82 Intereſſe an ihren eigenen Straßen zu eigenen Zwecken unbedingt ſichern muß. Stadtv. Scharnberg (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, ich möchte mir erlauben zu be⸗ antragen, daß wir laufende Nr. 4 der Tagesordnung, Antrag der Stadtv. Zietſch und Genoſſen, als zweiten Punkt der Tagesordnung behandeln. Aller Wahrſcheinlichkeit nach wird die Tagesordnung, wie ſie uns hier vorliegt, heute nicht erledigt werden; da wir den Antrag als dringend betrachten, bitte ich Sie, dagegen keine Einwendungen zu erheben. Vorſteher Kaufmann: Ich erlaube mir darauf aufmerkſam zu machen, daß die Etatsberatungen allerdings der wichtigſte Punkt der Tagesordnung nach dem eben erledigten ſind, und daß wir die Verabſchiedung des Etats unter allen Umſtänden heute bzw. morgen herbeiführen müſſen. Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, wir beſtreiten gar nicht, daß die Etats⸗ beratung äußerſt wichtig iſt. Aber andererſeits be⸗ ſteht doch die Abſicht, falls der Etat heute zu Ende beraten wird und keine Zeit mehr iſt, die nächſten Punkte zu beraten, dieſe Punkte auf 8 Tage zu ver⸗ tagen. (Rufe: Morgen!) Falls die Etatsberatung zu Ende iſt, ſollen die übrigen Punkte auf §8 Tage vertagt werden — und dann beſteht die große Gefahr, daß der Antrag, den wir vor 3 Wochen ſchon eingereicht haben, noch⸗ mals verſchoben und erſt in § Tagen zur Erledigung kommt. Ich bitte, dem Antrage Scharnberg zuzu⸗ ſtimmen. (Die Verſammlung beſchließt nach dem An⸗ trage des Stadtv. Scharnberg, Punkt 4 der Tages⸗ ordnung vorweg zu beraten.) Vorſteher Kaufmann: Wir kommen demnach zu Punkt 4 der Tagesordnung: Antrag der Stadtv. Zietſch und Gen. betr. Ar⸗ beitsloſenunterſtützung. — Druckſache 70. Dazu iſt ein Antrag des Herrn Kollegen Stadthagen eingegangen: Die Stadtverordnetenverſammlung wolle be⸗ ſchließen, unter Ablehnung des Antrages Zietſch den Magiſtrat zu erſuchen, mit aus⸗ wärtigen, beſonders Landgemeinden, bei denen Arbeitermangel herrſcht, in Verbindung zu treten, um hieſigen arbeitsloſen, ins⸗ beſondere unverheirateten ungelernten Ar⸗ beitern Arbeit zu verſchaffen. Meine Herren, zur Vereinfachung unſerer Geſchäfte möchte ich bitten, daß ſich die Herren möglichſt mit den vorliegenden Gegenſtänden befaſſen und nicht mit anderen Gegenſtänden der Tagesordnung. —da der Punkt 5 innig mit dem Punkt 4 zu⸗ ſammenhängt, ſo bitte ich um Ihr Einverſtändnis, daß ich beide Punkte jetzt zur Beratung ſtelle. Wenn ich keinen Widerſpruch höre, ſtelle ich feſt, daß die Stadtverordnetenverſammlung einver⸗ ſtanden iſt, den Punkt 5 gleichzeitig mit Punkt 4 zu verhandeln. — Widerſpruch iſt nicht erfolgt. Ich ſtelle alſo gleichzeitig mit Punkt 4 auch Punkt 5 zur Beratung: Sitzung vom 17. März 1909. Vorlage betr. Nachbewilligung von Notſtands⸗ arbeiten. — Druckſache 71. Antragſteller Stadtv. Zietſch: Meine Herren, die Arbeitsloſenzählung, welche die Charlotten⸗ burger Gewerkſchaften am 13. Februar 1909 in Charlottenburg vorgenommen haben, hat das über⸗ raſchende Reſultat ergeben, daß