zeugung, daß es in unſerer Stadtverordnetenver⸗ ſammlung in dieſem Falle wie in wenigen Fällen nicht an dem Beſtreben fehlen wird, die Tatſachen möglichſt objektiv darzuſtellen und zu würdigen. Ich glaube, auch der Herr Interpellant wird dem Magiſtrat die Anerkennung nicht verſagen, daß er ſeinerſeits beſtrebt iſt, das Tatſachenmaterial ſo gut zu ſammeln und zugänglich zu machen wie nur irgend möglich. Ich erinnere daran, daß die Stadt Charlottenburg die erſte in Deutſchland geweſen iſt, die aus der beſtändigen Verfolgung des Arbeits⸗ marktes ein Dezernat gebildet hat. Der Magiſtrat zu Charlottenburg war der erſte, der in periodiſchen Zwiſchenräumen, ohne Rückſicht darauf, ob An⸗ regungen vorlagen oder nicht, ſich von dem Dezer⸗ nenten regelmäßig über die Lage des Arbeits⸗ marktes Bericht erſtatten ließ, und ich glaube, die Stadt Charlottenburg war — ich weiß nicht, ob die erſte, aber wohl auch eine der erſten, die hierin mit der alten Geheimniskrämerei gebrochen hat. Früher, wenn eine Arbeitsloſigkeit im Anzuge war, ſagte man: nur möglichſt alles, was man erfährt, geheimhalten, nur ja nicht Aufhebens davon machen, damit ſich kein Gerede verbreite! Ich glaube, die Herren aus der Verſammlung, die ſich mit dieſen Dingen beſchäftigen wollten, werden den Magiſtrat jederzeit bereit gefunden haben, das ganze Material zur Verfügung zu ſtellen. Wir wiſſen, daß wir hier einer ſehr ſchwierigen Aufgabe gegenüberſtehen, ſo⸗ wohl was die Erfaſſung der Lage des Arbeits⸗ marktes betrifft, als noch vielmehr die Mittel zur Abhilfe, und wir haben zu allen Teilen der Ver⸗ ſammlung das volle Zutrauen, daß ſie uns in dieſer ſchweren Aufgabe unterſtützen werden. (Lebhaftes Bravo.) Stadtv. Zietſch: Herr Stadtrat Dr Jaſtrow hat eine Rede gehalten, die auch von unſerm Stand⸗ punkt aus manches Anerkennenswerte, ſoweit es ſich auf das von uns anzuerkennende Material be⸗ ſchränkt, enthalten hat. Ich möchte nur verſchiedenen Ausführungen entgegentreten, die meiner Auf⸗ faſſung nach ſo, wie ſie vorgetragen worden ſind, nicht der Wirklichkeit entſprechen. Herr Stadtrat Jaſtrow ſagte, es ſei den Mitgliedern der gemiſchten Deputation unbenommen geweſen, auch Fragen aufzuwerfen, die für die Beſeitigung der gegen⸗ wärtigen Not der Arbeitsloſigkeit in Betracht kommen konnten. Ich erinnere daran — der Herr Stadtrat wird das auch wiſſen, —, daß es zu ver⸗ ſchiedenen Malen, als ſolche Vorſchläge in der ge⸗ miſchten Deputation gemacht worden ſind, geheißen hat: das beſchäftige die gemiſchte Deputation nicht, die Vorſchläge kann der Magiſtrat nicht entgegen⸗ nehmen — und die Diskuſſion mußte über ſolche Vorſchläge auch abgebrochen werden. (Zuruf vom Magiſtratstiſch.) — Wenn es falſch iſt, ſo kann es von den Herren Magiſtratsvertretern berichtigt werden. Wir, mein Freund Borchardt und ich, haben uns gerade auf Grund dieſer Feſtlegung des Magiſtrats weiterer Vorſchläge in der gemiſchten Deputation enthalten. Wenn Herr Stadtrat Jaſtrow ſagt: Die Not⸗ ſtandsarbeiten ſollen den Arbeitern keinen Erſatz für das bieten, was ſie bei regelrechter Arbeit ver⸗ dienen, ſie ſollen gerade nur dazu dienen, um die Arbeiter über Waſſer zu halten, und der Arbeiter könnte ſonſtige Ausgaben bis zu einer Zeit hinaus⸗ ſchieben, wo er wieder regelmäßige Arbeit hätte —, ſo mag das vielleicht annehm bar ſein, wenn die 585 Arbeiter aus einer