45 Stadtu. Dr. Borchardt: Meine Herren, noch ein paar Worte zu dem Antrage geſtatten Sie mir. Auf die Vorgeſchichte des Antrags iſt ja der Herr Vorredner mit ein paar Worten bereits ein⸗ gegangen. Der Antrag wird ja vielleicht nicht ſo ganz ungeteilt und widerſpruchslos von Ihnen angenommen werden wie ſeinerzeit der Antrag, ſtatt Arbeitsloſenmeldungen wirkliche Arbeitsloſen⸗ zählungen nach dem Hausliſtenſyſtem zu ver⸗ anſtalten. Sie haben ſeinerzeit durch die Annahme dieſes Antrags ſelbſt bekundet, daß das Syſtem der Arbeitsloſenmeldungen, wie es bei der letzten ſogenannten Arbeitsloſenzählung vorgenommen wurde, in keiner Weiſe ausreicht, ein klares Bild von einem wirklich vorhandenen augenblicklichen Notſtande zu geben, ſondern daß, wenn man ein Bild des augenblicklichen Standes der Arbeits⸗ loſigkeit haben will, eine wirkliche Zählung, nicht eine Regiſtrierung der ſich Meldenden vorgenommen werden muß. Wenn der Magiſtrat die Vornahme einer ſolchen Arbeitsloſenzählung, und zwar ohne Angabe von Gründen, abgelehnt hat, ſo ſteht ihm freilich die Entſchuldigung zur Seite, daß die Stadtverordnetenverſammlung über den Antrag nicht diskutiert hatte, ſo daß der Magiſtrat ja auch nicht gut wiſſen konnte, welche Gründe denn für die Stadtverordnetenverſammlung bei der An⸗ nahme dieſes Antrags maßgebend geweſen waren. Nur das eine iſt klar: ſo überaus einleuchtend, wie der Geſamtheit der Stadtverordneten der Antrag erſchienen iſt, ſo einleuchtend und ſelbſtverſtändlich iſt er dem Magiſtrat nicht erſchienen; denn ſonſt hätte der Magiſtrat ihm ja, auch ohne daß er wußte, welche Gründe für die Verſammlung maß⸗ gebend waren, zugeſtimmt. Nachdem aber der Magiſtrat die Vornahme einer Arbeitsloſenzählung ohne Angabe von Gründen verweigert hat, und nachdem auch die Vornahme ſolcher Arbeitsloſen⸗ zählung in Berlin verweigert worden iſt, haben in Konſequenz der Anſchauung, daß, um ein Bild der augenblicklichen Notlage zu erhalten, Arbeits⸗ loſenzählungen und nicht Arbeitsloſenmeldungen notwendig ſind, die von der Arbeitsloſigkeit in allererſter Linie betroffenen Schichten beſchloſſen, ihrerſeits eine Arbeitsloſenzählung vorzunehmen. Meine Herren, wenn das der Fall iſt, wenn eine ſolche Arbeitsloſenzählung vorgenommen wird, auch ohne daß ſie der Magiſtrat vornimmt, an Stelle derjenigen Zählung, die der Magiſtrat vornehmen ſollte, dann läge doch in der Tat nichts näher für Sie, als in Konſequenz Ihres früheren Beſchluſſes zu ſagen: wenn ſchon der Magiſtrat die Zählung nicht vornimmt, dann wollen wir wenigſtens die Zählung aus ſtädtiſchen Mitteln beſtreiten. Aber dieſe Konſequenz hat unſer Antrag noch gar nicht einmal gezogen. Wir ſind nicht ſoweit gegangen, zu beantragen, daß die Koſten dieſer Zählung auf ſtädtiſche Fonds übernommen werden ſollen, ſondern wir haben uns darauf beſchränkt, nur denjenigen Teil der Koſten von der Stadt zu fordern, welche die Stadt ſowieſo für die geplante ſogenannte Arbeitsloſenzählung vom 17. Februar ausgeworfen hatte, die darin beſtehen ſollte, daß die Arbeitsloſen ſich melden. Für die beiden Zählungen war ein Betrag von 1 100 ℳʒ aus⸗ geworfen worden, alſo für jede ein Betrag von 550 ℳ. Da der Betrag von 550 ℳ, der für die Zählung am 17. Februar ausgeworfen war, noch zur Verfügung ſteht, ſo beſchränken wir uns darauf, an Sie nur das Erſuchen zu ſtellen, dieſen