, dann ſchließlich die Privat⸗ denſelben Schritt zu tun. Herr Kollege Dr Crüger ſagt, wir als Stadt⸗ verordnete hätten nicht einſeitige, ſondern allgemeine Intereſſen wahrzunehmen. Gewiß, ganz meine Meinung! Aber gerade die Herbeiführung der Ver⸗ kürzung der Arbeitszeit liegt im allgemeinen Inter⸗ eſſe der Arbeiter — auch die Unternehmer haben, nebenbei bemerkt, keinen Schaden davon —, ſie liegt inſofern im Intereſſe der Arbeiter, als dadurch ihre materielle Lage gehoben wird und es ihnen da⸗ durch möglich gemacht wird, mehr als bisher für ihre geiſtige Ausbildung zu tun. Herr Kollege Liſſauer irrt ſich, wenn er meint, daß etwa der erſte Satz des Ausſchußantrages einen Druckfehler enthalte, und daß es heißen ſoll: der Ausſchuß ſtände der Verkürzung der Arbeitszeit u n ſympathiſch gegenüber. Nein, die Sache iſt im Ausſchuß ſehr reiflich erwogen worden. Der Be⸗ ſchluß des Ausſchuſſes bedeutet ſogar, wie Ihnen aus den Ausführungen des Herrn Referenten erſichtlich ſein muß, einen Rückſchritt gegenüber dem Stand⸗ punkte, den ein früherer Ausſchuß vor Jahren ein⸗ genommen hat, der ſich ausdrücklich für die Ein⸗ führung des neunſtündigen Arbeitstages erklärt hatte. Alſo der Ausſchuß hat ſeiner Sympathie Ausdruck gegeben, und zwar ganz zweifellos nicht in dem Sinne, wie es Herr Kollege Crüger hin⸗ geſtellt hat, ſondern er hat durch ſeinen Beſchluß ſagen wollen: wir ſind im Prinzip für die Ver⸗ kürzung der Arbeitszeit und wollen dieſer Frage bei der Etatsberatung nähertreten. Herr Kollege Liſſauer hat auf einen Rückgang der wirtſchaftlichen Verhältniſſe hingewieſen. Ja meine Herren, es unterliegt keinem Zweifel, daß wir uns augenblicklich in einer Zeit des wirtſchaft⸗ lichen Niederganges befinden. Es mag Ihnen vielleicht ſonderbar erſcheinen, daß wir jetzt mit einem ſolchen Antrage kommen. Aber vergegen⸗ wärtigen Sie ſich doch die Geſchichte des Antrages! Ich habe den Antrag zum erſtenmal am 1. Februar1903 begründet, alſo vor beinahe 6 Jahren. Da⸗ mals hatten wir keine Zeit des wirtſchaftlichen Niederganges, ſondern die Zeit der Hochkonjunktur. Da haben Sie den Antrag auch abgelehnt. Kommen wir alſo zur Zeit der Hochkonjunktur, ſo wird der Antrag mit irgendwelchen Gründen abgelehnt, oder ſeine Beratung wird ſo lange verzögert, bis ein wirtſchaftlicher Niedergang eingetreten iſt, und dann hat man es allerdings ſehr leicht, zu ſagen: jetzt geht es allen Leuten ſo ſchlecht, jetzt können wir unmöglich die Arbeitszeit verkürzen. Meine Herren, an uns liegt es nicht, wenn die Beratung des An⸗ trages bis heute verſchleppt worden iſt. Ich will Sie nicht ermüden, ſonſt könnte ich Ihnen noch eine ganze Reihe von Beiſpielen aus Privatbetrieben anführen, wo durch Verkürzung der Arbeitszeit tatſächlich der finanzielle Effekt des betreffenden Betriebes ein beſſerer geworden iſt als vorher. Ich erinnere Sie nur an die Erfahrungen, die die Stahlfederfabrik Heintze und Blantertz ge⸗ ſammelt hat, an die Erfahrungen, die von der Firma H. Freeſe, die Ihnen doch bekannt iſt, und an die Erfahrungen, die von der Firma Zeiß ge⸗ macht worden ſind, ſowie an hundert andere Er⸗ fahrungen. Haben Sie nur erſt einmal Mut, den Schritt zu wagen — Sie werden ſehen, daß auch die Stadt Charlottenburg dabei nicht ſchlecht fährt. Meine Herren, es iſt weiter vom Kollegen Liſſauer auf die Handlungsgehilfen hingewieſen