— 586 vielleicht genau dieſelben Prozentzahlen heraus⸗ kommen wie im Jahre 1895. Ich erkenne die Be⸗ mühungen des Magiſtrats, feſtzuſtellen, wie lange die Arbeitsloſen arbeitslos geblieben ſind, durchaus an. Die Mühe, die ſich das ſtatiſtiſche Amt in dieſer Beziehung gegeben hat, findet von unſerer Seite rückhaltlos Anerkennung. Aber ſind da nicht auch Fehlſchlüſſe möglich? Herr Stadtrat Jaſtrow ſagte: Wir wollten feſtſtellen, wer von den Arbeitern 4 Wochen nach der Zählung noch arbeitslos war. Sollte da nicht in der angegebenen Zeit ein Irrtum vorliegen? 4 Wochen nachher konnte doch das noch nicht feſtgeſtellt werden. Heute haben wir erſt den 16. Dezember, und die Zählung fand am 17. No⸗ vember ſtatt. (Stadtrat Dr Jaſtrow: Das ſind 4 Wochen!) — Sie haben aber doch ſchon heute Zahlen vor⸗ getragen! (Stadtrat Dr Jaſtrow: Das wird ſchnell gemacht!) — Aber die 4 Wochen ſind noch nicht um! (Stadtrat Dr Jaſtrow: Doch, die waren geſtern, am Dienstag, um!) — Allerdings, ſie waren geſtern um; es wundert mich daher um ſo mehr, daß Sie jetzt ſchon das Reſultat haben. Ich wünſchte nur das eine, Herr Stadtrat Jaſtrow, der Magiſtrat würde in der ganzen Verwaltung und beſonders im weiteren Verlauf der Arbeitsloſenfürſorge⸗Frage ſo ſchnell arbeiten. (Heiterkeit.) Herr Stadtrat Jaſtrow hat geſagt, nach 4 Wochen waren wieder 458 Arbeiter beſchäftigt. Ich weiß nicht, ob ſich die Erhebungen auch darauf erſtreckt haben, ob das gelernte oder ungelernte Arbeiter waren, ob ſie dem Baugewerbe angehört und ferner — das konnte aber ſicher noch nicht feſt⸗ geſtellt werden —, wie lange die Arbeit gedauert hat, ob es ſich nur um Gelegenheitsarbeiten handelte? Vielleicht haben verſchiedene der Leute beim Verkauf von Weihnachtsbäumen geholfen uſw. Wenn man dieſe Ziffern richtig würdigen will, werden alle dieſe Fragen behandelt werden müſſen. Wir find vollſtändig damit einverſtanden, daß an Stelle von dieſen ſogenannten Notſtandsarbeiten ſolche Arbeiten ausgeführt werden, die man als produktiv auch im Sinne der Intereſſen der Stadt anſprechen kann, die ſogenannte verfrühte Arbeiten ſind. Ein Teil der Interpellation iſt uns zur Zu⸗ friedenheit dadurch beantwortet worden, daß Herr Stadtrat Jaſtrow erklärt hat: So und ſo viele Arbeiten werden in der allernächſten Zeit vor⸗ genommen werden. Ich bitte aber auch, daß — was ich ſchon in der letzten Sitzung anläßlich der Beſchluß⸗ faſſung des Baus der Ufermauer angeregt hatte — beizeiten Vorſichtsmaßregeln getroffen, d. h. Bedingungen feſtgelegt werden, unter welchen dieſe Arbeiten ausgeführt werden. Wenn die Stadt nicht die Unternehmerin iſt, ſo müſſen dem betreffenden Unternehmer Vorſchriften über die Bezahlung, die Dauer der Beſchäftigung und den Umfang der bei dieſen Arbeiten zu beſchäftigenden Arbeitsloſen ge⸗ macht werden. Man kann ja die Bedingung gelten laſſen, daß der Betreffende ſo und ſo lange hier wohnhaft ſein muß, man kann Rückſicht auf den Familienſtand nehmen uſw. Doch man ſoll vor allen Dingen rechtzeitig dieſe Bedingungen bekannt⸗ geben, damit die Arbeitsloſen ſich um die Arbeit bemühen können. Es liegt uns fern, hier Schwarz⸗ ſeherei treiben zu wollen. Schwarzſeher werden ja im allgemeinen nicht geduldet, und wir wollen ſie auch in dieſer Sache nicht