Sitzung vom 17. März 1909. Das iſt für die Arbeiter inſofern wertvoll, als dieſelben dadurch erfahren, daß Sie (zu den Libe⸗ ralen) draußen immer erzählen, Sie hätten alles getan, und daß Sie eigentlich g ar nichts in dieſer Weiſe für die Arbeiter tun. (Rufe bei den Liberalen: Für draußen! unvorſichtig!) — Nein, das war weder unvorſichtig, noch war es nur für draußen berechnet. Wir wußten ja ganz genau, wie in dieſer Frage der Haſe bei Ihnen läuft, ſchon aus der gemiſchten Deputation kennen wir Ihre Stellung. Wir konnten aus Ihrer Haltung, die Sie bereits in der vergangenen Sitzung zu unſerem Antrage eingenommen haben, erſehen, daß auf irgendwelche Gegenliebe zu unſerem Antrage bei Ihnen nicht zu rechnen iſt. (Stadtv. Dr Crüger: Das Reden nutzt jetzt nichts!) — Herr Kollege pr Crüger, über Sie brauche ich auch hier nicht „nach draußen“ zu reden, Sie ſind draußen genug bekannt. Sehr (Heiterkeit.) Es handelt ſich vor allen Dingen darum, daß Sie einfach nur zu erklären brauchten: wir ſind gegen die Unterſtützung, und Sie hätten das einfach ſo zu machen brauchen, wie Sie es ſchon in der vorigen Sitzung angefangen hatten: unſeren Antrag nieder⸗ zuſtimmen. Das werden Sie ja auch ohnehin noch tun. (Heiterteit und Zurufe bei den Liberalen.) Ganz verkehrt iſt aber die Auffaſſung, daß man die Ablehnung unſeres Antrages mit den jetzt vorgenommenen Schneebeſeitigungsarbeiten zu be⸗ gründen verſucht. fallen, und den Schnee beſeitigen zu müſſen, ſchließt nicht ohne weiteres in ſich, daß damit eine nötig gewordene Unterſtützung von Arbeitsloſen geleiſtet wird. Wenn eine koloſſale Summe hier angeführt iſt — nach Auffaſſung des Herrn Kollegen Wöllmer eine „koloſſale“ Summe — von 145 000 ℳ, welche die Schneebeſeitigung erforderte, dann iſt doch noch nicht geſagt, was von dieſen 145 000 ℳ. an Arbeitslohn den Arbeitern, die bei der Schnee⸗ beſeitigung tätig waren, bezahlt wurde. Der größte Teil der Summe geht doch für Geſchirrkoſten uſw. auf. Dann iſt die Gegenbemerkung in den Aus⸗ führungen der Herren Kollegen Stadthagen und Wöllmer enthalten geweſen, daß die gemiſchte Deputation dazu da ſei, dieſe Angelegenheit zu prüfen. Der Herr Kollege Stadthagen hat die Arbeiten der Deputation ſehr gerühmt und geſagt, es ſtehe in Ausſicht, daß ſchon bis zu den Ferien irgendwelche greifbaren Vorſchläge aus der ge⸗ miſchten Deputation herauskommen können. Was aber bis zu jenem Zeitpunkt mit den Arbeitsloſen geſchieht, und ob die Vorſchläge, die die gemiſchte Deputation machen wird, beim Magiſtrat und bei der Stadtverordnetenverſammlung auch Annahme finden werden, darüber ſpricht der Herr Kollege K . nicht. Er kann auch nichts darüber agen. Herr Kollege Stadthagen iſt auch von total falſchen Auffaſſungen ausgegangen, wenn er meint, unſer Widerſtand gegen ſeinen Antrag erſchwerte die Löſung der Arbeitsloſenfürſorgefrage. Es wird auch Herrn Kollegen Stadthagen nicht möglich ſein, die Arbeitsloſenfürſorgefrage durch ſeinen Antrag zu löſen. Ein Teil der Landarbeiter kommt wegen ungenügender Bezahlung, ſchlechter Behandlung uſw. in die Stadt und hat gar keine Neigung, auf 4 Schnee kann in jedem Jahre 87 das Land zurückzugehen. Dieſe