Sitzung vom 24. März 1909 beſſere Verkehrsbedingungen mit Recht bean⸗ ſpruchen können, und endlich die Frage: wie ſtellt ſich dieſes Projett im Vergleich zu den von den andern Gemeinden geplanten und diesbezüglich ausgearbeiteten Untergrundbahnprojekten dar? Was den Kurfürſtendamm und ſeine Steuer⸗ kraft anbetrifft, ſo lag uns eine ſehr intereſſante graphiſche Darſtellung des Magiſtrats vor. Man hatte auf einem Plan unſerer Stadt alle die Steuer⸗ zahler, welche gewiſſe recht bedeutende Steuer⸗ ſummen an unſere Kaſſe abführen, eingezeichnet. Da ergab ſich das überraſchende Reſultat, daß unſere reichſten Einwohner faſt ſamt und ſonders am Kur⸗ fürſtendamm oder in der unmittelbaren Nähe dieſes Straßenzuges angeſiedelt ſind, vielleicht mit Aus⸗ nahme der Hardenbergſtraße, die in dieſem Falle nicht in Betracht kommt, da ſie bereits durch ganz beſonders günſtige Verkehrsbedingungen bevorzugt iſt. Nur vereinzelt und nur ganz wenig verſtreut fanden ſich auch in den andern Teilen der Stadt dieſe großen Steuerzahler. Meine Herren, mit dem Verkehr und ſeinen Vorteilen geht es uns ebenſo wie mit dem Licht: wir verwöhnen uns darin. Je mehr Möglichkeit eines ſchnellen und zweckmäßi⸗ gen Verkehrs wir haben können, deſto mehr wollen wir haben. Das trifft am allermeiſten auf die⸗ jenigen Leute zu, die dant ihrer günſtigen wirt⸗ ſchaftlichen Poſition ſo freizügig wie nur möglich ſind und ihren Wohnſitz da wählen können, wo es ihnen am beſten gefällt und am bequemſten er⸗ ſcheint. Deswegen iſt ohne weiteres erſichtlich, daß wir allen Grund haben, dieſe mit Vorliebe von unſern reichſten Mitbürgern aufgeſuchten Gegenden auch in Vertehrshinſicht ſo auszugeſtalten, daß die Leute allen Grund haben, in dieſen Gegenden wohnen zu bleiben. Des weiteren beſprachen wir die Lage unſerer neuen unaufgeſchloſſenen Gebiete, namentlich im Vergleich zu denjenigen Gebieten, die durch die Untergrundbahnen der andern Gemeinden auf⸗ geſchloſſen und der Bebauung zugeführt werden ſollen. Es ergab ſich, wenn wir den Begriff der wirtſchaftlichen Entfernung einführten — einen Begriff, durch den dokumentiert wird, in welcher Zeit und für welches Geldopfer man eine Strecke von dem fraglichen Punkte bis zum Zentrum der Stadt zurücklegen kann —, die überraſchende Tat⸗ ſache, daß ſowohl das neue Südgelände von Wil⸗ mersdorf als die in Schöneberg zur Aufſchließung gelangenden Ländereien günſtiger gelegen ſind als unſer Gelände zwiſchen dem Reichskanzlerplatz und der Ringbahn. Es ergibt ſich daraus weiter die Notwendigkeit, daß es, wie hier bereits betont wor⸗ den iſt, abſolut zweckmäßig und durchaus geboten iſt, auch dieſem Gelände beſſere Verkehrsbedingun⸗ gen zu gewähren, falls wir nicht fürchten müſſen, daß es gegenüber den andern Geländen in Schöne⸗ berg und Wilmersdorf zurückbleiben ſoll. Endlich haben wir als dritten und vielleicht wichtigſten Punkt dieſer allgemeinen wirtſchaft⸗ lichen Fragen das Verhältnis zu den übrigen Unter⸗ grundbahnprojekten, die von den andern Gemeinden ausgearbeitet worden ſind, unterſucht. Der Aus⸗ ſchuß war einſtimmig der Anſicht, daß unſer Projekt in keiner Weiſe wohlberechtigte Intereſſen anderer Gemeinden ſchädigt. Es ergab ſich die Tatſache, daß für Schöneberg ohne weiteres nur Vorteile vorliegen, wenn es ſich mit uns verbindet, daß aber auch für Wilmersdorf in keiner Weiſe mit Recht ausgeſprochen werden könnte, es ſei ſeinen