— 560 —— völkerung fehlen laſſen. Daß die einzelne Partei gezwungen iſt, zu wiederholten Malen die ſpeziellen Intereſſen beſtimmter Klaſſen wahrzunehmen, das iſt ganz natürlich in einem Parlament, das auf Grund eines Klaſſenwahlſyſtems zuſtande kommt. Dann möchte ich mich ſchließlich mit Herrn Kollegen Stadthagen zu dem Wunſche des Herrn Kollegen Crüger vereinigen, doch nur um Gottes willen nicht für den erſten Teil des Antrages zu ſtimmen. Nach der Erklärung, die Herr Kollege Dr Crüger abgegeben hat, hat ja ſeine Zuſtimmung zu dem Antrage gar keinen Wert. Im Gegenteil, es könnten dann ſpäter noch andere Herren auf⸗ treten, wenn einmal die Frage der Einführung des Neunſtundentages aktuell wird, und ſagen: wir haben ganz genau dieſelben Anſchauungen wie Herr Kollege Erüger, wir haben es bloß nicht für nötig gehalten, das Wort zu ergreifen. Alſo, Herr Kollege Crüger, wir nehmen es Ihnen nicht übel, ſondern freuen uns im Gegenteil darüber, wenn Sie gegen den Antrag ſtimmen. 15 (Heiterkeit.) Ich kann Ihnen die feierliche Erklärung abgeben, daß wir dieſe Abſtimmung niemals etwa in dem Sinne ausnutzen werden, daß wir ſagen werden: Sie haben aus denſelben Motiven wie Herr Kollege Liſſauer geſtimmt. (Große Heiterkeit. — Stadtv. Dr Crüger: Dafür danke ich!) Stadtv. Liſſauer: Es freut mich, daß Herr Kollege Hirſch meine Außerungen von einem etwas objektiveren Standpunkte aus beurteilt hat, als es von dem Herrn Kollegen Dr Stadthagen bedauer⸗ licherweiſe geſchehen iſt. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß wir auch den ſozialdemokratiſchen Kollegen zutrauen, daß, wenn Sie ſpeziell die Intereſſen der Arbeiter wahrnehmen, Sie das immerhin im Rahmen der Geſamtintereſſen verſtehen. Wenn ich ſage: ich vertrete in dieſem Falle wie auch ge⸗ wöhnlich die Intereſſen der kleinen Handels⸗ und Gewerbetreibenden, ſo muß doch wohl ein jeder, der glaubt, daß ein verſtändiger Menſch geſprochen hat, davon überzeugt ſein, daß dieſe Vertretung innerhalb des Rahmens der Geſamtintereſſen nur gemeint ſein kann, und daß bei einer ſolchen Ver⸗ tretung von Einzelintereſſen das Geſamtintereſſe nicht außer acht gelaſſen werden darf. Das wollte ich mir nur im allgemeinen zu bemerken erlauben. Wenn Herr Kollege Crüger gemeint hat, ich hätte die Gelegenheit ergriffen, mein Steckenpferd zu reiten, ſo muß ich mir dieſe Art der Polemik durchaus verbitten! (Stadtv. Dr Crüger: Wie Sie wollen!) Das iſt nicht mein Steckenpferd, ſondern es geſchieht aus dem Bedürfnis heraus, daß ich in allen Fragen von dem Geſichtspunkt ausgehe, wie die Intereſſen der kleinen Handel⸗ und Gewerbetreibenden, die 80% der gewerblichen Steuerzahler ausmachen, in Einklang zu bringen ſind mit den Intereſſen der plutokratiſchen Klaſſen. Dieſen Standpunkt halte ich feſt, und ich muß es bedauern, daß eine ſolche rr . der Intereſſen als Steckenpferd be⸗ zeichnet wird. daß dieſer Standpunkt, wie es ſich erſt neulich wieder gezeigt hat, allein von mir in dieſer großen Verſammlung vertreten wird. Ich perſönlich ſtehe auf dem Standpunkt, daß es außerordentlich böſes Blut in allen dieſen Kreiſen, die ich ja nicht nur in dieſem Hauſe, ſondern auch weiter ſonſt zu ver⸗ Was ich ferner bedauere, iſt nur, treten die Ehre habe, machen würde, wenn Sie dazu ſchreiten wollten, eine Arbeitsverkürzung vorzu⸗ nehmen und ſich unter den gegenwärtigen rück⸗ gängigen Verhältniſſen ſympathiſch dafür zu er⸗ klären. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Dr. Spiegel (Schluß⸗ wort): Meine Herren, ich werde mich ganz kurz faſſen. An meinem Referat hat Herr Kollege Hirſch ausgeſetzt, daß ich die Mehrheit des früheren Aus⸗ ſchuſſes als eine vielleicht zufällige Mehrheit be⸗ zeichnet habe. Tatſache iſt, daß die Entſcheidung damals von 7 Mitgliedern getroffen wurde, daß alſo 4 Mitglieder des Ausſchuſſes dabei fehlten, und daß es ſich um eine Mehrheit von einer Stimme handelte. Infolgedeſſen kann der hier in der Sitzung gebrauchte Ausdruck „Zufallsmehrheit“ nicht gut beſtritten werden. Nun hat Herr Kollege Dr Stadthagen ge⸗ funden, daß in dem Ausſchußantrage der erſte Satz im Widerſpruch zum zweiten ſtehe. Ich kann mich dieſer Meinung nicht anſchließen. Der erſte Satz enthält eine prinzipielle Meinungsäußerung der Verſammlung: der Ausſchuß bittet die Verſamm⸗ lung, zu erklären, daß ſie an ſich einer Verkürzung der Arbeitszeit auf 9 Stunden ſympathiſch gegen⸗ überſtehe. Der zweite Satz ſagt deutlich — aller⸗ dings iſt das eine gewiſſe Einſchränkung —, daß ſie die praktiſche Konſequenz aus dieſem ihrem Wunſche natürlich nur ſoweit ziehen könne, als es die techniſchen und finanziellen Verhältniſſe geſtatten. Deshalb bittet ſie den Magiſtrat, erſt in Erwägungen einzutreten, in welchen Betrieben das zurzeit durchführbar wäre. Ich kann hierin keinen Widerſpruch, ſondern nur eine logiſche Ent⸗ wicklung des Gedankens ſehen. Wenn Herr Kollege Gebert meinte, daß die Stadt 5 Jahre gebraucht habe, um dieſe Sym⸗ pathiekundgebung fertigzuſtellen, ſo, glaube ich, unterſchätzt er doch die Arbeit des Ausſchuſſes, in dem er ſelbſt tätig war. Ich glaube wohl aus⸗ ſprechen zu dürfen, daß ſowohl das Material, das der Magiſtrat auf unſer früheres Anſuchen herbei⸗ geſchafft hat, wie das Material, das jetzt auf An⸗ ſuchen des Ausſchuſſes herbeigebracht worden iſt, und auch die Arbeiten des Ausſchuſſes ſelbſt für die künftige Beſchlußfaſſung eine geeignete Grund⸗ lage geſchaffen haben, ſo daß alſo dieſe 5 Jahre immerhin nicht verloren ſind. Auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Liſſauer will ich nicht weiter eingehen. Er hat ja das, was er vorhin über die Klaſſe, die er vertritt, ſagte, einigermaßen eingeſchränkt. Ich muß mich nur wundern, daß er hier davon ſpricht, daß er die Intereſſen der von ihm vornehmlich vertretenen Klaſſe mit den Intereſſen der plutokratiſchen Klaſſen in Einklang zu bringen ſich bemühe. Dazu war, glaube ich, bei der gegenwärtigen Vorlage gar keine Veranlaſſung, denn um die Intereſſen der plutokratiſchen Klaſſen handelt es ſich hierbei wahrlich nicht. Gegen die Sympathietundgebung iſt noch ein Einwand gemacht worden, den ich ganz kurz er⸗ örtern will, nämlich, daß wir Rückſicht zu nehmen hätten auch auf die Privatinduſtrie. Es tut mir leid, daß gerade mein Freund Dr Crüger dieſe Außerung getan hat, der, ſoweit ich informiert bin,