Leute müßten dann abgeſchoben werden. Und da wollen Sie ſtädtiſche Arbeiter aufs Land ſchicken? Auch gegen die Abſchiebung, von der Herr Bürgermeiſter Mat⸗ ting geſprochen hat, würden wir ſein; denn auch in Verbindung mit einer Arbeitsloſenverſicherung iſt eine Auslieferung ſtädtiſcher Arbeitsloſer an ländliche Arbeitgeber weder erforderlich noch wün⸗ ſchenswert. Unſer Antrag ſieht auch nicht vor, daß alle Arbeitsloſen unterſtützt werden ſollen, ſondern nur ein Teil derjenigen Arbeitsloſen, die ſich ein gewiſſes Recht darauf gegen die Stadt erworben haben. Der Antrag Stadthagen würde nur den agrariſchen Arbeitgebern wieder eine neue Liebesgabe ſchaffen. Nach unſerer Auffaſſung haben die Agrarier daran aber ſchon übergenug. Wenn die Herren ſagen, mit 10 000 ℳ iſt nichts geſchaffen — ich habe ja ſchon geſagt: Sie können die Summe in jeder Weiſe erhöhen. Sie werden das aber nicht tun. Die Prinzipienfrage iſt für Sie ausſchlaggebend. Sie wollen ſich über ein ſo weit gehendes Prinzip nicht ſchlüſſig werden, und Herr Kollege Wöllmer hat auch ſein feines Empfinden gegen jede unberechtigte, auf keiner Gegenleiſtung beruhende Unterſtützung zum Ausdruck gebracht Wenn Herr Kollege Wöllmer recht hätte, müßten manche Ausgaben im Etat geſtrichen werden; denn Sie unterſtützen damit auch manche wohl⸗ habenden Leute, die eine Gegenleiſtung der Stadt überhaupt nicht leiſten. Auch gilt der Einwand des Einſpruchs des Oberverwaltungsgerichts — die Arbeitsloſenunterſtützung zur Armenunter⸗ ſtützung zu erklären — nichts. Es kommt in erſter Linie auf die Form an, in welcher eine Arbeits⸗ loſenunterſtützung geſchaffen wird; das könnte in Form einer Stiftung oder dergleichen geſchehen. Aber alles weitere Reden darüber dürfte ja unnütz ſein, da Sie ſich ſchon von vornherein darüber einig ſind, unſeren Antrag abzulehnan. Die motivierte Tagesordnung im Sinne des Kollegen Wöllmer kann weder die Arbeitsloſen befriedigen, noch befriedigt ſie uns. Stadtv. Dr. Crüger (perſönliche Bemerkung): Herr Kollege Zietſch hat mir in einer Zwiſchen⸗ bemerkung entgegengehalten, daß ich für eine Unter⸗ ſtützung der Arbeitsloſen nicht zu haben ſein würde. Ich ſtelle feſt, daß ich für den zweiten Antrag zur Verfügungſtellung der 30 000 ℳ ſtimmen werde, und daß in dem von uns eingebrachten Antrag ausdrücklich vorbehalten iſt, daß, wenn dieſe Mittel nicht ausreichen, wir vom Magiſtrat erwarten, daß weitere Mittel gefordert werden. Damit iſt der ſchlagende Beweis geliefert, daß meine Fraktion, daß alſo auch ich auf einem ganz anderen Stand⸗ punkt ſtehen, als es vom Herrn Kollegen Zietſch behauptet wird, daß auch wir für Unterſtützung der Arbeitsloſen ſind, allerdings auf anderem Wege, als er vom Herrn Kollegen Zietſch in Vorſchlag gebracht wird. (Sehr gut! bei den Liberalen.) Stadtv. Zietſch (perſönliche Bemerkung): Ich habe Herrn Kollegen Crüger nicht vorgeworfen, daß er gegen jede Arbeitsloſenunterſtützung ſei, ſondern ich habe nur in der Zwiſchenbemerkung zum Ausdruck bringen wollen, daß Herr Kollege Crüger draußen genug bekannt iſt. Daß ich damit nicht zu viel geſagt habe, hat Herr Kollege Dr Crüger durch ſeine jetzigen Ausführungen beſtätigt; denn