Inter⸗ 123 eſſen ſchädlich, wenn es ſich mit uns verbände und ſeine Trace in unſere Bahn hineinführe. Vielmehr ergab ſich das Reſultat, daß auch dieſe Gemeinde nur durch unſer Projekt Vorteile erringe, inſofern als ſie ihre Bahn mit erheblich geringeren Koſten herſtellen und die Trace durch diejenigen Lände⸗ reien führen könne, deren Aufſchließung Wilmers⸗ dorf in erſter Linie im Intereſſe ſeines Steuerſäckels am Herzen liegen müßte. Auf keinen Fall kann be⸗ hauptet werden, daß die Stadt Wilmersdorf ge⸗ ſchädigt wird. Es iſt durchaus unrichtig, zu ſagen — das wurde allgemein anerkannt —: wir trieben nur eine rein partikulariſtiſche Charlottenburger Politik, lediglich zu dem Zwecke, um andern Ge⸗ meinden den Anſchluß, den ſie an bereits beſtehende Verkehrsunternehmungen ſuchen, abzuſchneiden. Das iſt ganz und gar nicht der Fall. Meine Herren, nach dieſen mehr allgemeinen Geſichtspunkten gingen wir auf die Prüfung der Trace über und kamen dann auch zur Beſprechung der Rentabilität und der Fahrpreiſe. Ich kann Ihnen aus der Fülle des Gebotenen und der reich⸗ lichen Menge an Unterlagen und Plänen, die uns gegeben wurden, die Sie zum Teil hier aufgehängt ſehen, natürlich nur einen ganz kleinen Teil und nur in großen Zügen das Allerwiſſenswerteſte ſchildern. Abſichtlich hat es der Ausſchuß vermie⸗ den, auf Details betreffend Anlegung der Bahn⸗ höfe, Zugfolge, auf Details des Betriebes und auf die Frage einzugehen, wer nachher den Betrieb leiten und führen ſoll. Es iſt ſelbſtverſtändlich — das iſt auch vom Magiſtrat zugeſichert worden — daß uns über alle dieſe Punkte im weiteren Ver⸗ laufe der Angelegenheit noch beſondere Vorlagen zugehen werden, und daß wir darüber erſt gehört werden müſſen, ehe wir zu irgend einem Beſchluß und Entſchluß kommen können. Es wurde die Trace noch mal im einzelnen durchgeſprochen, und der Ausſchuß war auch der Meinung, der ich hier als Referent in der vorigen Sitzung Ausdruck ge⸗ geben habe, daß die gewählte Trare in jeder Be⸗ ziehung zweckmäßig iſt und in Verbindung mit den übrigen bereits beſtehenden oder noch geplanten Unternehmungen eine Reihe von Möglichkeiten des Verkehrs ergibt, wie ſie beſſer und zweckmäßiger nicht gedacht werden können. Endlich kamen wir zu derienigen Frage, die uns, wie bei der erſten Beratung, noch als die dunkelſte erſchien, und die auch in den Beratungen des Ausſchuſſes den größten Platz eingenommen hat: zur Frage der Rentabilität. Es iſt ſelbſtver⸗ ſtändlich, daß die Berechnungen, die aufgeſtellt worden ſind, nur mit großer Vorſicht aufzunehmen ſind. Trotzdem haben wir alle das Gefühl gehabt, daß die Grundlagen, auf denen ſich die Deduktionen der Magiſtratsvertreter aufbauten, durchaus ſolide und berechtigt ſind. Man ging zunächſt davon aus — wenn ich Ihnen nur in kurzem den Gedanken⸗ gang ſchildern darf, ohne Sie mit einem großen Zahlenmaterial zu behelligen — man ging von einer Zahl aus, die volkswirtſchaftliche Unter⸗ ſuchungen feſtgeſtellt haben, und die ergibt, daß in Groß⸗Berlin pro Kopf der Einwohner 240 Fahr⸗ karten auf den verſchiedenen in Betracht kommen⸗ den Verkehrsunternehmungen gelöſt werden. Dieſe Zahl ſtammt aus dem Jahre 1905, ſie wird heute ſicher ſehr viel günſtiger lauten, der Autor, welcher ſie angibt, ſchätzt ſie heute bereits auf 300 ein; aber es iſt ſicher zweckmäßiger und richtiger, nur von der durch Unterlagen beglaubigten Zahl von 240 aus⸗