22—— 558 — Wenn ich mich zunächſt zu dem Herrn Kollegen teuerung der Lebensmittel uſw. verändert hat. Gebert wenden darf, ſo gibt er den erſten Zeilen allerdings eine Interpretation, die von mir und auch von den Herren, die im Ausſchuſſe dafür geſtimmt haben, nicht gewollt iſt. Herr Kollege Gebert geht in ſeinen Ausführungen ſo weit, meinem Freunde Crüger zu imputieren, er hätte ſich prinzipiell gegen eine jegliche Verkürzung der Arbeitszeit, unter welchen Umſtänden ſie auch eintreten möge, aus⸗ geſprochen. Nichts hat Herrn Kollegen Crüger ferner gelegen, und ſeine Anfangsworte, deren er ſich bediente, müßten darüber eigentlich keinen Zweifel laſſen. Wenn Herr Kollege Liſſauer nun glaubte, es läge hier ein Druckfehler vor, und es müßte eigentlich heißen, wir ſtänden dem unſympathiſch gegenüber, und wenn er weiter meinte, wir legten uns durch dieſen erſten Paſſus vollkommen feſt, ſo kann ich ihm in dieſer Deduktion abſolut nicht folgen, ebenſo wenig, wie ich ihm darin folgen kann, alles das, was wir für einen Fortſchritt, für ein ſoziales Weiter⸗ kommen anſehen, deswegen verhindern zu wollen, weil es, aus einem nach meiner Meinung ſehr kleinen Geſichtswinkel betrachtet, einer Reihe von Leuten nicht paßt. Selbſt wenn wir mit dieſen Kreiſen auch die wärmſten Sympathien hegen, ſo dürfen wir doch nicht außer acht laſſen, daß ihre Wünſche und Bedürfniſſe imRahmen der großen allgemeinen Forderungen betrachtet werden müſſen. Wenn Sie nun glauben, Herr Kollege Liſſauer, das Wort „Sympathie“ ſollte nur eine verſchleierte Stellung⸗ nahme für die definitive Annahme der Verkürzung des Arbeitstages ſein, dann begreife ich Sie wirklich nicht. Weshalb ſollte ſich denn der Ausſchuß geniert haben, ganz einfach kurz und bündig auszuſprechen, er wünſche eine Verkürzung der Arbeitszeit? Mut genug haben wir auch dazu, das auszuſprechen, und wenn uns die Verſammlung nachher desavouiert hätte, wäre damit auch kein großes Unglück geſchehen. Was geſagt werden ſollte, war eigentlich nichts anderes als das über unſeren Charlottenburger Rahmen hinausgehende Bekenntnis, daß wir in jeder möglichen Verkürzung der Arbeitszeit, die keine beſonderen und großen Schädigungen für diejenigen, die ſie vornehmen, involviert, einen all⸗ gemeinen ſozialen Fortſchritt ſehen. Ich glaube, dieſe Auffaſſung iſt ſo allgemein verbreitet, daß ihr auch jeder zuſtimmen kann. Stadtv. Liſſauer: Meine Herren, Sie ſehen doch, daß es immerhin praktiſch iſt, wenn man ſeine Anſicht ganz klar und deutlich ausſpricht, und wenn man nicht Ausdrücke gebraucht, die immer inter⸗ pretiert werden können, wie es hier mit dem Worte „ſympathiſch“ der Fall iſt. Ich habe für meine Perſon geſagt und wiederhole es, daß dieſer Vor⸗ ſchlag von mir und von ſehr weiten Kreiſen, die freilich die Dinge unter dem kleinen Geſichtswinkel betrachten, wie Herr Kollege Dr Frentzel ſich das zu bemerken erlaubt hat, außerordentlich un⸗ ſympathiſch angeſehen wird, und daß wir dies nicht als einen ſozialen Fortſchritt, ſondern als das Gegenteil betrachten, daß wir glauben, damit auf dem richtigen Standpunkt zu ſtehen, ohne daß wir uns dabei erlauben, den Geſichtspunkt der andern Seite als klein und von geringerem Geſichtswinkel