immerhin als eine dankenswerte Leiſtung aner⸗ kannt werden. (Sehr richtig!) Wir ſehen doch, daß den Arbeitsloſen irgendwelche Arbeit wieder zufließt. Daß dieſer Zuſtand, wie er ſich aus der Zählung ergeben hat, ſehr ernſt iſt, das iſt nicht zu beſtreiten. Wir faſſen die Sachlage im Magiſtrat auch ernſt auf. Aber ſo, daß man meinen könnte, es ſei hier eine Arbeitsloſigkeit, die zur Verzweiflung aufregte, iſt dieſer Zuſtand nicht. Man kann in dem gegen⸗ wärtigen Zuſtande dem Patienten — ich will den Wirtſchaftskörper als Patienten anſehen — mit gewiſſen Linderungsmitteln Erleichterung ver⸗ ſchafſen. Wenn ich nun weiter der Meinung bin, daß Charlottenburg im Verhältnis zu andern Orten eine günſtige Lage zeigt, ſo muß dies irgendeinen Grund haben; es würde wenig glaublich erſcheinen, wenn man den Grund nicht anführen kann. Ich glaube, daß der Grund zu finden iſt, wenn man die allgemeinere Charlottenburger Statiſtik ins Auge faßt. Es iſt derſelbe Grund, den wir in ähn⸗ lichen Verhandlungen, die wir im Jahre 1902 und früher hier führten, geſehen haben. Es zeigt ſich in der Charlottenburger Wanderungsſtatiſtik die ganz merkwürdige Erſcheinung, daß in Charlotten⸗ burg in ſchlechten Zeiten die Zuwanderung mehr als in andern Städten abnimmt. Wenn ich die Ziffern von Monat zu Monat vergleiche, ſo ergibt ſich, daß wir in jedem Monat des Jahres 1908 ein geringeres Wanderungsreſultat als in den ent⸗ ſprechenden Monaten des Jahres 1907 haben. Ich leſe die Zahlen des Wanderungsüberſchuſſes in den Monaten der Jahre 1907 und 1908 hintereinander vor: der Wanderungsüberſchuß betrug im Januar 1907: 515, ging zurück im Januar 1908 auf 431; im Februar betrug er 203 und ging ſo weit zurück, daß wir in dieſem Jahre einen Wanderungsunter⸗ ſchuß von 501 hatten. Im März, wo infolge des Meldungsweſens ſich immer ein Unterſchuß zeigt, betrug im Vorjahre der Unterſchuß 965, diesmal 1376. Im April ging der Wanderungsüberſchuß zurück von 3331 auf 1430. Der Mai macht eine Ausnahme: da iſt der Überſchuß geſtiegen von 329 auf 804. Im Juni iſt ein Unterſchuß von 980 und 984 vorhanden, desgleichen im Juli von 1643 und 1706 ſowie im Auguſt von 251 und 697. Im Sep⸗ tember ging der Wanderungsüberſchuß von 986 auf 763 zurück, im Oktober — das iſt der Monat des großen Wanderungsüberſchuſſes — von 7057 auf 5144. Im November ging der Überſchuß von 1874 auf 1316 zurück. Wenn man das Jahr als Ganzes nimmt, indem man den Dezember ſchätzt, ſo ſtellt ſich heraus, daß wir im Vorjahre 1907 wie auch in dem Vorvorjahre 1906 einen Wanderungsüber⸗ ſchuß von ungefähr 10 000 hatten, in dieſem Jahre aber nur einen Wanderungsüberſchuß von unge⸗ fähr 3300 haben. Wenn alſo eine Stadt wie Char⸗ lottenburg in allen ihren wirtſchaftlichen Verhält⸗ niſſen auf eine Zuwanderung von 10 000 einge⸗ richtet iſt und ſtatt deſſen nur 3000 zuwandern, ſo liegt hierin allein ſchon eine bedeutende Entlaſtung des Arbeitsmarktes. Wenn alſo die Verhältniſſe in Charlottenburg günſtiger liegen, ſo iſt das durch dieſe allgemeine Wanderungserſcheinung voll⸗ ſtändig erklärlich. Geſtatten Sie mir, meine Herren, zum Schluß noch einige allgemeine Bemerkungen. Eine Arbeits⸗ loſigkeit iſt wie jede Depreſſion im Gewerbe eine Landeskalamität, unter der alle in gleicher Weiſe leiden. Ich finde es