—— 589 —— auch mal gelernte Arbeiter geweſen ſein, ſie ſind] gewohnt. vielleicht durch Berufswechſel oder durch Ver⸗ ſchiebung der Arbeitsgelegenheit in die Stelle eines ungelernten Arbeiters hineingedrängt worden — wurden 841 gezählt. Nun ſagt man auch: Ja, die Arbeitsloſigkeit iſt nicht eine Folge der allgemeinen wirtſchaftlichen ſchlechten Lage, ſondern ſie iſt zum größten Teil dadurch begrundet, daß zur Zeit des Winters die Bautätigkeit an und für ſich nachläßt und dadurch eine Vermehrung der Arbeitsloſigkeit eintritt. Selbſtverſtändlich iſt das Baugewerbe von der Arbeitsloſigkeit ſehr ſtark berührt. Nach dem Ergebnis der Zählung vom 17. November waren aus dem Baugewerbe von den ungelernten Arbei⸗ tern 363 arbeitslos; von gelernten Arbeitern im Baugewerbe — das ſind Schloſſer, Tiſchler, Maurer, Maler, nicht Anſtreicher, ſondern Maler — wurden 478 gezählt. Man kann aber nun fragen: Sind dieſe Leute wirklich infolge von Unter⸗ brechung der Arbeitsſaiſon arbeitslos geworden? Auch darüber gibt die Statiſtik eine Auskunft. Von den 478 gelernten Bauarbeitern, die ſeit Anfang November arbeitslos ſind — man kann billig annehmen, daß die Bautätigkeit mit Ausgang Oktober infolge der Witterungsverhältniſſe nach⸗ gelaſſen hat, und daß von da an die Saiſon der Arbeitsloſigkeit für die Bauarbeiter eintritt — von dieſen 478 gelernten Bauarbeitern waren ſeit Anfang November nur 150 arbeitslos, vorher waren bereits 328 arbeitslos. Sie können alſo nicht folgern, daß die Arbeitsloſigkeit im Baugewerbe durch Saiſoneinflüſſe und Gewohnheiten hervor⸗ gerufen worden ſei. Von allen 1879 Arbeitsloſen waren aber vor dem November 1271 arbeitslos. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Sie ſehen auch daraus, daß die allgemeine Annahme, daß durch den Saiſonwechſel im Baugewerbe die Zahl der Arbeitsloſen ſtark vergrößert worden iſt, nicht zutrifft. Denn vor dem Oktober waren von dieſen 1879 Arbeitsloſen ſchon 615 Perſonen arbeitslos. Sie können weiter ſagen: Viele von dieſen Arbeitsloſen ſind infolge von Krankheit arbeitslos geworden, ſie haben die Arbeit ſelbſt aufgegeben uſw. Auch das trifft nicht zu, der Grund der Arbeits⸗ loſigkeit war bei 1038 gelernten Arbeitern in 951 Fällen direkter Arbeitsmangel, dieſe Arbeiter ſind alſo ohne ihr Verſchulden und gegen ihren Willen arbeitslos geworden. Bei den 841 ungelernten Arbeitern war in 739 Fällen Arbeitsmangel die Veranlaſſung der Arbeitsloſigkeit. Bei den 1879 Arbeitsloſen zuſammen war in 1690 Fällen Arbeitsmangel die Urſache des Fortfalls der Arbeitsgelegenheit. Sie ſehen alſo, dieſe Zählung, ſo unvollkommen ſie ſein mag, beſtätigt in geradezu lapidarer Weiſe alles das, was wir vorhergeſagt haben. Wie viele waren nun von dieſen Arbeitsloſen vor dem 1. Oktober 1907 Charlottenburger? — Ich habe die andern Zeiten fortgelaſſen, weil Sie, wenn Sie Fürſorgebeſtimmungen für die Arbeitsloſen treffen werden, vermutlich ſagen werden: An dem Segen der ſogenannten Fürſorge⸗ veranſtaltungen dürfen nur diejenigen teilnehmen, die eine gewiſſe Zeit in Charlottenburg wohnen. Und ich nehme an, daß Sie im ſchlimmſten Falle eine einjährige Karenzzeit verlangen werden. — Vor dem 1. Oktober 1907 haben, wie ich Ihnen mitteilen kann, von den 1879 Arbeitsloſen ſchon 1302 hier