94 Es iſt auch geſagt worden, die Fahrkarten könnten eventuell dazu dienen, daß ſie mehr zum Privatgebrauch Verwendung fänden als zur Aus⸗ übung des Stadtverordnetenmandates. Dieſer Ge⸗ geneinwand ſchließt eine ſo geringe Einſchätzung — wie ſoll ich ſagen? — des Anſtandsgefühls und der Ehrlichkeit der Stadtverordneten in ſich, daß ich darauf überhaupt nicht eingehen möchte. Ferner iſt auch zu betonen, daß die Fahrkarten teine Bezahlung der Ehrenbeamten in ſich ſchließen können. Ich erinnere Sie daran, daß früher, als die Reichstagsabgeordneten keine Diäten bekamen, und wie ausdrücklich in der Verfaſſung des Reiches ſtand, daß die Mitglieder des Reichstages keine Entſchädigung oder Beſoldung für die Ausübung ihres Mandates haben dürften, die Abgeordneten doch freie Fahrt von ihrem Wohnſitz nach Berlin hatten. Dieſe Einrichtung wurde ſo liberal ge⸗ handhabt, daß mancher Abgeordnete zehn oder zwölf Wohnſitze hatte, die zum Teil an die äußerſten Enden des Reiches verlegt waren. Und doch hat niemand darin einen Verſtoß gegen die Verfaſſung geſehen. Es iſt auch geſagt worden, daß die Städte⸗ ordnung eine Entſchädigung für Ehrenbeamte nicht dulde. Wir brauchen uns in dieſer Beziehung über die Auslegungsmöglichkeiten der Städte⸗ ordnung doch nicht mehr den Kopf zu zerbrechen als die Regierung. Die Regierung aber hat Schöneberg, Rixdorf und Berlin gegenüber in derſelben Sache keine Einwendung erhoben. In Berlin hat jeder Stadtverordnete das Recht, zwei oder drei Straßenbahnlinien auf Koſten der Stadt zu belegen. In Schöneberg iſt jedem Mitglier eines Ausſchuſſes der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung die Fahrt auf den Schöneberger Linien ge⸗ ſtattet. In Rixdorf wird den Stadtverordneten ein⸗ Polizeifahrkahrte gegeben, die für drei Linien Gel⸗ tung hat. Im Ausſchuß iſt auch geſagt worden, daß der Magiſtrat die Sache auf 12 000 jährlich veran⸗ ſchlagt hat. Das trifft nicht zu. Die Beſprechung im Seniorenkonvent hat das Ergebnis gezeitigt, daß vielleicht eine Höchſtſumme von 6 000 % herauskommen würde. Alle gegen unſern Antrag geäußerten Bedenken können alſo nicht ausſchlaggebend ſein. Ich bitt⸗ Sie, unſerem Antrage zuzuſtimmen. Stadtv. Holz: Meine Herren, es handelt ſich nicht um die Summe von 12 000 ℳ oder, wie Herr Kollege Zietſch ſagt, nur 6 000 ℳ, ſondern darum — das iſt im Etatsausſchuß auch bereits ausgeführt worden —, daß es gewiſſermaßen der Würde der Stadtverordneten widerſpricht, ſich einen derartigen Vorteil zu verſchaffen. Ich glaube, mit Recht dieſen Hinweis machen zu können. Denn zunächſt liegt die Sache tatſächlich ſo, daß die Stadtver⸗ ordneten, wenn ſie eine ſolche Zuwendung er⸗ langen würden, gar nicht in der Lage ſein würden, auseinanderzuhalten, wo ſie die Fahrkarte für ihre Privatintereſſen und wo ſie ſie für die ſtädtiſchen Intereſſen benutzen. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Aber abgeſehen davon iſt ſchon aus den Aus⸗ führungen des Herrn Antragſtellers ſelbſt hervor⸗ gegangen, daß, ſoweit er oder einer ſeiner Freunde oder ſonſt ein Mitglied der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung in die Lage kommt, Barauslagen zu haben, dieſe Barauslagen anſtandslos berichtigt werden und berichtigt werden müſſen, wenn ſie Sitzung vom 17. März 1909. gefordert werden. Das widerſpricht auch durch⸗ aus nicht der Würde — das Gegenteil glaube ich aus den Worten des Herrn Kollegen Zietſch ent⸗ nommen zu haben —, wenn ein Stadtverordneter in ſolche Lage kommt und dann ſeine Anſprüche in angemeſſener Weiſe geltend macht. Der Hinweis auf Berlin iſt verfehlt. Ich glaube mit Zuverſicht ausſprechen zu dürfen, daß von ſämtlichen Berliner Stadtverordneten kaum die Hälfte von dem Vorteil Gebrauch gemacht haben: den meiſten wird aber auch dabei etwas peinlich zumute ſein. Der Antragſteller hat ſelbſt ſchon auf das Ent⸗ ſcheidende hingewieſen, daß nämlich der ganze An⸗ trag gegen den Geiſt, Sinn und Wortlaut der Städteordnung verſtößt. Die Städteordnung ſpricht ausdrücklich von unbeſoldeten Gemeindebeamten. Wir ſehen ein Glück und eine Ehre darin, daß wir unſere Kräfte der Stadt widmen, und daß wir unſere Kräfte uns nicht bezahlen laſſen; denn wir ſehen, wenn auch indirekt, darin eine Bezahlung, wenn wir uns durch Fahrkarten gewiſſermaßen für unſere Mühewaltung und unſere Dienſte entſchä⸗ digen laſſen. Ich glaube alſo, daß der Antrag des Kollegen in dieſer Verſammlung kaum eine Mehr⸗ heit finden wird. Das iſt ja auch im Etatsausſchuß bereits hinreichend zum Ausdruck gebracht. Ich bitte Sie, den Antrag abzulehnen. Vorſteher Kaufmann: Ich möchte Ihnen zur Aufklärung mitteilen, daß der Antrag im Aus⸗ ſchuß des längeren verhandelt worden iſt, (Sehr richtig!) und daß man im Etatsausſchuß auch ſchließlich feſt⸗ geſtellt hat und damit glaubte auskommen zu können, daß der Stadtverordnete berechtigt iſt, die Auslagen zu jeder Zeit zu reklamieren, und daß die Form dafür allerdings ſehr einfach iſt und es ſich daher vielleicht erübrigt, den Antrag ſo, wie er geſtellt iſt, als notwendig zu erachten. Es iſt ohne jede Anweiſung eines Dritten jeder Stadtver⸗ ordnete, der Auslagen im Dienſte der Stadt gehabt hat, berechtigt, eine Summe bis zu 5 ℳ bei der Botenmeiſterei auf ſeine einfache Quittung zu er⸗ heben; ſind es größere Beträge, ſo wird ohne weiteres von einem Magiſtratsvertreter die An⸗ weiſung zur Zahlung gegeben werden. Es unter⸗ liegt keinem Zweifel, daß man die Auslagen er⸗ heben kann. Hat jemand innerhalb einer Woche oder eines Monats bis zu 5 ℳ Auslagen gehabt, ſo geht er mit der Liquidation zum Botenmeiſter und bekommt den Betrag ohne weiteres ausge⸗ zahlt ohne jede Prüfung, weil man überzeugt iſt, daß ein Stadtverordneter nur dasjenige erhebt, worauf er einen Anſpruch hat. Ich wollte zur Auf⸗ klärung derjenigen Herren, die den Etatsverhand⸗ lungen nicht beigewohnt haben, dieſen Weg als den tatſächlich praktiſchen und als den Weg, der dasjenige trifft, was der Herr Kollege will, zur Kenntnis bringen. Stadtv. Schwarz: Ich bin ganz erſtaunt, daß dieſer Antrag uns heute noch einmal beſchäftigt; denn ich habe den Eindruck, daß derſelbe im Etats⸗ ausſchuß mit großer Majorität abgelehnt worden iſt. Wohin würde es auch führen, wenn er ange⸗ nommen würde? Jeder Waiſenrat, der Auslagen für die Stadt hat, bekommt dieſelben erſetzt. Wenn ein Pauſchale bei unſeren Ehrenbeamten eingeführt werden ſollte, dann würden Summen heraus⸗