110 weiter einen Beſchluß gefaßt, der im weſentlichen dem entſpricht, was wir jetzt als Beſchluß des Etatsausſchuſſes vor uns haben. Ich glaube, daß nicht nur wir, ſondern auch die Bürgerſchaft von Charlottenburg das Recht hat, zu erfahren, aus welchen Gründen der Magiſtrat zu einer ſo plötz⸗ lichen Anderung ſeiner Sinnesart gekommen iſt. Die urſprüngliche Vorlage des Magiſtrats hatte einen gewiſſen ſozialen Zug. Dieſer ſoziale Zug iſt aus der Vorlage des Ausſchuſſes völlig ent⸗ ſchwunden. Was ſozial an der Vorlage des Ma⸗ giſtrats war, war der Umſtand, daß der unbebaute Grund und Boden erheblich höher beſteuert wurde als der bebaute — meiner Anſicht nach allerdings bei weitem noch nicht hoch genug, aber immerhin in einem höheren Prozentſatz als der bebaute Grund und Boden, ſo daß man annehmen konnte, daß ſchließlich diejenigen Spekulanten, die abſichtlich mit der Bebauung ihres Terrains warten, um auf dieſe Weiſe die Preiſe für den Grund und Boden in die Höhe zu ſchrauben, durch die Höhe der Steuer gezwungen würden, ihr Terrain zu be⸗ bauen. Das war der ſoziale Gedanke, der der Magiſtratsvorlage zugrunde lag. Dieſer Gedanke iſt vollkommen dadurch verwiſcht worden, daß man ſich darauf beſchränkt, nur den doppelten Satz der Steuer von den unbebauten Grundſtücken zu er⸗ heben wie für den bebauten Grund und Boden. Meine Herren, man kann ja ſagen, daß die Grundſteuer auf alle Fälle auf die Mieter ab⸗ gewälzt wird, und das iſt wiederholt auch hier im Plenum betont worden. Ich gebe ohne weiteres zu, daß ſtets das Beſtreben vorhanden iſt, die Grundſteuer auf die Mieter abzuwälzen. Aber es fragt ſich nur, ob immer die Möglichkeit dazu vorhanden iſt. Die Möglichkeit dazu iſt vorhanden mit dem Augenblick, wo der Wohnungsmarkt für die Hausbeſitzer günſtig iſt. Je mehr Grund und Boden ſie aber bebauen, deſto ungünſtiger wird naturgemäß der Wohnungsmarkt für den Haus⸗ beſitzer, und deſto weniger iſt er in der Lage, die Grundſteuer auf den Mieter abzuwälzen. Wir hatten alſo in der Magiſtratsvorlage immerhin eine Vorlage, die die Möglichkeit vorſah, diejenigen Kreiſe mit der Steuer zu belaſten, die auch tat⸗ ſächlich die Steuer tragen können, während jetzt der Etatsausſchuß das gerade Gegenteil aus der Vorlage des Magiſtrats gemacht hat. Der Etats⸗ ausſchuß hat einen Beſchluß gefaßt, der darauf hinausläuft, daß die Hausbeſitzer verſuchen werden, da ja die Steuer für die unbebauten Grundſtücke nicht ſo hoch iſt, daß die Terrains unbedingt bebaut werden, die Grundſteuer auf die Mieter abzu⸗ wälzen. Im letzten Ende werden alſo nicht die Hausbeſitzer, die hier ſo furchtbares Geſchrei er⸗ heben, die Steuer zu tragen haben, ſondern die Mieter. Meine Herren, nun befinde ich mich allerdings in der unangenehmen Lage, daß verſchiedene Haus⸗ und Grundbeſitzervereine in der Verwerfung der Beſchlüſſe des Etatsausſchuſſes mit mir derſelben Meinung ſind. Aber ich betone ausdrücklich, daß mich weſentlich andere Motive geleitet haben als die Herren, die uns hier mit Eingaben bedacht haben. Meine Herren, der Vorſtand des Charlotten⸗ burger Hausbeſitzervereins von 1894 ſchreibt uns, daß die Hausbeſitzer ſchon jetzt infolge der niedrigen Mieten nicht in der Lage ſeien, neue Steuern zu tragen. Nun, meine Herren, wer von den Char⸗ Sitzung vom 17. März 1909. lottenburger Einwohnern nicht zu den