zu bezeichnen. Abgeſehen hiervon möchte ich folgendes be⸗ merken. Herr Kollege Hirſch hat angeführt, daß der Wert des Geldes ſeit 1903 ſich durch die Ver⸗ Das iſt ganz in Ordnung. Die Verteuerung der Lebensmittel iſt doch aber für den kleinen Gewerbe⸗ treibenden, den Handwerker, den kleinen Induſtri⸗ ellen genau ſo eingetreten wie für den Arbeit⸗ nehmer. Ich wüßte nicht, in welcher Weiſe dies nur für letztere der Fall ſein ſollte. Wenn nun behauptet wird, daß, wenn der Arbeiter mehr ver dient, die kleinen Handwerker und Detailliſten dadurch mehr verdienen, ſo muß ich demgegenüber erklären: das iſt ein Irrtum. (Widerſpruch bei den Sozialdemokraten.) — Sie können mich ja nachher widerlegen. — Die Arbeiter gehen hin zu den Konſumvereinen und decken da ihre Bedürfniſſe, und wenn ſie Luxus⸗ artikel kaufen wollen, ſo gehen ſie in die Waren⸗ häuſer, weil ſie glauben, die Konzentration der Warenhäuſer leiſte ebenſo wie die Konſumvereine ihren Ideen vorſchub. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Weil ſie da beſſer kaufen!) Es iſt eben nicht der Fall, daß, wenn der Ar⸗ beiter mehr verdient, auch der kleine Gewerbe⸗ treibende davon Nutzen hat. Ich konſtatiere über⸗ haupt, daß von den ganzen Einkommenſteuer⸗ zenſiten ſeit 1903 lediglich die Gruppe von 900 bis 1800 ℳ ſich ganz bedeutend verbeſſert hat, daß der relative Anteil anderer Gruppen ſtehen ge⸗ blieben iſt, und daß die Zahl der Gewerbeſteuer⸗ zahler — man kann das ſtatiſtiſch beweiſen — auf das Tauſend der Bevölkerung in den Städten ſtetig zurückgegangen iſt. Ich bleibe alſo bei meiner Behauptung ſtehen und kann nur wiederholen, daß in der heutigen Zeit eine Sympathiekund⸗ gebung für eine Verkürzung der Arbeitszeit gerade in denjenigen Kreiſen, die ich vertrete, im Klein⸗ handel und bei den kleinen Gewerbetreibenden, einen außerordentlich ſchlechten Eindruck machen und man ſich wohl die Frage vorlegen würde, von welchem Geſichtspunkt aus denn nun die Stadt⸗ verwaltung die wirtſchaftlichen Verhältniſſe be⸗ trachtet. Meine Herren, kommen wir einmal zu den ſchönen wirtſchaftlichen Zuſtänden wie in England, daß wir in Geld und Arbeit ſchwimmen — vielleicht erleben Sie ſie, ich jedenfalls nicht mehr —, dann mögen Sie nach einem Viertel⸗ jahrhundert dazu ſchreiten, die Arbeitszeit zu ver⸗ kürzen, dann verkürzen Sie auch die Arbeitszeit für den Kleinhandel und die kleinen Gewerbetrei⸗ benden gleichzeitig. Gleiches Recht für alle! Meine Herren, lehnen Sie die Sympathiekund⸗ gebung ab! Stadtv. Dr. Crüger: Herr Kollege Dr Frentzel hat vollkommen recht. Je nachdem einer von der linken oder rechten Seite geſprochen hat, weiß man nicht recht, ſoll man für oder gegen den erſten Satz ſtimmen. Das liegt daran, daß ſchließlich die Mo⸗ tive entſcheidend ſind. Wenn es Herr Kollege Hirſch und ſeine Freunde einem ſchwer machen, hier dafür zu ſtimmen, dann, muß ich ſagen, ſchafft ſofort Herr Kollege Liſſauer das Gegengewicht dafür. (Heiterkeit.) Wenn ich mich unter dem Geſichtspunkt des Herrn Kollegen Liſſauer gegen dieſen Abſatz ausſprechen ſoll, dann würde ich mich ja einer reaktionären Geſinnung ſchuldig machen, die ich wirklich nicht verantworten kann. (Sehr richtig! und Heiterkeit.)