Beſchäftigung, die ſie bisher regelmäßig gehabt haben, aus welcher ſie einen ge⸗ wiſſen Lohn, der ihnen dasExiſtenzminimum ſicherte, bezogen hatten, gleich in die ſogenannte Notſtands⸗ arbeit hinübergehen. Aber ſehr viele Leute, welche zur Notſtandsarbeit gekommen ſind, ſind ſchon Monate lang vorher arbeitslos geweſen, (ſehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) haben Monate lang Ausgaben hinausſchieben müſſen, deren Erledigung brennend geworden iſt. Denn ſchließlich brauchen ſie auch mal Kleidung, die ſie ſich Monate lang nicht haben kaufen können: ſie haben ſich die Stiefel Monate lang nicht beſohlen laſſen können, ſie ſind vielleicht mit ihren Miets⸗ beträgen 1, 2 Zahltermine im Rückſtand, und ſchließlich haben ſie auch der Stadt die Steuern nicht zahlen können. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich glaube nicht, daß den Arbeitern, wenn ſie bei Notſtandsarbeiten beſchäftigt werden und auch nur ein geringes Einkommen beziehen, daraufhin die Kommunal⸗ und Staatsſteuern erlaſſen oder für längere Zeit geſtundet werden. Da wird die Behörde nicht ſagen: das ſind Ausgaben, die hinausgeſchoben werden können. Unſerer Auffaſſung nach ſind das allerdings Ausgaben, die am weiteſten hinaus⸗ geſchoben werden können und müßten. Wir ſtanden damals in der gemiſchten Depu⸗ tation auf dem Standpunkt: Notſtandsarbeiten, namentlich ſolche, wie ſie vom Herrn Stadtrat Jaſtrow damals beſchrieben worden ſind, ſind zum großen Teil ganz unproduktive Arbeiten, die nur zur Verſchleierung einer Unterſtützung an die Arbeitsloſen dienen. Weshalb hat man nicht offen den Weg eingeſchlagen und die Arbeitsloſen nicht direkt unterſtützt, wie wir es gefordert haben? Das würde doch nur die Konſequenz des Handelns ſein, das Herr Stadtrat Dr Jaſtrow hier vertreten hat! Doch auch wir wiſſen: das Problem der Arbeitsloſenverſicherung iſt nicht ſo einfach zu löſen, wie die momentane Fürſorge für Arbeitsloſe durch eine gelegentliche Beſchäftigung der Arbeits⸗ loſen bei ſogenannten Notſtandsarbeiten. Aber das Almoſen, das die Arbeiter dadurch bekommen, bleibt trotz allem ein Almoſen, wenn auch Herr Stadtrat Dr Jaſtrow das Feingefühl hat, die Leute nicht merken zu laſſen, daß ſie unproduktive Arbeit leiſten. Vielleicht merkt es einer der Arbeiter von ſelbſt und hat dadurch keine große Luſt, an ſolcher Arbeit teil⸗ zunehmen. Auch mit der Politik der kleinen Kartoffeln iſt nicht ſehr weit zu kommen, denn mit den kleinen Mitteln kann man eben den Leuten nicht über eine längere Arbeitsloſigkeit hinweg⸗ helfen. Wenn der Magen leer iſt, ſo reichen kleine Kartoffeln nicht aus, um ihn zu füllen. Herr Stadtrat Jaſtrow vertritt eine andere Auffaſſung über das Ergebnis der Statiſtik als ich. Wenn er ſie mit der Statiſtik, die im Jahre 1895 erhoben worden iſt, vergleicht, ſo gebe ich ihm voll⸗ kommen recht darin, daß 1905 eine andere Prozent⸗ zahl der Arbeitsloſen ſich ergeben hat. Ich habe aber gerade bei der Begründung unſerer Inter⸗ pellation ausgeführt, daß die Ergebniſſe der jetzigen Statiſtik nicht als zutreffend erachtet werden können wegen des unglückſeligen Zählmodus, den man an⸗ gewendet hat. Im Jahre 1895 iſt die Zählung auf Grund der Hauszählkarten vorgenommen worden. Da iſt die Zählung gründlicher geweſen. Wenn am 17. Februar 1909 die Zählung in der⸗ ſelben Art wie 1895 vorgenommen wird, ſo werden