112 Nein, die Sache iſt nicht ſo. Die ſogenannten Hausagrarier ſind durchaus nicht Leute, denen einfach das Geld ins Haus getragen wird, und die nicht dafür arbeiten, — nein, die haben auch zu arbeiten! Die 20 bis 25 Wohnungen, die ein Haus⸗ beſitzer oft inſtand zu halten hat, das iſt auch eine Arbeit, ein Geſchäft, wie jedes andere. Aber ein Terrain zu beſitzen, die Millionengewinne ſpäter einfach einzuſtreichen, das iſt keine Arbeit, das iſt kein anſtrengendes Geſchäft, das iſt eine Speku⸗ lation, eine Spekulation meiſt in den Händen der plutokratiſchen Kreiſe, (Stadtv. Hirſch: Sehr richtig!) und ich bin der Anſicht, daß, wenn es ſich darum handelt — das iſt mit der Nachlaßſteuer ebenſo —, daß im Staate oder in den Gemeinden Mangel an Geld iſt, die plutokratiſchen Kreiſe herangezogen und nicht die kleineren Elemente bedrückt werden ſollen. Deshalb iſt es eine Ungerechtigkeit, daß eine Herabſetzung der Grundſteuer für die un⸗ bebauten Grundſtücke vom Ausſchuß beſchloſſen worden iſt, und daß dafür die Steuer für die be⸗ bauten Grundſtücke, für die Hausbeſitzer er h öh t werden ſoll. Das iſt ſozial unrichtig, abſolut unſozialpolitiſch, und dagegen, glaube ich, können und müſſen wir uns wenden. Von dieſem Stand⸗ punkt aus will ich hoffen, daß eine große Anzahl von Ihnen mit mir gegen dieſe Richtung Einſpruch erhebt. Nun hat der Herr Kämmerer, der ja ſchließlich den Geldbeutel hat und dafür ſorgen muß, daß er auch voll iſt, geſagt: ja, Herr Kollege Hirſch hat ſich über die Wirkung nicht geäußert. Ja, es iſt richtig, es handelt ſich um ein Defizit. Der Herr Kämmerer als Schatzmeiſter verlangt ſofort: du willſt ermäßigen, gib mir etwas anderes. Meine Herren, da haben wir aber doch das allerbeſte, was wir wir nur denken können: ſehen Sie, Sie haben eine Kommiſſion über die Wertzuwachsſteuer, Sie haben ſich auch für dieſe Beſteuerung ausgeſprochen: aller⸗ dings ſind die Arbeiten noch nicht ſehr weit ge⸗ diehen, wir hatten vor einigen Monaten — ich glaube, es iſt bald ein Jahr her, daß die Kommiſſion niedergeſetzt wurde — eine Sitzung, und ich glaube, daß wir vielleicht früheſtens im Jahre 1911 oder 1912 Gelegenheit haben werden, uns darüber ſchlüſſig zu machen, was eigentlich eine Wert⸗ zuwachsſteuer iſt, wie das Ding ausſieht, wie hoch wir ſie bemeſſen wollen. Alſo, meine Herren, vorläufig haben wir ja keine Wertzuwachsſteuer, über die wir im Prinzip ſcheinbar faſt alle einig ſind, und die, ſoweit ſie unbebaute Grundſtücke betrifft, doch wahrſcheinlich mit erdrückender Majorität ange⸗ nommen werden wird. Aber in den Stadtſäckel bekommen wir dadurch nichts. Da liegt es auf der Hand, die Umſatzſteuer für unbebaute Grundſtücke von 2% auf 3% zu erhöhen — dann iſt die Löſung des Steuerdefizits mit einem Schlage gefunden, und wir treffen wieder diejenigen Kreiſe, die groß⸗ kapitaliſtiſch und plutokratiſch ſind, die das Geld haben, die es mühelos verdienen, die dafür nicht zu arbeiten brauchen und ganz gut den Säckel auf⸗ machen können, um das Defizit zu decken. Ich trete alſo für meine Perſon — ich wieder⸗ hole: für meine Perſon bin ich nur berechtigt, dies zu ſagen — dem Antrage der Herren Kollegen Hirſch und Genoſſen vollkommen bei und bitte, die Magiſtratsvorlage, wie