Verneinung dieſer Frage kommen, dann müſſen wir auch zugeben, daß jede Stadt verpflichtet iſt, für Notſtandsarbeiten im engeren Sinne einen Lohn zu zahlen, der einigermaßen dem orts⸗ üblichen Tagelohn entſpricht. Meine Herren, tatſächlich hat unſere Stadt Charlottenburg nicht immer den Lohn gezahlt, der dem ortsüblichen Tagelohn entſpricht. Wir haben ja ſelbſt einen Bericht des Magiſtrats bekommen, wonach bei den Arbeiten auf dem Steinplatz beim Steineklopfen in 8½ Stunden etwas über 2 ℳ verdient worden ſind — alſo ein Verdienſt, der ſich auf 25 , pro Stunde beläuft. Das halte ich nicht für einen auskömmlichen Verdienſt. Herr Kollege Wöllmer hat die Außerungen meines Freundes Zietſch vollkommen falſch ver⸗ ſtanden. Er ſagt, Kollege Zietſch hätte angeführt, der größte Teil der Arbeitsloſen beſtehe aus organi⸗ ſierten Arbeitern. Das ſtimmt gar nicht. Herr Kollege Zietſch hat von qualifizierten Arbeitern geſprochen. Dann meinte Herr Kollege Wöllmer, es müſſe Aufgabe der Organiſationen ſein, für die Arbeitsloſen zu ſorgen. Herr Kollege Wöllmer ſollte doch wiſſen, daß die Arbeiterorganiſationen ja ſchon den öffentlichen Körperſchaften, dem Staat, dem Reich, den Gemeinden, den größten Teil ihrer Verpflichtungen abgenommen haben. (Zuruf: Abgenommen?) Die Summen, die die Gewerkſchaften, und zwar nicht nur die freien Gewerkſchaften, ſondern auch die Hirſch⸗Dunckerſchen, die chriſtlichen Gewerk⸗ ſchaften (Zuruf: Die gelben!) — nein, die gelben nicht! — für Arbeiterunter⸗ ſtützungen zahlen, gehen in die Millionen. Allein im Jahre 1907 haben die drei von mir genannten gewertſchaftlichen Organiſationen zuſammen 744. Millionen für Arbeitsloſenunterſtützung ausgegeben. Dieſe Summe erſcheint erſt im rechten Lichte, wenn Sie bedenken, daß ſie pfennigweiſe von den Arbeitern aufgebracht wird. Hier ſehen Sie alſo, daß die Arbeiter tatſächlich jahrelang geſpart haben, um in Zeiten der Not durch ihre Gewerkſchaften unterſtützt zu werden. Das ſollte auch für die⸗ jenigen, die ſich ſo oft ein Vergnügen daraus machen, gegen die Gewertſchaften loszuziehen, eine Lehre ſein, daß ſie den erzieheriſchen Charakter der Gewerkſchaften doch etwas mehr würdigen. Nun meinte Herr Kollege Wöllmer — das hat mich am meiſten gewundert —, wenn die Gemeinden den Gewerkſchaften einen Zuſchuß zur Arbeitsloſenunterſtützung gewährten, ſo wäre das eine Verbindung von Verſicherung und Unter⸗ ſtützung. Ja, meine Herren, wer allerdings auf dem Standpunkt ſteht, daß eine kommunale Arbeits⸗ loſenverſicherung, daß Zuſchüſſe zu den gewerk⸗ ſchaftlichen Arbeitsloſenverſicherungen nichts weiter ſind als eine Unterſtützung, daß daraus eine Ver⸗ bindung von Verſicherung und Unterſtützung reſul⸗ tiert, der hat das Weſen der kommunalen Arbeits⸗ loſenverſicherung überhaupt nicht begriffen. Ich hoffe, daß in dieſer Beziehung die Erörterungen in der gemiſchten Deputation auch für Herrn Kollegen Wöllmer recht lehrreich ſein werden. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich habe zwar ſelbſt gebeten, ſich heute nicht allzu weit auf theoretiſche Erörterungen einzulaſſen. Ich muß trotzdem auf die theoretiſchen Erörterungen des Herrn Stadtv. Hirſch das Wort ergreifen und 589.— ſagen, daß die Behauptung des Herrn Stadtv. Hirſch, bei den Notſtandsarbeiten im engeren Sinne — ganz gleich, ob er von der Stadt Charlottenburg geſprochen hat oder nicht — handle es ſich um eine Ausnutzung der Not des Arbeiters, ſo vertehrt iſt wie nur irgend möglich. (Bravo! — Widerſpruch und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Wenn bei den verſchobenen oder verfrühten Arbeiten dieſe geringeren Löhne gezahlt würden, dann könnte man vielleicht davon ſprechen, denn dieſe Arbeiten müſſen zu irgendeiner Zeit gemacht werden. Es iſt aber Herrn Stadtv. Wilk gegenüber von Herrn Stadtrat Dr Jaſtrow ausdrücklich hervor⸗ gehoben worden, daß bei dieſen Arbeiten die von ihm bemängelten Löhne nicht gezahlt werden. Bei den eigentlichen Notſtandsarbeiten dagegen tut die Stadt etwas zum mindeſten nur bedingt Wünſchenswertes, vielleicht nicht ganz Überflüſſiges, lediglich im Intereſſe der Arbeiter. Und ich ſollte meinen, gerade für dieſe Fürſorge verdiente ſie Dank. (Sehr richtig!) Das Gegenteil iſt der Fall. Meine Herren, ich bin feſt davon überzeugt, daß ſowohl Ihr ſoziales Empfinden wie das des Magiſtrats viel zu ſehr gefeſtet iſt, um ſich durch derartige Angriffe irri⸗ tieren zu laſſen. (Bravo!) Wer allerdings in der ſozialen Arbeit auf Dank rechnet, der ſoll lieber die Finger davon laſſen. (Sehr richtig!) Nur wenn man darauf von vornherein verzichtet, dann kann man ſachgemäß und ſicher Sozialpolitik treiben. Ich hoffe, in dieſem Sinne werden wir weiter in unſerer Verwaltung arbeiten. (Lebhafter Beifall.) (Die Beratung wird geſchloſſen. Der Frage⸗ ſteller Stadtv. Zietſch verzichtet auf das Schluß⸗ wort.) Vorſteher Kaufmann: Wir verlaſſen den Gegenſtand der Anfrage und kommen zur Ab⸗ ſtimmung über die Magiſtratsvorlage Nr. 20. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Die Etatsnummer Ord. Kapitel X Abſchn. 10 Nr. 3 wird um 3 361,91 ℳ aus dem Dis⸗ poſitionsfonds verſtärkt.) Meine Herren, ich bitte Sie, noch etwas Geduld zu haben und — hoffentlich in ſehr turzer Zeit — den Fragebogen zu erledigen, damit wir keine neue Sitzung mehr anzuberaumen brauchen. Punkt 22 der Tagesordnung: Mitteilung des Vorſtandes betr. Kontrolle über die Ausführung der Beſchlüſſe der Stadtverord⸗ netenverſammlung. — Druckſache 480. Deu Fragebogen werden wir, wie es immer Brauch war, behandeln. Ich leſe die Nummer der Frage vor und werde annehmen, wenn ſich niemand zum Worte meldet, daß Sie mit der Ent⸗ ſcheidung, die Ihr Vorſtand getroffen hat, ein⸗ verſtanden ſind. 1