126 ſchon in anderen Betrieben äußerſt günſtig bewährt hätten; er verweiſt auf verſchiedene kommunale, Staats⸗ und Reichsbetriebe, in denen ähnliche Be⸗ ſtimmungen, wie ſie hier niedergelegt ſind, ſchon ſeit Jahren beſtehen. Nach unſerer Auffaſſung kann dieſes Prädikat „bewährt“ nur nach einer Seite hin gelten gelaſſen werden. Dieſe Aus⸗ ſchüſſe haben ſich da, wo ſie beſtehen, gewiß be⸗ währt, aber nicht für die Arbeiter, ſondern für die Leitungen der Betriebe, für die ſie geſchaffen worden ſind. Die uneingeſchränkte Vollmacht der Betriebsleiter iſt darauf ſicherlich nicht eingeſchränkt worden. Davon wird man doch nicht reden können, und zu der Annahme wird auch der Magiſtrat nicht neigen, daß durch dieſe Arbeiterausſchüſſe auch die in den betreffenden Betrieben beſchäftigten Arbeiter voll befriedigt worden ſind, daß auch die Arbeiter auf dem Standpunkt ſtehen, dieſe Ausſchüſſe hätten ſich „bewährt.“ (Unruhe.) Borſteher Kaufmann (unterbrechend): Meine Herren, ich muß entſchieden um Ruhe bitten. Ich begreife nicht, daß die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung nicht ſelbſt Abhilfe ſchaffen und die ewigen Unterhaltungen beſeitigen kann, die die Redner unverſtändlich machen. Ich weiß, daß in den Kreiſen der Stadtverordnetenverſammlung ſelbſt darüber ein großes Unbehagen beſteht. Ich möchte bitten, daß die Herren nach dieſer Richtung möglichſt Selbſtzucht üben. (Bravo!) Stadtv. Zietſch (fortfahrend): Meine Freunde werden dieſe Selbſtzucht ohne weiteres üben, namentlich bei Fragen, bei denen es ſich um Arbeiterintereſſen handelt; (Heiterkeit.) denn da iſt gewöhnlich die Unruhe der andern Herren am größten. Der Entwurf befriedigt uns ſelbſtverſtändlich nicht; ihm fehlt unſerer Überzeugung nach jede Großzügigkeit, die einem ſolchen Entwurf inne⸗ wohnen ſollte. Das Weſen wirklicher Arbeiter⸗ ausſchüſſe, wie wir ſie auffaſſen und verſtehen, wird durch dieſe Vorlage nicht im geringſten ge⸗ troffen. Wir wünſchen — das wird Sie vielleicht erſchrecken den Konſtitutionalismus in den induſtriellen und gewerblichen Betrieben, auch in den ſtädtiſchen Betrieben. Wir wollen daß den Arbeitern ein Rechtsanſpruch auf die Geltung⸗ machung ihrer Vertretung innerhalb des Betriebes gegeben wird, daß ſie in dieſen Ausſchüſſen zu allen Fragen Stellung nehmen können und ſollen, die ihre Intereſſen berühren. Die vollſte Unabhängigkeit der Arbeiter, namentlich der Aus⸗ ſchußmitglieder, muß ferner garantiert werden. Ich will nicht des näheren auf die Beſtimmun⸗ gen, wie ſie uns vorgelegt worden ſind, eingehen. Es wird jedenfalls aus der Mitte der Verſammlung der Wunſch laut werden, daß dieſe Vorlage, die uns zur Kenntnis übermittelt worden iſt, einen Aus⸗ ſchuß beſchäftigen ſoll. Wenn ich aber allgemein etwas dazu bemerken darf, ſo möchte ich mir ge⸗ ſtatten, darauf hinzuweiſen, daß auf Grund dieſer Beſtimmungen die Arbeiter keine Rechte haben. Es wird ihnen nur etwas konzediert, was nachher in ſeinem Beſtand mehr oder minder von der Aus⸗ legung, der Willkür des Magiſtrats, der ſtädtiſchen Behörden bzw. der Betriebsleitung abhängig iſt. 1 Sitzung vom 24. März 1909. Die Lohnfragen ſind gänzlich bei den Beſtimmungen über dieſen Arbeiterausſchuß ausgeſchaltet worden. An einer andern Stelle dieſer