worden iſt. Seit 1905 und früher waren ſchon 1072 hier anſäſſig, und von den 478 gelernten arbeits⸗ loſen Bauarbeitern wohnten vor dem Jahre 1903 ſchon 219 Perſonen in Charlottenburg. Sie ſehen alſo, es handelt ſich um einen ganz ſtändigen, ein⸗ geſeſſenen Arbeiterſtamm in Charlottenburg, der ſeit langer Zeit arbeitslos iſt. Dieſen Reſultaten gegenüber — der Meinung werden Sie wohl nun ohne weiteres mit mir ſein — genügen die Vorſichtsmaßregeln, die der Magiſtrat getroffen hat, der event. dauernd nur 260 Leute beſchäftigen kann, durchaus nicht. Damit wird den Vorausſetzungen nicht entſprochen, deren Erfüllung damals vertrauensvoll dem Magiſtrat überlaſſen In irgendeiner Art und Weiſe muß doch nun auf Grund dieſer Zählergebniſſe der Magi⸗ ſtrat Stellung dazu nehmen, wie er ſeiner Ver⸗ pflichtung gegenüber den billigen Wünſchen der alteingeſeſſenen Arbeitsloſen in Charlottenburg Rechnung tragen will. Wir hoffen, nachdem die heutige Sitzung, die die letzte im Jahre iſt, uns wieder Veranlaſſung gegeben hat, der Frage der Abſchwächung der Arbeitsloſigkeit und ihrer Folgen näher zu treten, daß der Magiſtrat uns eine befriedigende Auskunft darüber geben kann, damit wir in das neue Jahr mit beſſeren Hoffnungen eintreten können, als wir das alte heute verlaſſen müſſen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtrat Dr. Jaſtrow: Meine Herren, wir können, glaube ich, dem Herrn Stadtverordneten⸗ vorſteher ſehr dankbar ſein, daß er durch die Ver⸗ bindung dieſer beiden Punkte uns Gelegenheit gibt, uns über alle in Betrcht kommenden Fragen im Zuſammenhange auszuſprechen. Die Aus⸗ führungen des Herrn Interpellanten haben ja auch beinahe alle Geſichtspunkte berührt, die für dieſe Erwägungen maßgebend ſind. Herr Zietſch iſt auch auf die äußere Behandlung der Frage in der gemiſchten Deputation eingegangen und hat die Meinungsverſchiedenheiten, die darüber beſtanden, den Tatſachen entſprechend wiedergegeben. Ich will nur einiges ergänzend hinzufügen, um zu zeigen, wie ſich innerhalb des Magiſtrats die Be⸗ handlung dieſer Frage entwickelt hat. Der Magiſtrat war um die Zeit, als die Stadt⸗ verordnetenverſammlung zum erſten Male in die Beratung eintrat, ſchon mit Beratungen über Maßregeln betreffend Arbeitsloſigkeit beſchäftigt und hatte bereits einen Ausſchuß eingeſetzt, der ſich mit allen Maßregeln befaſſen ſollte, die zur Linderung der Arbeitsloſigkeit erforderlich ſind. Während der Magiſtrat in dieſen Beratungen begriffen war, faßte die Stadtverordnetenverſammlung einen neue Beſchluß, der den erſten überbot. Der erſte Be⸗ ſchluß der Verſammlung hatte ſich mit dem Problem der Arbeitsloſenverſicherung befaßt, dieſer zweite Beſchluß überbot den erſten in zweierlei Weiſe: Erſtens begnügte er ſich nicht mit einer Anfrage an den Magiſtrat, ſondern verlangte die Einſetzung einer gemiſchten Deputation; zweitens befaßte ſich der zweite Beſchluß nicht mit der einen Frage der Arbeitsloſenverſicherung, ſondern mit der Arbeits⸗ loſenfürſorge überhaupt. Ebenſo wie der erſte Be⸗ ſchluß der Stadtverordnetenverſammlung doch nicht gemeint hatte, der Magiſtrat ſolle in Erwägungen eintreten, wie im Augenblick eine Arbeitsloſen⸗ verſicherung zu machen ſei, ebenſowenig kamen wir im Magiſtrat auf den Gedanken, der zweite