Sitzung vnn 1 gelegt, daß Arbeitsloſe eine bare Unterſtützung be⸗ kommen. Bei der augenblicklichen Sachlage würde ich bedauern, wenn die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung, ohne den Abſchluß der Beratung des Aus⸗ ſchuſſes abzuwarten, heute endgültig Stellung nehmen würde. Meine Herren, nun habe ich mit einigen meiner Freunde — und ich glaube, Sie werden mich alle Ihrerſeits unterſtützen — einen Antrag vorbereitet, daß unſer Magiſtrat mit den Land⸗ gemeinden, eventuell auch — der Antrag iſt etwas weiter gehend gefaßt überhaupt mit andern Gemeinden in Verbindung treten möge, um feſt zuſtellen, wo et wa Arbeiter fehlen. Wir haben Arbeitermangel in unſerem deutſchen Vaterlande an manchen Stellen, ſogar nicht nur auf dem Lande, ſondern auch in gewerblichen und induſtriellen Betrieben. Es wird Sache des Magiſtrats ſein, eventuell des ſtädtiſchen Arbeitsnachweiſes, feſt⸗ zuſtellen, wo ſolche Arbeitsgelegenheit iſt, und wenn ſie feſtgeſtellt iſt, dann wird es Sache des Magiſtrats ſein, die richtigen Wege zu finden, um diejenigen Arbeiter, die hier keine Familie haben, um diejenigen Arbeiter, die auf Grund ihrer ſpeziellen Tätigkeit es nicht ohne weiteres ab⸗ lehnen können, auf dem Lande oder in einer kleineren Gemeinde tätig zu ſein, dann dorthin zu bringen, ihnen wenigſtens die Möglichkeit zu geben, dort Arbeit zu finden. Meine Herren, wenn die betreffenden Arbeiter das ablehnen ſollten — nun, dann können wir nichts dafür! Dann kann vielleicht Herr Kollege Zietſch nebſt ſeinen Genoſſen etwas dafür, der heute bereits geſagt hat: wir werden uns hüten, dahin zu gehen. Mit derartigen Schlag⸗ wörtern, Herr Kollege Zietſch, wie Sie vorhin Ihre Rede geſchloſſen haben, mit Schlagwörtern von „Auslieferung an den Großgrundbeſitz“ uſw. wird die Arbeitsloſenfrage wenigſtens nicht gelöſt. (Stadtv. Zietſch: Durch Ihren Antrag auch nicht!) — Durch meinen Antrag auch nicht; aber doch zum Teil würde ſie dadurch gelöſt werden können, weil eine organiſatoriſche Arbeitsvermittlung durch das ganze Deutſche Reich erreicht und weil die Arbeiter dorthin gelenkt werden könnten, wo Arbeiter fehlen. Eine gewaltige Linderung würde dadurch herbei⸗ geführt werden und zwar, meine Herren, nicht nur für ie ledigen Arbeiter, ſondern durch die Ent⸗ laſtung des Arbeitsmarktes in Charlottenburg, wenn die ledigen Arbeiter nach außerhalb gehen werden, würde indirekt eine Beſſerung für die verheirateten Arbeiter herbeigeführt werden. Ich bitte, außer dem Antrage des Magiſtrats zu Punkt 5 meinen Antrag anzunehmen, in der Hoffnung, daß dieſem Antrag auch der Magiſtrat beitreten wird. Ich hoffe, daß er einige praktiſche Erfolge zeitigen wird. Wenn ich auch nach der Rede des Herrn Kollegen Zietſch auf große praktiſche Erfolge viel eicht nicht rechnen darf, ſo würde ich doch ſchon das für einen wichtigen Erfolg des Antrages halten, wenn feſtgeſtellt wird, daß Arbeit, die vorhanden iſt, von Ar⸗ beitsloſen ohne trifftige Gründe abgelehnt wird. (Sehr richtig!) Stadtv. Wöllmer: Meine Herren, um zunächſt auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Stadt⸗ 7. März 1909. 