—*. 563. — nicht verträgt. Es hieße geradezu das Selbſtbe⸗ wußtſein des Arbeiters vernichten, wollte man ihm, wenn er arbeitslos iſt, 2 oder 3 ℳ geben, ohne eine Gegenleiſtung von ihm in Geſtalt von Arbeit zu verlangen. Auf die, man kann wohl ſagen, wiſſenſchaftlichen Ausführungen des Herrn Stadtrats Dr Jaſtrow will ich nicht eingehen; ich wäre auch gar nicht in der Lage, etwas Neues zu bringen. Das eine will ich nur ausſprechen: meine Freunde haben mit Be⸗ friedigung davon Kenntnis genommen, daß der Magiſtrat eine ganze Reihe von andern Arbeiten, Arbeitsverfrühungen oder Verſchiebungen, in An⸗ griff nehmen wird, um Arbeitsgelegenheit zu be⸗ ſchaffen. Ich möchte hierbei anregen, ob es nicht vielleicht möglich wäre, in der Jungfernheide ſchon früher, als geplant iſt, etwas vorzunehmen. Dort ſind wohl Applanierungsarbeiten zu machen, die doch ſpäter gemacht werden müßten und die viel⸗ leicht jetzt ſchon zweckmäßig vorgenommen werden können. Noch ein paar Worte zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Zietſch, der hervorgehoben hat, daß der größte Teil der Arbeiter, die keine Arbeit haben, organiſiert ſei. Gewiß, das iſt richtig. Aber dieſe Arbeiter, die ſich in Organiſationen befinden, haben dort ebenfalls ihre Verſicherungseinrich⸗ tungen; die Organiſation ſtellt eine Arbeitsloſen⸗ verſicherung dar, und es muß auch die Aufgabe dieſer Organiſationen ſein, in erſter Reihe die Folgen der Arbeitsloſigkeit ihrer Genoſſenſchaftler möglichſt zu lindern. (Stadtv. Zietſch: Ich habe von organiſierten Ar⸗ beitern gar nicht geſprochen!) Wenn Herr Kollege Zietſch von der Arbeitsloſen⸗ verſicherung ſprach und dieſe in Zuſammenhang mit unſeren ſtädtiſchen Einrichtungen brachte, in⸗ dem die Stadt entweder Zuſchüſſe zu der Arbeits⸗ loſenverſicherung der Organiſationen leiſten oder in irgendeiner andern Weiſe eine ſolche Verſicherung einrichten ſoll, ſo bleibt das doch ſchließlich immer eine Verbindung von Verſicherung und Unter⸗ ſtützung. Meine Herren, ich glaube, wir können uns durch die Ausführungen des Herrn Stadtrats Jaſtrow für befriedigt erklären. (Sehr richtig!) Ich habe die Überzeugung, daß die Deputation, die eifrig an der Arbeit geweſen iſt, auch in dieſer Beziehung vielleicht den Wünſchen des Kollegen Zietſch und ſeiner Freunde gerecht werden wird. Stadtv. Hirſch: Meine Herren, ich will mich mit Rückſicht auf die ſehr vorgeſchrittene Zeit auf wenige Ausführungen beſchränken, namentlich da ich den Eindruck gewonnen habe, als ob die heutige Debatte mehr und mehr einen theoretiſch⸗akade⸗ miſchen Charakter annimmt und für die Arbeits⸗ loſen ſelbſt auch nicht das Geringſte dabei heraus⸗ kommt. Ich beſchränke mich darauf, einige Aus⸗ führungen des Herrn Kollegen Wöllmer und des Herrn Bürgermeiſters richtigzuſtellen. Der Herr Bürgermeiſter meinte — ich glaube, er war es —, meine Freunde Zietſch und Wilt hätten geſagt, daß die Notſtandsarbeit gar keinen Wert habe. Das iſt nicht ganz richtig. Die Außerung meiner Freunde ging dahin, daß ſie den Wert der Notſtandsarbeit im weiteren Sinne des Wortes ohne weiteres anerkennen, daß ſie aber den Not⸗ ſtandsarbeiten im engeren Sinne des Wortes nur einen bedingten Wert beimeſſen. Daß ſie gar keinen Wert haben, iſt von niemand behauptet worden. (Zuruf: Herr Wilk hat es geſagt!) Gewiß hat die Notſtandsarbeit einen gewiſſen Wert — wenn ich dicht vor dem Verhungern viel⸗ leicht den Tag eine Mark in die Hand gedrückt bekomme für eine Arbeit, die ich leiſte —, das wird niemand beſtreiten. Aber es fragt ſich nur, ob das, was ich bekomme, in irgendeinem Verhältnis zur geleiſteten Arbeit ſteht. In Wirklichkeit bedeuten ja dieſe Notſtandsarbeiten im engeren Sinne des Wortes nichts weiter als verſchleierte Armen⸗ unterſtützungen. Das iſt von meinem Freunde Zietſch behauptet worden, und dieſe Behauptung muß ich allerdings wiederholen, die halten wir voll⸗ kommen aufrecht. Das gibt auch Herr Stadtrat Dr Jaſtrow ohne weiteres zu, daß es ſich bei dieſer Art von Notſtandsarbeit nicht darum handelt, irgend⸗ welche produktive Arbeit zu leiſten, ſondern in erſter Linie Arbeitsloſen auf irgendeine Weiſe zu helfen, ohne ihnen direkt eine Unterſtützung zu geben, durch die ſie die bürgerlichen Ehrenrechte verlieren würden. Nun hat der Herr Vorredner geſagt, die baren Unterſtützungen, die man einem Arbeiter gibt, ver⸗ einigen ſich nicht mit der Würde des Arbeiters. Ganz recht! Im allgemeinen werden Sie aber auch nicht finden, daß Arbeiter, die etwas auf ſich halten, zu irgendwelchen Leuten hingehen und um Unter⸗ ſtützung betteln. Das tun — abgeſehen von den gewohnheitsmäßigen Bettlern — von wirklichen Arbeitern nur ſolche, die nicht mehr aus noch ein wiſſen, die infolge des Hungers, den ſie ſelbſt er⸗ dulden oder infolge des Hungers ihrer Familie, den ſie täglich vor Augen ſehen, zur Verzweiflung getrieben ſind. Wenn ſich das nicht mit der Würde des Arbeiters verträgt, was ich ohne weiteres zu⸗ gebe, ſo möchte ich die andere Frage aufwerfen: verträgt es ſich mit der Würde der Stadt, die Not⸗ lage der Arbeitsloſen auszunutzen und ſie gegen eine ganz geringe Entſchädigung zu beſchäftigen? — (Rufe: Ausnutzen?! — Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Herr Kollege Hirſch, die Stadt nutzt nicht die Notlage der Arbeiter aus. Ich bitte Sie, dieſen Ausdruck in eine andere Form zu bringen, damit ich nicht einzuſchreiten genötigt werde. Stadtv. Hirſch: Ich habe gar keine Ver⸗ anlaſſung dazu. Ich bitte, meine Worte im ſtenographiſchen Bericht nachzuleſen, ich habe von keiner beſtimmten Stadt geſprochen, (Unruhe und Zurufe) ſondern wollte die Frage rein akademiſch, wie das vom Magiſtratstiſch geſchehen iſt, erörtern: verträgt es ſich mit der Würde der Stadt, die Not⸗ lage eines Arbeitsloſen auszunutzen. — Ich wüßte nicht, was für eine Beleidigung darin liegen ſollte. Vorſteher Kaufmann: In dieſe Form gekleidet, liegt darin allerdings keine Beleidigung. Dennoch bezeichne ich Ihre Außerung als nicht richtig und behalte mir vor, nach Einſichtnahme des Stenogramms eventuell darauf zurückzu⸗ kommen. T Stadtv. Hirſch: Auf die Stadt Charlotten⸗ burg wollte ich erſt kommen. — Daß ſich das mit der Würde einer Stadt 2 das müſſen wir alſo entſchieden verneinen. enn wir aber zur