in Charlottenburg 3879 Arbeitsloſe gezählt worden ſind. Die Zählung, welche am 16. Februar durch die Stadt vorgenommnen wurde, und welche die Fortſetzung der Zählung vom 17. November des vergangenen Jahres bildete, ergab nur eine Zahl der Arbeitsloſen in Höhe von 1330. Die ganz erhebliche Differenz zwiſchen den beiden Zahlen erklärt ſich in allererſter Linie daraus, daß durch die vorhergehende Zählung, die die Ge⸗ werkſchaften vorgenommen haben, die Zählung des Magiſtrats nur ein teilweiſes Ergebnis zutage fördern konnte. Das hatte man allgemein erwartet. Nun bin ich ohne weiteres darauf gefaßt, daß Sie mir entgegenhalten werden: da eine derartige Differenz zwiſchen beiden Zahlen vorhanden iſt, könnten eigentlich beide Zahlen nicht als richtig anerkannt werden; das eine Mal ſei eine genügende Kontrolle über das Ergebnis der Zählungen, die durch die Gewerkſchaften vorgenommen ſind, nicht gegeben — oder richtiger geſagt: für Sie nicht ge⸗ gegeben. Sie können auch irgendwelche Zweifel in die Zutreffendheit der Zahl ſelbſt ſetzen, wie ja über⸗ haupt eine gewiſſe — ich will mich milde aus⸗ drücken — Voreingenommenheit der Verſammlung und des Magiſtrats gegenüber der Arbeitsloſen⸗ zählung der Gewerkſchaften von Anfang an vor⸗ handen war. Anderſeits werden Sie aber auch ſagen müſſen, daß die Zahl von 1330, die ſich durch die amtliche Zählung ergeben hat, nicht das Richtige getroffen haben konnte. Ich fuße nun weder auf der einen noch auf der anderen Zahl, ſondern nehme nur den Durchſchnitt der durch die beiden Zählungen ſich ergebenden Zahlen der Arbeits⸗ loſen an, und zwar 2604 Arbeitsloſe. Daraus ergibt ſich aber ohne weiteres, daß, wenn in Charlottenburg 2604 Arbeitsloſe vorhanden ſind, alſo immerhin noch 650 mehr, als die amtliche Zählung am 17. November 1908 ergeben hat, dieſe Zahl von 2604 für Sie eine dringende Veranlaſſung ſein ſollte, noch weiter in der Fürſorge für die Ar⸗ beitsloſen zu gehen, als bisher von der Stadt und der Verwaltung gegangen worden iſt. Wir haben uns ja in der gemiſchten Deputation über die Arbeits⸗ loſenzählungen unterhalten. Schon dort führten mein Freund Dr Borchardt und ich aus, daß die Zählungen der Arbeitsloſen nur dann einen Wert haben, wenn auf Grund dieſer Zählungen irgend etwas für die Arbeitsloſen geſchieht. Und da müſſen wir fortwährend die Frage wiederholen: Was hat die Stadt Charlottenburg bisher für die Arbeitsloſen getan, und was gedenkt ſie künftig noch für die Arbeitsloſen zu tun? In erſter Linie ſind auch hier in Charlottenburg ſogenannte Notſtandsarbeiten vorgenommen worden. Aber dieſe Notſtandsarbeiten ſind nach und nach zu Ende gegangen. In erſter Linie war — darüber iſt ja auch hier ſchon genug geſprochen worden — der Kompoſthaufen in der ſtädtiſchen Baumſchule umzugraben. Die Arbeiten ſind aber nach gewiſſer Zeit eingeſtellt worden. Dann wurde ein Teil der Arbeitsloſen bei außergewöhnlichen Straßenreini⸗ gungsarbeiten beſchäftigt, ungefähr 200. Und wenn auch 200, 250 oder. 300 Leute bei dieſen außer⸗