85 hagen zu erwidern, ſo verſpreche ich mir herzlich wenig von ſeinem Eventualantrag. Ich glaube nicht, daß wir dadurch beſondere Erfolge haben werden: denn wir können ſchließlich die Arbeiter nicht zwingen, dieſe Arbeitsgelegenheiten zu be⸗ nutzen. Wir ſind uns alle darüber klar, daß wir die Arbeitsloſigteit nicht beſeitigen können, ſondern daß die Mittel, welche die Stadt aufwendet, nur dazu dienen können, die Arbeitsloſigkeit zu lindern und einigermaßen in beſcheidenem Umfange den Arbeitsloſen Arbeitsgelegenheit zu verſchaffen. Herr Kollege Stadthagen hat deshalb meines Erachtens ſchon mit Recht darauf hingewieſen, daß 10 000 ℳ als Unterſtützung an Arbeitsloſe einen Tropfen auf den heißen Stein bedeuteten. Ja, er hat auch mit Recht darauf hingewieſen, daß bereits gerade in dieſen Wochen erheblich größere Mittel aufgewendet ſind, um Arbeitsloſe zu beſchäftigen, daß die Schneeabfuhr ganz erhebliche Mittel er⸗ fordert hat. Nach meinen Informationen haben wir bis jetzt ca. 70 000 ℳ verbraucht, abgeſehen von den 15 000 ℳ., die ſchon in den Etat für außerordentliche Schneeabfuhr eingeſtellt worden ſind, ſo daß wir alſo im ganzen in den letzten Wochen infolge der außergewöhnlichen Schneeabfuhr 85 000 ℳ ausgeben mußten. Es werden aber ferner, um die Straßen vollſtändig vom Schnee zu befreien, wenn ich recht unterrichtet bin, noch weitere 60 000 ℳ erforderlich ſein, ſo daß alſo die außerordentliche Schneeabfuhr der Stadt in Summa etwa 145 000 ℳ koſten wird. Und es wird dem⸗ nächſt auch eine Nachbewilligung in Höhe von 130 000 ℳ gefordert werden. Nun, meine Herren, dieſe Ausgaben für die Schneeabfuhr, die durchaus notwendig ſind, um unfere Straßen wieder in einen geordneten Zuſtand zu bringen, die alſo als eine produktive Ausgabe anzuſehen ſind, haben doch einen bei weitem größeren Zahleneffekt als der Antrag Zietſch, der — darüber müſſen wir uns doch klar ſein — viel mehr eine grundſätzliche Bedeutung hat als die Wirkung, die mit der Zahlung von 10 000 ℳ beabſichtigt wird. Deshalb können wir — meine Freunde und ich — dieſen Antrag nicht ohne weiteres annehmen. Wir können nicht ohne weiteres einen ſo neuen Grundſatz akzeptieren, der in die ſtädtiſchen An⸗ gelegenheiten hineingetragen werden ſoll, ohne daß er gründlich geprüft iſt. Dies iſt Sache der gemiſchten Deputation, die wir für die Arbeits⸗ loſenfürſorge eingeſetzt haben. Die Notſtandsarbeiten, die wir immerhin als ein Mittel zur Linderung der Arbeitsloſigkeit an⸗ ſehen, möchten wir auch weiter vornehmen laſſen, um den Arbeitsloſen einigermaßen Arbeit zu ver⸗ ſchaffen. Die Herren Kollegen Zietſch und ſeine Freunde verurteilen ja freilich die Notſtands⸗ arbeiten. Ja ſie ſagen: eine Notſtandsarbeit wäre nur eine verſchleierte Unterſtützung oder dergleichen. Meine Herren, ich wundere mich, daß Sie da nicht den Antrag geſtellt haben, die Notſtandsarbeiten abzuſchaffen. (Stadtverordneter Hirſch: Sie müſſen anſtändig bezahlt werden!) Aber Sie werden ſich hüten, dieſen Antrag zu ſtellen, weil die Notſtandsarbeiten, wenn auch nur ein be⸗ ſcheidenes, aber immerhin ein Mittel ſind, der Not abzuhelfen. Wir erkennen in den Notſtandsarbeiten, ſo dürftig und kärglich ſie ſind, doch als ſittlichen Kern, daß der Arbeiter einen Lohn empfängt, daß