——— 565 — ausfallen als die wirklichen Lohnſätze. Eintritt von Krankheitsfälen würden aber infolge des geringeren Beitrages die Krankengelder geringer bemeſſen werden, was zweifellos nicht im Intereſſe der Arbeiter liegt. Aber ebenſowenig wie für die Arbeiter hat der Art. 6 einen Vorteil für die Hausgewerbe⸗ treibenden ſelber im Gefolge. Denn durch dieſen Abſatz 6 werden zwei Kategorien von Hausgewerbe⸗ treibenden geſchaffen: Hausgewerbetreibende, welche eine eigene Arbeitsſtätte haben, und ſolche ohne eigene Arbeitsſtätte. Die letzteren haben nach dem Ortsſtatut für die von ihnen Beſchäftigten das Drittel der Beiträge zu tragen, während die Hausgewerbetreibenden mit Arbeitern in eigenen Werkſtätten von der Aufbringung des einen Drittels für dieſe Arbeiter zuungunſten der Hauptarbeit⸗ geber befreit werden ſollen. Nun wurde allgemein zugegeben, daß eine ſolche Scheidung in beitrag⸗ zahlende und nicht zahlende Hausgewerbetreibende nicht gerade glücklich iſt; in Berlin ſoll ſogar ein Druck von Arbeitgebern auf die Hausgewerbe⸗ treibenden ausgeübt werden, ſich möglichſt in die Gewerbeſteuerrolle aufnehmen zu laſſen, damit ſie ſelber von der Laſt der Drittelbeiträge befreit werden. Würden wir nun die Hausgewerbe⸗ treibenden, die eine eigene Arbeitsſtätte haben, von der Zahlung des Drittels befreien und dieſe Laſt dem Arbeitgeber aufladen, dann könnten wir manchen Hausgewerbetreibenden in ſeinem Erwerb ſchädigen; denn die Arbeitgeber dürften dann ſolche Hausgewerbetreibende ohne eigene Werk⸗ ſtätten mit Perſonal bevorzugen. Die Annahme des Art. 6 würde weiter eine Verringerung der Hausgewerbetreibenden mit eigenen Werkſtätten bewirken und eng damit ver⸗ bunden eine um ſo größere Ausdehnung des Arbeitens in den eigenen Wohnungen der Haus⸗ gewerbetreibenden, was aber vom ſozialen und 10. Standpunkte ſich kaum rechtfertigen äßt. Ich bitte Sie daher im Namen meiner Fraktion, den Art. 6 abzulehnen, dagegen die Magiſtrats⸗ vorlage in ihrer urſprünglichen Geſtalt anzunehmen. Stadtrat Boll: Meine Herren, in dem Aus⸗ ſchuß hat der Magiſtrat natürlich ſeine Vorlage vertreten. In dieſer Vorlage iſt der Art. 6 nicht enthalten. Der Magiſtrat iſt der Anſicht, daß die Verhältniſſe der Hilfsperſonen ſchon durch das Geſetz geregelt ſind. Wenn ein Hausgewerbetreibender Hilfsperſonen, Geſellen, Lehrlinge beſchäftigt, ſo ſind dieſe nach § 1 des Krankenverſicherungsgeſetzes eo ipso verſicherungspflichtig. Sind die Hilfs⸗ pverſonen „Familienangehörige“, ſo ſind ſie ver⸗ ſicherungspflichtig, wenn ſie auf Grund eines Arbeitsvertrages gegen Gehalt und Lohn (freien Unterhalt) beſchäftigt werden. Nun ſtand die Sache im Ausſchuß ſo, daß es zweifelhaft war, ob die Magiſtratsvorlage nicht durch eine Menge Unteranträge zerpflückt würde; da kam der Magi⸗ ſtratsvertreter zu dem Entſchluß, dieſen Vorſchlag zu unterbreiten, der auch die Annahme gefunden hat, bloß um das Vorhandene zu retten. Die Frage iſt: wollen Sie das Drittel für dieſe Hilfs⸗ perſonen den Hausinduſtriellen abnehmen und dem unmittelbaren Arbeitgeber aufwälzen? Dann müſſen Sie den eingeſchobenen Artikel annehmen. Wollen Sie das nicht, dann bleibt es bei der Magi⸗ 4 Beim ſtratsvorlage, und der