8 6 ihm etwas gegeben wird, für das er eine Gegen⸗ leiſtung bringt, während der Antrag Zietſch und Genoſſen den Grundſatz aufſtellt, daß Unter⸗ ſtützungen zu zahlen ſind ohne Gegenleiſtungen. (Stadtv. Hirſch: Das ſoll auch ſonſt vorkommen!) Deshalb iſt der Antrag für uns von Bedeutung: wir wiſſen nicht, wohin die Reiſe geht. Wenn wir nicht nur die Intereſſen der Arbeiter vertreten wollen, ſondern die Intereſſen der All⸗ gemeinheit, ſo müßten wir den Antrag ſo faſſen, an Stelle der Worte „unverſchuldet arbeitslos ge⸗ wordenen Charlottenburger Einwohnern“ſetzen: „un⸗ verſchuldet arbeits⸗ und erwerbslos gewordenen Charlottenburger Einwohnern“; denn es ſind eine Menge kleiner Handwerker, denen es ſchwer wird, heute ihr Brot zu erwerben die in derſelben ſchwierigen Lage ſind wie die Arbeiter. Es iſt Aufgabe der gemiſchten Deputation, dieſe Frage grundſätzlich zu prüfen. Die Deputation wird zu einem Reſultate kommen und uns Vorſchläge machen. Nun ſagt der Antrag des Kollegen Zietſch: 10 000 ℳ' ſind aus dem Dispoſitionsfondes zu nehmen. Beiläufig geſagt iſt der Dispoſitionsfonds für 1908 ja erſchöpft: es würde alſo nur möglich ſein, dieſe Summe aus laufenden Mitteln zu be⸗ ſtreiten. Ferner muß ich aber auch darauf hin⸗ weiſen, daß die Annahme des Antrages Zietſch im Intereſſe der zu Unterſtützenden bedenklich er⸗ ſcheint, weil ja, wie Herr Kollege Zietſch ſelbſt mit Recht hervorgehoben hat, die Gefahr beſteht, daß dieſe Unterſtützung als eine Armenunterſtützung an⸗ zuehen iſt. Daher der Paſſus am Schluſſe des Antrages, daß dieſe Unterſtützung eben nicht als Armenunterſtützung angeſehen werden ſoll. Aber, meine Herren, einſeitig können wir die geſetzlichen Beſtimmungen nicht aufheben. Wir müſſen auch einigermaßen uns nach den Entſcheidungen des Oberverwaltungsgerichtes richten, und das Ober⸗ verwaltungsgericht hat nun einmal erkannt, daß eine bare Unterſtützung als Armenunterſtützung anzuſehen iſt. Erſt wenn das Reichsgeſetz, daß jetzt verabſchiedet worden iſt, in Kraft treten wird, würden wir nach Nummer 4 des Geſetzes betreffend die Einwirkung der Armenunterſtützung auf öffent⸗ liche Rechte dieſe Unterſtützung vielleicht als eine „vereinzelte Leiſtung zur Hebung augenblick⸗ licher Notlage“ anſehen können, die nicht die Folgen der Armenunterſtützung nach ſich zieht. Aber dieſes Bedenken iſt ſchließlich nicht von ſolcher Bedeutung wie das grundſäätzliche Be⸗ denken, das ich zum Ausdruck gebracht habe. Ich bitte Sie deshalb, meine Herren, dieſem Antrag Zietſch nicht zuzuſtimmen, ſondern ich be⸗ antrage eine motivierte Tagesordnung, und zwar wie folgt: Die Stadtverordnetenverſammlung be⸗ ſchließt, über den Antrag Zietſch zur Tages⸗ ordnung überzugehen, in der Erwägung, daß 30 000 ℳ aus laufenden Mitteln zur Beſchäfti⸗ ung von Arbeitsloſen in Form von Notſtands⸗ arbeiten bewilligt ſind, und in der Erwartung, daß der Magiſtrat die Bereitſtellung weiterer Mittel verlangen wird, falls die bewilligten nicht ausreichen. Ich würde dann natürlich geſchäftsordnungsmäßig auch beantragen, daß über die Vorlage zu Punkt 5 der Tagesordnung vorher abgeſtimmt wird, damit (Stadtv. dann eventuell unſer Antrag zur Abſtimmung ge⸗ langen kann. Sitzung vom 17. März 1909. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich bin natürlich nicht in der Lage, mich namens des Magiſtrats zu dem Antrag Zietſch zu äußern. Der Magiſtrat hat ſich mit dieſem Antrag noch nicht befaßt, da ja Ihnen ſelbſtverſtändlich die Initiative der Stellungnahme zu dieſem Antrage zuſteht. Ich will der Verſuchung widerſtehen, perſönlich etwa zu dem Antrage Stellung zu nehmen, und habe auch keine Veranlaſſung, in die Kritik einzutreten, die Herr Stadtv. Zietſch an dem Antrage Stadthagen geübt hat; denn das wäre in erſter Reihe Aufgabe des Antragſtellers geweſen. Das eine möchte ich allerdings dazu bemerken, abgeſehen davon, daß mir das Wort von der „Aus⸗ lieferung an das agrariſche Ausbeutertum“ erheblich über das Ziel hinausgeſchoſſen 3u ſein ſcheint, möchte ich bitten, auch das zu erwägen, daß unter unſeren Maßnahmen der Arbeitsloſenfürſorge die Vermittelung auswärtiger Arbeit nicht von vorn⸗ herein und grundſätzlich ausgeſchloſſen werden darf. Wenn wir auf den Boden der Arbeitsloſenver⸗ ſicherung treten wollen, dann iſt es ganz ſelbſt⸗ verſtändlich, daß wir nur unter der Vorausſetzung an eine Arbeitsloſenverſicherung denken können, wenn wir auch in Ausſicht nehmen, daß ſolche Arbeitsloſe did ihnen außerhalb Charlottenburgs angebotene Arbeit, ſofern ſie für ſie geeignet iſt, auch annehmen müſſen. Dazu würde unter Um⸗ ſtänden meiner Anſicht nach allerdings auch ländliche Arbeit gehören. Ich habe mich lediglich zum Worte gemeldet, um die Ausführungen des Herrn Stadtv. Wöllmer zu beſtätigen, daß für die Schneeabfuhr eine Überſchreitung der zur Verfügung ſtehenden Summe von 130 000 ℳ notwendig geworden iſt. Zur nächſten Sitzung wird Ihnen eine darauf bezügliche Vorlage des i.ar aller Wahr⸗ ſcheinlichkeit nach zugehen. Was nun ſchließlich die für NotRlandsarbeiten erforderten mutet in Höhe von 30 000 ℳ anbe⸗ trifft, ſo möchte ich Herrn Stadtv. Zietſch nur dahin aufklären, daß, wenn es hier heißt: dieſe Summe wird vorausſichtlich den Bedarf bis zum Jahres⸗ ſchluß decken, natürlich der 31. März gemeint iſt; denn an dieſem Tage wird unſer Jahr abgeſchloſſen. Inſofern, glaube ich, iſt Herr Stadtv. Zietſch von einer irrtümlichen Vorausſetzung ausgegangen. Sollten im neuen Jahre für dieſe Arbeiten neue Mittel erforderlich ſein, werden wir ja mit neuen Anträgen an Sie herantreten, ſoweit die Erforder⸗ niſſe nicht durch die zur Verfügung geſtellten Mittel gedeckt werden können. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Antragſteller Stadtv. Zietſch (Schlußwort): Ich möchte nur mit wenigen Bemerkungen auf die Einwände eingehen, die unſerem Antrage entgegen⸗ geſtellt ſind. Die Herren hätten ſich die Arbeit viel kürzer machen können, Sie hätten gar nicht ſo viel zu reden brauchen, ſondern einfach nur zu ſagen gehabt, Sie ſeien dagegen. Und das wußten wir von vornherein. Dr Crüger: Wozu haben Sie denn den 2 Antrag eingebracht!) — Wir wollen den Arbeitern draußen + d a ß Siie u iicht s für fie tun werde (Stadtv. 18 Crüger: Das iſt der Zweck der Übung! Heiterkeit. Große Unruhe.)