vollkommen begreiflich, daß diejenigen in einer ſtadtparlamentariſchen Ver⸗ tretung, die ſich die Wahrnehmung der Intereſſen der Arbeitsloſen zur beſonderen Aufgabe machen — und das ſind glücklicherweiſe ſehr viele auf den verſchiedenen Seiten unſerer Stadtverordnetenver⸗ ſammlung —, energiſch verlangen, daß etwas ge⸗ ſchehen ſoll, während der Magiſtrat als die aus⸗ führende Behörde nur in der Lage iſt, das Mögliche zu tun. Ich bin weit entfernt, darin etwas Schlechtes, eine üble Einrichtung zu erblicken, ſondern das iſt eine gewiſſe Arbeitsteilung, daß der eine Teil drängt, während der andere, der die Ausführung zu leiſten hat, ſich eben nur zu ſolchen Dingen drängen laſſen kann, die innerhalb der Grenzen des Erreichbaren liegen. Vergeſſen wir aber bei dieſer Arbeitsteilung nicht, was uns beiden gemeinſam iſt: das iſt vor allen Dingen die richtige Feſtſtellung der Tatſachen, die ſich davon frei zu halten ſucht, Übel⸗ ſtände zu leugnen, bloß weil man ſie nicht ganz be⸗ ſeitigen kann, und die auf der andern Seite ſich auch davor zu hüten ſucht, Übelſtände, die vor⸗ handen ſind, als größer hinzuſtellen, als es den Tat⸗ ſachen entſpricht. Dieſes zweite iſt keineswegs ein ganz gefahrloſes Unternehmen. Vertreter einer lebhafteren Arbeiterpolitik denken zu ſelten daran, daß es auch Nachteile haben kann, wenn man die Stadt zu Maßregeln drängt, die den Arbeitern unter dem Namen der Notſtandsarbeiten tatſächlich alles geben, was ſie ſonſt bei normaler Arbeit ver⸗ dienen. Das iſt keineswegs etwas, was den Ar⸗ beitern nur zum Vorteil gereicht. (Sehr richtig!) Ich möchte denen, denen eine gute Arbeiterpolitik am Herzen liegt, doch das Nachdenken darüber emp⸗ fehlen, ob es denn ſo wünſchenswert iſt, den Arbeit⸗ gebern in dieſer Beziehung die Sorge abzunehmen, ſo daß die Arbeitgeber ſich ſagen: wir brauchen ja an gar nichts zu denken, jeder wird ja vollſtändig verſorgt! (Rufe: Ach, ach! bei den Sozialdemokraten.) — Ja, „ach, ach“, denken Sie nicht von heute auf morgen, denken Sie auch daran, welche Wirkungen das im Laufe der Generationen hat. Es iſt ferner keineswegs wünſchenswert — was auch ſehr häufig von Vertretern der Arbeiterpolitik nicht bedacht wird —, wenn es ſich um die Feſtſtellung der Tat⸗ ſachen handelt, daß ſie nur ja recht ſchwarz gemalt werden, in dem, wie ich anerkenne, an ſich durch⸗ aus löblichen Beſtreben, vorwärtstreibend zu wirken, damit die Verwaltung nicht einroſtet. Die Arbeiter haben keineswegs ein Intereſſe daran, daß ihre Lage ſehr ſchwarz hingeſtellt werde. Augenblicklich ſteht gerade das Thema auf der Tagesordnung: was ſoll die Stadt in Sachen der Arbeitsloſigkeit tun? Nachher kommen andere Themata. Es werden Kämpfe auf dem Wirtſchaftsmarkt ausgefochten. Kein Kaufmann hat ein Intereſſe daran, daß ſich die Meinung verbreitet, ſeine Ware ſei nicht los zu werden, und kein Arbeiter hat ein Intereſſe daran, daß ſich die Meinung verbreite, die Lage auf dem Arbeitsmarkte ſei ſo gedrückt, daß die Arbeiter um jeden Preis nachgeben müßten, (ſehr gut!) wenn auf dem Arbeitsmarkt ein Lohndruck eintritt. Laſſen Sie ſich bloß nicht durch die Möglichkeit eines augenblicklichen Erfolges verführen zu Schwarz⸗ ſehereien, die unter Umſtänden Folgen haben könn⸗ ten, die Sie nicht wünſchen. Ich bin auch der Über⸗