Hausgewerbetreibende, der Hilfsperſonen beſchäftigt, trägt das Drittel ſelbſt. Das iſt die Kardinalfrage. Für die Magiſtratsvorlage iſt in erſter Linie, was ich wiederholt im Ausſchuſſe betont habe, geltend zu machen, daß es natürlich viel ſchwerer ſein wird, die Verhältniſſe dieſer Hilfsperſonen, ihren Verdienſt, und ob ſie überhaupt verſicherungs⸗ pflichtig ſind, zu regeln, als bei den Hausindu⸗ ſtriellen ſelber. Im übrigen ſetzen Sie ſich der Gefahr aus, daß die gleichmäßige Ordnung der Hausinduſtrie für ein großes Gebiet wieder zerſtört wird. Rixdorf hat in den kommiſſariſchen Be⸗ ratungen, die wir ſeinerzeit hatten, ſich gegen die Hineinbeziehung der Hilfsperſonen in das Orts⸗ ſtatut ausgeſprochen; Schöneberg hat die Be⸗ ſtimmung überhaupt nicht, und das ſozial ſehr weit vorgeſchrittene Frankfurt a. M. hat ſich auch in dieſer Beziehung durchaus ablehnend verhalten. Sie würden alſo das, was der Magiſtrat in ſeiner Vorlage beabſichtigt, nach meiner Auffaſſung teil⸗ weiſe durch dieſen Einſchub zerſtören. Wir ſind, um es nochmals zu wiederholen, der Meinung, daß für dieſe Hilfsperſonen ſchon jetzt durch das Geſetz geſorgt iſt und daß eine Sonderbeſtimmung nicht nötig iſt. Die Befürchtungen des Herrn Stadtv. Rothholz, die er im einzelnen ausgeführt hat, teile ich nicht. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, ich bedauere, daß Herr Stadtrat Boll die beiden Fragen, die ich geſtellt habe, bisher noch nicht beantwortet hat. Sie gingen erſtens dahin, ob mit dieſem Artikel nicht nur die bereits durch das Kranken⸗ verſicherungsgeſetz getroffenen Perſonen getroffen werden, ſondern auch weitere Perſonen, nämlich die ohne feſten Arbeitsvertrag, aber doch nicht nur gelegentlich mitarbeitenden Hausangehörigen; zweitens, ob tatſächlich die Abwälzung des Drittels der Koſten auf den Unternehmer durch dieſen Artikel 6 erreicht werden würde. Nun hat Herr Kollege Dr Borchardt einen ergänzenden Antrag geſtellt, der ja die Zweifel, welche man in der zweiten Richtung hegen könnte, beſeitigen würde. Inſofern hat die zweite Frage geringere Bedeutung. Wenn nun Herr Kollege Rothholz vorſchlägt, den Art. 6 wieder zu ſtreichen, ſo werden wir uns dieſem Vorſchlage ſelbſtverſtändlich voll anſchließen. Sollte dieſer Antrag aber abgelehnt werden, dann würden wir es doch für richtig halten, bei der Unklarheit der Materie die Sache in den Ausſchuß zurückzuverweiſen. Wie unklar die Materie liegt, kann ich Ihnen aus zwei Darlegungen der Herren Dr Rothholz und Dr Borchardt beweiſen. Herr Kollege Dr Rothholz ſagte, es ſollen durch Art. 6 nur die Arbeiter ge⸗ troffen werden, die bereits durch das Kranken⸗ verſicherungsgeſetz getroffen worden ſind. Herr Kollege Dr Borchardt ſagte: es iſt ganz ſelbſt⸗ verſtändlich, daß die Familienmitglieder auch unter dieſes ganze Geſetz fallen. Art. 1 lautet aber: Selbſtändige Hausgewerbetreibende werden hier hineinbezogen — und es wurde ausdrücklich von Herrn Stadtrat Boll im Ausſchuß betont, daß die Frauen und Kinder dieſer ſelbſtändigen Haus⸗ gewerbetreibenden nicht ohne weiteres unter das Geſetz fallen. Meines Erachtens können ſie aller⸗ dings unter den Art. 6 fallen, und darum bin ich auch gegen die Annahme dieſes Artikels.