unter allen Umſtänden zur Verfügung ſtehenden Betrag für dieſe Zählung zu verwenden. Wir verhehlen uns nicht, meine Herren, daß die Koſten der Zählung erheblich größer ſein werden; aber wir glauben, Ihnen die Zuſtimmung zu unſerm Antrage durch dieſe Form außerordentlich zu erleichtern. Wir verhehlen uns nicht, daß ein Moment vorhanden iſt, welches Ihnen die Zuſtimmung etwas erſchwert. Wir haben uns öfter hier ſchon über Maßregeln unterhalten, die ſeitens der Kom⸗ mune zur Verhütung der unangenehmen Folgen der Arbeitsloſigkeit ergriffen werden könnten, und haben nebenbei mehrfach die Frage geſtreift, inwie⸗ weit ſtädtiſche Mittel in Anſpruch genommen werden könnten, um die Arbeitsloſenunterſtützungen durch die Gewerkſchaften unmittelbar und direkt zu ver⸗ ſtärken. Und bei dieſen Unterhaltungen iſt von Ihrer Seite mehrfach mit Nachdruck der Standpunkt geltend gemacht worden: Sie würden nicht darein willigen können, ſtädtiſche Mittel den Gewerk⸗ ſchaften — Sie fügten ſtets hinzu: den ſozial⸗ demokratiſchen Gewerkſchaften — zur Verfügung zu ſtellen, weil Sie der Meinung ſind, daß dadurch die ſozialdemokratiſchen Gewerkſchaften geſtärkt würden, daß es dadurch ohne eine Kontrolle Ihrer⸗ ſeits möglich ſei, daß die ſozialdemokratiſchen Ge⸗ werkſchaften die Mittel ſogar für ihre ſonſtigen Ziele verwenden könnten. Dieſen Einwand wollten wir Ihnen gern benehmen, und auch deswegen haben wir uns auf dieſen niedrigeren Satz beſchränkt, weil nämlich dann, wenn von vornherein klar iſt, daß die Koſten ſehr viel höher ſind als der Zuſchuß, den die Stadt an die Gewertſchaften zahlen ſoll, ja gar keine Rede davon ſein kann, daß die ſtädtiſchen Mittel etwa zu irgendeinem andern Zweck von den Gewerkſchaften ausgegeben werden als zu dem⸗ jenigen Zweck, für den ſie in der Tat beſtimmt ſind. Deswegen, meine Herren, ſollte es Ihnen, nehmen wir an, nicht allzu ſchwer fallen, dem Antrage zuzuſtimmen. Freilich könnten Sie vielleicht noch den einen Einwand dagegen erheben, daß Charlottenburg ſich nicht abſondern ſoll und nicht abſondern kann in der Form ſeiner Arbeitsloſenzählung, wenigſtens der diesmaligen vom 17. Februar, von Groß⸗Berlin. Wenn Groß⸗Berlin nach einem andern Syſtem zählt, wenn in Groß⸗Berlin Arbeitsloſenmeldungen entgegengenommen werden, dann ſo könnte man mit einigem Schein von Recht ſagen — empfiehlt es ſich nicht, in Charlottenburg anders zu zählen. Aber, meine Herren, dieſer Einwand iſt ebenfalls hinfällig; denn auch in Berlin wird die Arbeitsloſenzählung vorgenommen, ſie wird auch von den Gewerkſchaften vorgenommen. Es iſt alſo gar nicht der Fall, daß in Groß⸗Berlin eine Zählung durch Arbeitsloſenmeldungen veranſtaltet wird. Infolgedeſſen iſt es auch überflüſſig, daß am 17. Februar nun in Charlottenburg noch eine Arbeitsloſenzählung durch Meldungen veranſtaltet wird. Dieſe geplante Zählung vom 17. Februar wird eben durch die von den Gewerkſchaften ver⸗ anſtaltete am 13. Februar vollkommen überflüſſig und wird auch nicht mehr ausgeführt werden. Noch auf eins möchte ich hinweiſen. Char⸗ lottenburg würde nicht die einzige Gemeinde von Groß⸗Berlin ſein, in welcher ſtädtiſche Mittel den Gewerkſchaften für die Vornahme dieſer Zählung zur Verfügung geſtellt werden. Ein ganz analoger Antrag wie der hier geſtellte iſt von den Freunden meiner Fraktion in der Stadtverordnetenverſamm⸗