Beſtimmungen heißt es, daß nur dem Magiſtrat das Kündigungsrecht gegen die Ausſchußmitglieder offen ſtehen ſoll. Dadurch wird gewiß zu einem gewiſſen Teil das Ausſchußmitglied der Willkür, der mehr oder minder häufig nicht zu kontollierenden Maßnahmen der Betriebsleitung entzogen. Aber dieſe Beſtimmung, die von dem Magiſtrat ſicher als ſehr loyal be⸗ zeichnet werden wird, iſt doch unanſtändig. Darin nämlich, daß der Magiſtrat nicht verpflichtet wird, bei der Verabſchiedung von Ausſchußmitgliedern beſtimmte Gründe für die Entlaſſung anzugeben. Ein anderer Abſchnitt der Beſtimmungen regelt das Wahlverfahren der Ausſchußmitglieder. Auch das dünkt uns ganz unhaltbar und unglücklich gewählt. Wenn in dieſem Wahlverfahren gefordert wird, daß nur diejenigen Arbeiter wählbar ſein können, die mindeſtens drei Jahre ununterbrochen in ſtädtiſchen Dienſten tätig geweſen ſind, ſo geht das doch viel zu weit. Eine derartige Karenzzeit für die Wählbarkeit kennt man ja ſelbſt bei ſtart reakt onär ausgebildeten politiſchen Wahlſyſtemen nicht. Wählen zu können ſollen nur diejenigen Arbeiter berechtigt ſein, die mindeſtens ein Jahr im Betriebe ſind. Ferner wird in dieſen Wahl⸗ beſtimmungen feſtgelegt, daß nur derjenige in einen Arbeiterausſchuß gewählt werden kann, der das 30. Lebensjahr überſchritten hat. Das ſind unſerer Auffaſſung nach alles ſo außerordentliche Cleinlichkeiten und ängſtliche Beſchränkungen, (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) die ſich durch nichts begründen laſſen. Es iſt durch⸗ aus nicht geſagt, daß nicht auch ein jüngerer Arbeiter in einem ſtädtiſchen Betriebe in der Lage ſein könnte, die Intereſſen ſeiner Mitarbeiter im Arbeiter⸗ ausſchuß zu vertreten. Auch ein junger Menſch mit 25, 26, 27 Jahren wird in der Lage ſein, das, was ſeine Mitarbeiter wünſchen, im Ausſchuß zu vertreten; er wird die Intereſſen ſeiner Kollegen dort wahrnehmen können. Soweit ſollte man doch im Magiſtrat mindeſtens gehen, daß jemand, der zum Reichstage wählbar iſt, auch die Qualifikation beſitzen müßte, im Arbeiterausſchuſſe mit raten und taten zu können. Dieſes Mitraten und Taten iſt aber freilich nur in höchſt beſchränkter Weiſe für die Arbeiter der ſtädtiſchen Betriebe zuläſſig; ſelbſt die Beratungsmöglichkeit der Ausſchußmitglieder wird ſchon ungemein eingeſchränkt durch das Beauf⸗ ſichtigungs⸗ und Kontrollrecht, das die Betriebs⸗ leitungen den Arbeiterausſchüſſen gegenüber haben. Es iſt meiner Anſicht nach ein ganz unhaltbarer Zuſtand, daß ein Vertreter des ſtädtiſchen Be⸗ triebes ſtändig zu den Sitzungen des Arbeiter⸗ ausſchuſſes zugele ſſen werden mu ß. Wo haben Sie denn ein derartig gleich ausgebildetes Kontroll⸗ recht gegen andere Körperſchaften, die Intereſſen⸗ vertretungen ſein ſollen? Glauben denn die Herren vom Magiſtrat, daß die Arbeiter ſich ungeniert aus⸗ ſprechen werden — wie es doch in dieſem Kreiſe notwendig ſein wird —, wenn immer ein Ver⸗ treter des Magiſtrats dabei ſitzt? Wenn Sie den Arbeitern Gelegenheit geben wollen, ſich über ihre beſonderen Angelegenheiten einmal ungeniert aus⸗ zuſprechen, dann muß dieſe Beſtimmung beſeitigt werden. Das Argſte und für uns Unannehmbarſte, was der Entwurf enthält, iſt das Auflöſungsrecht des Magiſtrats gegenüber den Arbeiterausſchüſſen.