bevor⸗ zugten Leuten gehört, die ein eigenes Haus haben, das ſie an andere vermieten, der wird wohl über Klagen der Hausbeſitzer über niedrige Mieten nur ein Lächeln übrig haben. Dann ſchreibt der Haus⸗ beſitzerverein, daß er durchaus der Meinung ſei, daß das fehlende Geld entweder von der Allgemein⸗ heit oder durch Sonderſteuern erhoben werden muß. Meine Herren, daß die fehlenden Mittel von der Allgemeinheit getragen werden, iſt ſtets unſer Beſtreben geweſen; aber gegen Sonderſteuern haben wir ſtets Stellung genommen und werden es auch in Zukunft tun — ausgenommen die eine Sonderſteuer auf den Grund und Boden. Und zwar können wir dieſe Sonderſteuer mit gutem Gewiſſen befürworten aus dem Grunde, weil die Haus⸗ und Grundbeſitzer es ſind, die von der Tätigteit der Allgemeinheit einen Vorteil haben, ohne daß ſie auch nur einen Finger zu rühren brauchen. Dann bezeichnen ſich die Herren als feſteſte Stützen der Kommune; — fehlt nur noch, daß ſie ſich als feſteſte Stützen von Thron und Altar bezeichnen! Die Herren glauben wohl, dadurch einen beſonderen Eindruck auf die Stadtverord⸗ netenverſammlung machen zu können. Ahnlich iſt die Eingabe des Grundbeſitzervereins von 1895. Die Herren behaupten darin, daß die Haus⸗ und Grundbeſitzer aus ihrem Beſitztum ſchon heute 40% des geſamten Steuerbedarfs der Stadt aufbringen. Eine ſolche falſche Darſtellung kann unmöglich unwiderſprochen bleiben. Die Herren bringen die 40% des geſamten Steuerbedarfs nur ſcheinbar aus ihrem Beſitztum auf; in Wirklichkeit ſind es die Mieter, die die Steuer tragen. Denn es wird keiner unter uns glauben, daß es einen Hausbeſitzer gibt, der alles, was er an Laſten, an Kanaliſationsabgaben uſw. zu tragen hat, aus eigener Taſche trägt; er rechnet ſich aus, was er an Laſten hat, und danach bemißt er die Mieten, vorausgeſetzt, daß die Konjunktur des Wohnungs⸗ marktes das geſtattet. (Zuruf bei den Liberalen: Was er kriegt!) — Nun ſtellen Sie die armen Hausbeſitzer wieder als Leute hin, die keine Mieten kriegen. Laſſen Sie doch dieſes Ammenmärchen aus dem Spiel! Als wenn es in Charlottenburg nur Mieter gäbe, die keine Mieten bezahlen — darauf geht doch das hinaus, ſie als die armen Hausbeſitzer hinzuſtellen, die keine Laſten tragen können. Ich ſage: die Hausbeſitzer wälzen alle Laſten auf die Mieter ab, und kriegen es dann noch fertig, in der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung die Mieter zu verhöhnen, als wenn ſie überhaupt keine Mieten zahlten! Die Hausbeſitzer wenden ſich dann auch gegen die ſozialen Beſtrebungen des Magiſtrats und pro⸗ teſtieren dagegen, daß der Magiſtrat Baugenoſſen⸗ ſchaften unterſtützt und ſo die Überproduktion an Wohnungen fördert, und ſie ergehen ſich in ähn⸗ lichen Ausfällen weiter. Das zeigt, ein wie ge⸗ ringes ſoziales Verſtändnis dieſe Herren für die eigentlichen Beſtrebungen einer Gemeinde haben, daß ſie dabei ſich ſelbſt als diejenigen betrachten, die eigentlich alles zu ſagen haben, als diejenigen, nach deren Pfeife alle zu tanzen haben. Ja, meine Herren, das nimmt kein Wunder; wir haben ja kaum eine Vorlage in der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung, bei der uns nicht von Haus⸗ und Grund⸗ beſitzervereinen Eingaben zugehen. Ich erinnere Sie nur an die vorige Sitzung, wo wir auch eine ähnliche Eingabe, wenn ich nicht irre, vom Haus⸗