ſie war, 2,5 %, für die Sitzung vom 17. M ärz 1909. bebauten, 6,25 %, für die unbebauten Grundſtücke, wiederherzuſtellen. Stadtv. Dr. Crüger: Meine Herren, iſt es die Tücke des Zufalls oder die Tücke des Objekts — ich weiß es nicht; vielleicht iſt es mehr Tücke des Ob⸗ jekts —, daß der äußerſte rechte und der äußerſte linke Flügel ſich hier zuſammenfinden in dem Lob auf die urſprüngliche Magiſtratsvorlage. Und nun iſt es wirklich Pech, daß dieſe Magiſtratsvorlage in⸗ zwiſchen entſchwunden iſt, daß dieſe beiden Herren ſie wieder aus der Verſenkung herausheben, um den Nachweis zu führen, daß die Magiſtratsvorlage eigntlich der Gipfel der ſozialen Steuerpolitik ge⸗ weſen iſt. (Stadtv. Hirſch: Im Vergleich zu Ihrer Vorlage!) Herr Kollege Hirſch kommt allerdings aus andern Geſichtspunkten heraus zur Magiſtratsvorlage wie Herr Kollege Liſſauer; aber ſie haben ſich hier zu⸗ ſammengefunden und bedauern, daß die Magiſtrats⸗ vorlage zurückgezogen iſt. Herr Kollege Liſſauer, über deſſen Steuerpolikit ich mich mit ein paar Worten zunächſt aus⸗ einanderſetzen möchte, lobt die Umſatzſteuer und die Wertzuwachsſteuer. Es wird doch aber die Umſatz⸗ ſteuer und die Wertzuwachsſteuer auch von Haus⸗ beſitzern erhoben; beide treffen die doch auch. (Zuruf des Stadtv. Jachmann.) Jedenfalls treffen aber die Umſatzſteuer und die Wertzuwachsſteuer doch auch die Hausbeſitzer. Nun hat Herr Kollege Liſſauer die Hausbeſitzer gegenüber dem Kollegen Hirſch charakteriſiert und geſagt, es gäbe nicht viel gutſituierte Hausbeſitzer. Ich glaube ja auch, er hat recht; hier aber auf die Urſachen dafür einzugehen, würde jedenfalls zu weit führen. Ich meine, es iſt ebenſo verfehlt, von dem notleidenden Hausbeſitzerſtande zu ſprechen, wie von der notleidenden Landwirtſchaft, ſondern man muß ſich von Fall zu Fall den Hausbeſitzer an⸗ ſehen und muß unterſuchen, warum er notleidend geworden iſt. Wenn z. B. ein Hausbeſitzer ein Grundſtück im Werte von ½ Million erwirbt, und er hat vielleicht nur 5 000 ℳ angezahlt, ſo braucht er ſich nicht zu wundern, daß ſein Hausbeſitz mit Hypotheken überlaſtet iſt; das iſt eine ganz natür⸗ liche Entwicklung. Ich will mich mit Herrn Kollegen Liſſauer nicht darüber auseinanderſetzen, wie groß die Arbeitsleiſtung eines Hausbeſitzers iſt. Ich kann mir denken, daß ein gutſituierter Hausbeſitzer in der Verwaltung ſeines Hauſes nicht eine Arbeit, ſondern ein Vergnügen ſieht. Meine Herren, wir wollen nicht verallgemeinern; die Verhältniſſe liegen außer⸗ ordentlich verſchieden. Nun war es mir aber ſehr intereſſant, von Herrn Kommerzienrat Liſſauer zu hören, daß er hier polemiſiert mit dem Hinweis auf die Spekulation der plutokratiſchen Kreiſe. (Sehr richtig!) Meine Herren, das hat mich wunderſam berührt; ich weiß nicht, was mit einer derartigen — verzeihen Sie — Redensart — viel was anderes iſt es doch ganz gewiß nicht — hier bei dieſer Steuervorlage bewieſen werden ſoll. Damit kann man alles oder vielmehr: damit kann man überhaupt gar nichts beweiſen in einem Fall wie dem vorliegenden. Auf wem ſoll das Eindruck machen? Ich möchte mich jetzt zu Herrn Kollegen Hirſch wenden, der uns den Nachweis erbracht hat oder vielmehr den Verſuch gemacht hat, den Nachweis zu