brauchte dieſe Arbeit nicht als Notſtandsarbeit hingeſtellt zu werden —: daß bei dieſen beiden Ar⸗ beiten überhaupt nur 106 Perſonen beſchäftigt worden ſind. Es iſt geſagt worden, die Kolonnen zur außerordentlichen Reinigung jener Straßen könnten event. verſtärkt werden, ſo daß 200 Arbeits⸗ loſe dabei Beſchäftigung finden könnten. In⸗ zwiſchen werden aber die Arbeiten mit der Um⸗ grabung des Kompoſthaufens aufgehört haben, denn dieſe ſind zeitlich begrenzt, ſie können nicht bis ins Unendliche ausgedehnt werden. Nehmen wir aber wirklich an, es könnten bei dieſen beiden Veranſtaltungen, bei den Arbeiten auf dem Kom⸗ poſthaufen und bei der Straßenreinigung dauernd vielleicht 260 Perſonen beſchäftigt werden darüber hinaus wird ja eine Beſchäftigungsmöglich⸗ keit nicht gegeben ſein nach den Darlegungen, die uns von dem Herrn Magiſtratsvertreter in der gemiſchten Deputation gemacht worden ſind —, ſo muß ich erklären, daß die Beſchäftigung von dieſen 260 Perſonen durchaus nicht in irgend⸗ einem durchgreifenden Maße eine Arbeitsloſen⸗ fürſorge darſtellt. Namentlich nicht in Anſehung der Zahlen, welche die letzte Arbeitsloſenzählung in Charlottenburg am 17. November ergeben hat. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ferner kommt hinzu, daß die Umgrabung des Kompoſthaufens und die außerordentliche Straßen⸗ reinigung von einem Herrn Magiſtratsvertreter in der gemiſchten Deputation als — wie ſoll ich ſagen — nicht gerade ganz beſonders notwendige Arbeiten bezeichnet worden ſind; d. h. man wollte nicht direkt ſagen: die Arbeiten ſind nutzlos. Nutzlos an und für ſich ſind ja dieſe Arbeiten auch nicht, denn die Umgrabung des Kompoſthaufens mußte einmal vorgenommen werden, und ſchließlich müſſen auch mal die Straßen öfter gereinigt werden. Alſo ganz unproduktive Arbeiten ſind es nicht, ſie werden aber nur als halbproduktive Arbeiten, als ſogenannte Notſtandsarbeiten von dem Magiſtrat angeſehen. Und da haben wir in der gemiſchten Deputation den Standpunkt vertreten, daß wir an der Aus⸗ führung ſolcher Notſtandsarbeiten, die irgend⸗ welchen Vorteil für die Stadt nicht bieten, kein Intereſſe haben. Wir bedauern auch, daß ſolche Notſtandsarbeiten unternommen werden und daß man dabei Löhne zahlt, über deren Unzulänglich⸗ keit in unſeren Kreiſen eine geteilte Meinung nicht beſteht. Selbſt die bei den Notſtandsarbeiten beſchäftigten Arbeitsloſen haben doch auch gewiſſe Anſprüche an das Leben, denen ſie gerecht werden müſſen, und es iſt ganz unlogiſch und unrichtig, daß man dieſe Notſtandsarbeiten nur für einen augenblicklichen Notbehelf anſieht, der geringere Löhne rechtfertige. So lange die Leute bei dieſen Arbeiten tätig ſind, müſſen ſie ihre Kraft dafür einſetzen, und darum müſſen ſie auch ſo bezahlt werden, daß ſie dieſe aufgewendete Kraft ganz erſetzen können. Die Arbeitsloſenzählung hat am 17. November ſtattgefunden. Sie hat durchaus nicht in allem dem entſprochen, was wir von ihr erwaret haben. Daß das Reſultat, das bekannt geworden iſt, wonach ohne die Rentenempfänger — die rechne ich nicht — an männlichen und weiblichen Arbeits⸗ loſen 1879 Perſonen gezählt worden ſind, ein ganz zutreffendes Bild der Lage gibt, darein müſſen wir verſchiedene Zweifel ſetzen. Ich meine nicht, meine Herren, daß die Zählung ſelbſt nicht korrekt vorgenommen worden iſt, ſondern wir begründen 529 —— unſere Zweifel damit, daß der ganze Zählmodus kein glücklicher geweſen iſt. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich mache deswegen der Stadtverwaltung keinen Vorwurf, auch nicht den betreffenden Herren Dezernenten. Ebenſowenig der Stadtverordneten⸗ verſammlung. Wir haben ſelbſt damals den Kredit für dieſe Zählung bewilligt und haben für dieſen Zählmodus geſtimmt, weil wir unter dem Druck einer allgemeinen Vereinbarung mit Groß⸗Berlin gehandelt haben. Aber dieſelben Eindrücke, die wir hier gewonnen haben, dieſelbe Abneigung, die wir gegen dieſen Zählmodus empfinden, haben ſich auch in den Kreiſen unſerer Freunde in den andern Gemeinden von Groß⸗Berlin und in Berlin ſelbſt geltend gemacht. Wir ſtehen auf dem Standpunkt, daß ein erſchöpfendes Reſultat nur eine Zählung hätte ergeben können, die auf Grund des Haus⸗ liſtenzählſyſtems durchgeführt worden wäre. Wir nehmen dabei durchaus nicht einen Standpunkt ein, der aus beſonderen parteipolitiſchen Gründen hervorgegangen iſt, ſondern ſelbſt Leute, die ganz außerhalb unſeres Lagers ſtehen, die ganz andere ſozialpolitiſche Anſchauungen vertreten als wir, z. B. der Zentrumsabgeordnete Trimborn, ſind derſelben Anſicht, daß nur durch das Hausliſten⸗ zählſyſtem ein wirklich zutreffendes Reſultat vom Umfang der Arbeitsloſigkeit ermittelt werden könnte. In Verbindung damit richte ich gleich an den Magiſtrat die Bitte — und wenn der Magiſtrat beſondere Gelegenheit haben wollte, unſeren Wünſchen entgegenzukommen, ſo werden wir ihm dieſe Gelegenheit geben, ſich noch einmal aus⸗ führlich darüber auszuſprechen —, daß die nächſte Zählung am 17. Februar 1909 in Charlottenburg nicht mehr auf Grund des Zähllokalſyſtems, ſondern auf Grund von Zählungen nach Hausliſten aus⸗ geführt werde. Die dazu erforderlichen Perſonen, die Zählerkräfte würden wir dem Magiſtrat ſehr gern zur Verfügung ſtellen. Das Reſultat der Zählung vom 17. November iſt aber doch ſo inter⸗ eſſant, daß ich Ihnen nur einige Zahlen daraus vortragen möchte. Wenn es ſich um die Fürſorge von Arbeits⸗ loſen handelt, dann tauchen immer Bedenken auf, und es wird geſagt: Für wen erfüllen wir eigentlich die Fürſorge, ſind das Leute, die unverſchuldet in die Arbeitsloſigkeit gekommen ſind, ſind es Per⸗ ſonen, die würdig ſind, durch die Stadt unterſtützt zu werden, ſind es in letzter Linie ortseingeſeſſene Bürger, die wir unterſtützen, oder iſt es nur ein fluktuierendes Element, das gerade durch die Arbeitsloſigkeit nach Charlottenburg geſchleudert worden iſt, weil Charlottenburg die vermögende Stadt iſt, in der angeblich ſo viele reiche Leute wohnen und deren allgemeine Einrichtungen als Lockmittel für ſolche vagabondierenden Elemente dienen können, die der Fürſorge teilhaftig werden möchten, die hier für die Arbeitsloſen ausgeübt wird? Nun, meine Herren, von den 1879 Arbeits⸗ loſen waren 955 verheiratet, und dieſe hatten 1472 Kinder unter 16 Jahren zu verſorgen. Es iſt auch ein Irrtum, wenn man annimmt, daß der größte Teil der Arbeitsloſen ſich aus ſogenannten ungelernten Arbeitern zuſammenſetzt. Von dieſen 1058 arbeitsloſen Arbeitern waren gelernte Arbeiter 1038, (hört! hört! bei den Sozialdemokraten) alſo weit über die Hälfte. An ſogenannten un⸗ gelernten Arbeitern — d. h. dieſelben können früher