ſie haben lediglich den Zweck, ihnen etwas zu gewähren, damit ſie ſo lange über Waſſer bleiben, bis ſie wieder eine normale Beſchäftigung finden. Wenn der Herr Vorredner geſagt hat, das biete den Arbeitern gar nichts, ſo befindet er ſich in einem Irrtum. Die Arbeiter ſelbſt ſind anderer Meinung. (Rufe: Ach! ach! bei den Sozialdemokraten.) Die Arbeiter erwarten von dieſen Arbeiten nicht, daß ſie ihren vollen Tagesverdienſt haben, und ſie geben ſich ſehr viele Mühe, dieſe Arbeiten zu bekommen. Der Herr Vorredner befindet ſich alſo über dieſe Tatſachen in einem Irrtum, wenn er das ſagt. Völlig verſchieden davon und gar nicht hier hineingehörig ſind Arbeiten, die man zu den Not⸗ ſtandsarbeiten in dieſem Sinne überhaupt nicht zählen und die man höchſtens als ſolche im weiteren Sinne bezeichnen kann: das ſind Arbeiten, die die Stadt auch ſonſt vornehmen würde, und die ſie lediglich wegen der Arbeitsloſigkeit in dieſen Zeit⸗ punkt legt. Daß bei dieſen Arbeiten, wie beiſpiels⸗ weiſe bei der Herſtellung der Ufermauern, ſolche Löhne gezahlt werden, iſt ein Irrtum. Bei Her⸗ ſtellung der Ufermauern, die der Herr Vorredner als Beiſpiel aufgeführt hat, werden genau dieſelben Löhne gezahlt, wie bei allen ſtädtiſchen Arbeiten, (hört! hört!) und es iſt eine Verwechſlung zweier Dinge, die durchaus auseinanderzuhalten ſind, wenn bei Ge⸗ legenheit dieſer Etatsvorlage die Ufermauer an⸗ geführt wird. Die gehört in dieſe Vorlage nicht hinein. Die Mehrforderung entſteht dadurch, daß in einzelnen Verwaltungszweigen Mehrkoſten ent⸗ ſtehen durch, wie die gegenwärtige Faſſung des betreffenden Etatstitels iſt, „Verwendung minder⸗ wertiger Arbeitskräfte“. Die Faſſung hat einen Urſprung, der auf die Beratungen einer Etats⸗ kommiſſion zurückgeht. Gemeint ſind mit den minderwertigen Arbeitskräften ſolche, die für das betr. Reſſort minderwertig ſind. Wenn man z. B. für Umgrabungen etwa Leute verwendet, die ſonſt keine Umgrabungen machen, ſo entſtehen dadurch Mehrkoſten. Wenn Arbeiten vorgenommen werden lediglich zur Beſchäftigung Arbeits⸗ loſer, ſo ſind das Ganze Mehrkoſten. Nur für dieſe Art von Arbeiten iſt dieſer Etat beſtimmt. Die Ufermauer fällt nicht unter den Etatstitel. Ich kann übrigens auch poſitiv verſichern, daß dabei dieſelben Löhne gezahlt werden, wie bei allen ſtädtiſchen Arbeiten. Vorſteher Kaufmann: Herr Kollege Wilk hat ſich zum Worte gemeldet. Ehe ich ihm das Wort gebe, möchte ich der Verſammlung zur Verein⸗ fachung unſerer Verhandlungen vorſchlagen, daß wir gleichzeitig den nächſten Punkt, die Anfrage der Stadtv. Zietſch und Gen., diskutieren, denn dieſe beiden Punkte berühren ſich ſo innig, daß ſchon mehreres, was der Herr Magiſtratsreferent eben vorgetragen hat, zu dem Antrage Zietſch mit hätte geſagt werden können. — Wenn ich keinen Widerſpruch höre, werde ich ſo verfahren. Wir erſparen uns, doppelt die Dinge zu hören, die ſich auf beides beziehen. Ich eröffne alſo die Beratung gleichzeitig über Punkt 21 der Tagesordnung: Anfrage der Stadtv. Zietſch und Gen. betr. Arbeitsloſigkeit. — Druckſache 478. Ich würde jetzt in der Debatte fortfahren und dann zunächſt dem Herrn Kollegen Zietſch das Wort geben. Am Schluſſe würde ich dann über den vorhergehenden Punkt abſtimmen laſſen. Die Anfrage lautet: Welche Maßnahmen — außer denen, welche bereits in der Stadtverordnetenſitzung vom 4. November 1908 bekannt gegeben wurden — gedenkt der Magiſtrat zu treffen, um der gegenwärtig herrſchenden Arbeitsloſigkeit entgegenzuwirken? Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Wir haben nichts dagegen, daß ſo verfahren wird, ich nehme dann nur an, daß ohne weiteres die Be⸗ ſprechung der Interpellation als beſchloſſen an⸗ geſehen wird. Vorſteher Kaufmann: Wenn ich einen Wider⸗ ſpruch höre, würde ich nicht ſo verfahren. Ich glaube aber, wir vereinfachen die Beratung, da die Materie dieſelbe iſt. Sie haben die Abſicht, Herr Kollege Hirſch, die Beſprechung der Anfrage zu beantragen? (Stadtv. Hirſch: Ich würde dann darauf verzichten!) Ich habe keinen Widerſpruch gehört, es iſt alſo ſo beſchloſſen. Es iſt beantragt worden, an die Anfrage des Herrn Kollegen Zietſch eine Beſprechung anzu⸗ ſchließen. — Der Antrag iſt genügend unterſtützt, Er iſt alſo auch damit beſchloſſen. Jetzt fahren wir in der Debatte fort. Stadtv. Wilk: Meine Herren, der Herr Stadtrat Jaſtrow hat erklärt, daß die Arbeiter ſich mit dem geringen Lohn zufrieden geben. Mir perſönlich iſt das durchaus begreiflich. Ein Mann, der wochenlang keine Arbeit mehr gehabt hat, ſagt ſich — Hunger tut weh —: ehe ich noch länger auf dem Straßenpflaſter liege, lieber nehme ich die paar Wochen mit geringerem Lohne fürlieb. Da bewahrheitet ſich eben das, was ich geſagt habe: es wird die Notlage der Arbeiter in rigoroſer Weiſe ausgenutzt. (Unruhe und Rufe: Oho!) Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Herr Kollege Wilk, ich kann den Ausdruck, daß die Not⸗ lage der Arbeiter in rigoroſer Weiſe ausgenutzt wird, nicht zulaſſen, ich rufe Sie zur Ordnung. Stadtv. Wilk: Mir fiel im Augenblick kein anderer Ausdruck ein, aber ich bin derartig erregt darüber, daß man die Arbeiter mit ſolchen Löhnen abfindet, daß ich lebhaft bedauere, nicht noch ſchärfer geworden zu ſein. (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Herr Kollege Wilk, ich kann eine derartige Kritik nicht zulaſſen. Wenn Sie noch ſchärfer geworden wären, würden Sie noch ſchärfer gegen die Ord⸗ nung verſtoßen haben. Ich verbitte mir eine derartige Außerung.