haben. Wir ſind auch keine Schwarzſeher. Daß wir nicht zu ſchwarz geſehen haben, hat der Gang der Entwicklung gezeigt. Sie haben aber zu roſig geſehen in dieſem Frühjahr. Es iſt nicht immer die Schwarzſeherei ein Unglück, auch das Roſigſehen kann unter Umſtänden zum großen Schaden der Beteiligten führen. Herr Stadt⸗ rat Jaſtrow ſagte: Um des Himmels willen nur keine Schwarzſeherei, und wenn man der Stadt im Intereſſe der Arbeitsloſen zu weitgehende Ver⸗ pflichtungen auferlegt, dann treibt man keine Politik im Intereſſe der Arbeiter, ſondern man ent⸗ laſtet die Arbeitgeber von ihrer ſozialen Verpflich⸗ tung, den Arbeiter in den ſchlechten Zeiten über Waſſer zu halten! Herr Stadtrat Jaſtrow, zum guten Teil zeugt das — Sie werden es mir nicht übelnehmen — von einer gewiſſen naiven Auf⸗ faſſung des Charakters und der Gewohnheiten vieler Fabrikanten. Viele Fabrikanten — nicht alle, es gibt auch rühmenswerte Ausnahmen — kümmern ſich den Teufel um die Arbeiter, die ſie nachher auf das Straßenpflaſter werfen, wenn ſie keine Be⸗ ſchäftigung mehr für dieſelben haben. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: So iſt es!) Das liegt zum großen Teil an der Profitſucht des Unternehmers, daß derſelbe Arbeiter, die ihm keine Mehrwerte mehr ſchaffen können, ſich vom Halſe ſchafft. Irgendwelche geſetzlichen oder ſozialen Verpflichtungen des Arbeitgebers, für die Arbeiter auch dann einzutreten, wenn er ſie nicht wie bisher in ſeinem Betriebe ausnutzen kann, beſtehen doch nicht. Alſo ein ſo hohes ſoziales Empfinden für ihre Verpflichtungen den Arbeitern gegenüber, die arbeitslos ſind, beſitzen die Unternehmer und Fabri⸗ kanten in ihrer Mehrheit nicht. Ich wundere mich eigentlich über die Aus⸗ führungen des Herrn Stadtrats Jaſtrows; ſie bilden einen gewiſſen Gegenſatz zu den Ausführungen, die wir in der vorhergehenden Debatte über die Einführung des Neunſtundentages gehört haben. Da wurde es aus dem Grunde für unangebracht gehalten, den Neunſtundentag nur im Prinzip zu befürworten, um die Unternehmer nicht vor den Kopf zu ſtoßen, ihnen die Arbeit nicht zu erſchweren. Und hier heißt es auf einmal: Um des Himmels willen darf die Stadt den Arbeitgebern nicht eine ſoziale Verpflichtung abnehmen! — die ſie bisher, nebenbei geſagt, ſelbſt nicht einmal empfunden haben. Wir ſind alſo mit dem Teil der Beantwortung der Anfrage inſofern zufrieden, als wir heute er⸗ fahren haben, was wir bisher nicht erfahren konnten, daß weitere verfrühte Arbeiten vor⸗ genommen werden ſollen. Und wir wünſchen, daß an dieſen Arbeiten in erſter Linie die wirklich Ar⸗ beitsloſen teilnehmen. Über die eigentliche Löſung der Arbeitsloſenfürſorge werden wir uns in der ge⸗ miſchten Deputation weiter unterhalten. Das kann unſerer Auffaſſung nach nur eine gründlich durch⸗ geführte Arbeitsloſenverſicherung ſein (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Bürgermeiſter Matting: Meine ſehr ver⸗ ehrten Herren! Zur Sache kann ich natürlich nach den ſehr eingehenden und ſachverſtändigen Aus⸗ führungen des Herrn Stadtrats Dr Jaſtrow nichts Neues hinzufügen. Ich habe mich nur deshalb zum Worte gemeldet, weil ich den Ausführungen des Herrn Stadtv. Zietſch, daß es in der gemiſchten Deputation ihm und Herrn Dr Borchardt unmöglich